Es ist wieder Weihnachtszeit. Wir erfreuen uns an Weihnachtsmärkten, glänzender Deko, suchen Weihnachtsbäume aus und kaufen die letzten Geschenke. Wir freuen uns auf besinnliche Stunden im Kreise unserer Lieben bei gutem Essen und den Auftritt unserer Kleinen beim Krippenspiel in der Kirche an Heilig Abend. Besinnlich soll es sein, vielleicht etwas Schnee, nicht zu viel, nicht dass wir ein Verkehrschaos kriegen, das wäre weniger besinnlich, nein, aber in kleinen Dosen an den richtigen Ecken, quasi als weiteres Deko Element, um das Bild zu vervollständigen. Wie schön! Und mitten in dieser beschaulich-besinnlichen Zeit lese ich von unserem Innenminister, dass kein politisches Interesse besteht, die Afghanen, die unsere Soldaten während des Afghanistan Einsatzes der Bundeswehr unterstützen, vor den Taliban zu retten. Wir hatten das zwar einmal versprochen, aber es interessiert uns offenbar nicht mehr. Ende Besinnlichkeit. Sie und ihre Familien werden sich nun damit auseinandersetzen müssen, bald auf ihren Schöpfer zu treffen, wenn sie aus Pakistan, wo sie auf die versprochene Ausreise in die deutsche Sicherheit warteten, wieder zu den Taliban abgeschoben werden, die sicher schon drauf warten, die “Kollaborateure des Westens” empfangen zu können. Aber zu viel Besinnlichkeit wird uns das nicht kosten. Hierzuland empört man sich lieber über den “Kindermord von Nazareth”, der nur eine litrarische Erfidung ist und nie stattgefunden hat. Echte Kinder mit dunklerer Haut und anderer Religion interessieren uns weniger. Wir sehen in ihnen lieber eine Gefahr, für was auch immer. Aber Dobrindt und sein politisches Interesse ist ja nicht allein. Die frühere Familienministerin Kristina Schröder meint vor ein paar Tagen, wir, also die deutsche Gesellschaft, könnten uns die Assistenz für Menschen mit Behinderung nicht mehr leisten. Mehr soziale Kälte zur besinnlichen Zeit. Aber schließlich geht es um den Mammon, dem in der Weihnachtszeit ja besonders gefröhnt wird. Entweder das teuere Geschenk von Luxusmarke XY, oder die Assistenz für unsere Mitmenschen, damit sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dem Mammon-Verehrer dürfte da wie Wahl nicht schwer fallen. Was haben “wir” - wer immer dieses “wir” ist - schon mit “den Behinderten” zu tun? Die müssen halt sehen, wo sie bleiben, “uns” schenkt ja auch keiner was. Außer halt jetzt an Weihnachten besagtes Luxusgeschenk von Marke XY. Und sonst auch, aber wir haben da vielleicht uach ne Erwartungshaltung und sehen nicht, wie reich beschenkt wir sind. Und dann wär da noch Streeck, der im November schon forderte, dass teuere Medikamente für Alte nicht mehr von den Kassen bezahlt werden sollen, ebenfalls um zu sparen. Und um die Besinnlichkeit ganz zu zerstören könnte ich noch davon sprechen, wie viele Menschen in Deutschland in Armut leben, wie viele davon Kinder sind, wie viele bei Geschenken aufpassen müssen, dass sie nicht auf die Sozialleistungen angerechnet werden und damit zum existenziellen Problem werden, wie viele kämpfen, ihre Miete zu bezahlen, um nicht jetzt in der kalten Jahreszeit auf der Straße zu landen. So viele Ställe gibt es nicht mehr, in denen man Unterschlupf finden könnte. Ja, es ist nicht besinnlich, und wenn Ihr mich fragt, das soll es auch gar nicht sein. Wir haben keine Weihnachtszeit, wir haben erst mal Advent. Advent kommt von lateinisch “advenire” - ankommen. Es ist die Zeit der Ankunft Jesu auf der Erde und von uns an Seiner Krippe. Und das bedarf der Vorbereitung. Deshalb ist die Adventszeit traditionell eigentlich eine Buß- und Fastenzeit - nicht des Glühweinsaufens und Lebkuchenfressens bei Wham-Ohrwürmern auf dem Weihnachtsmarkt, den wir mächtigen Kulturkämpfer mal wieder davor gerettet haben, in “Wintermarkt” oder dergleichen umbenannt zu werden. Und ja ich weiß, Buße will keiner hören, das ist so ein altes, unbesinnliches Wort. Es fordert, in sich zu gehen und zu überlegen, ob man denn noch auf dem richtigen Weg ist. Wenn wir uns überlegen, welche Forderungen zum Leid der Schwächsten gerade auch jetzt in dieser Zeit gestellt werden, von Leuten die dann gleich danach die Besinnlichkeit im Mund führen und die sogenannten christlichen Werte, die es zu verteidigen gelte, dann kann man hier ein großes Fragezeichen setzen. Und nein, ich will hier kein Politikerbashing betreiben, auch nicht eine einzelne Partei an den Pranger stellen, auch wenn die genannten Politiker alle zufällig der Union angehören. Es ließen sich sicher weitere Beispiele anderer Parteien finden. Darum geht es nicht, es geht um uns. Um unsere Verantwortung. In der Bibel, vor allem bei den Propheten wird mehr als klar gemacht, wofür der König und seine Eliten die Verantwortung tragen: Zuerst für Fremdlinge, Witwen und Waisen. Weil alles andere sozialer Sprengstoff wäre, der den Bestand des Gemeinwesens bedrohen würde. Sie taten es nicht und wurden ins Exil geführt, das Gemeinwesen zerstört. Heute haben wir - Gott sei es gedankt - keine Könige mehr. Genau deshalb können wir nicht auf die Politiker schimpfen, als gingen uns ihre Ideen nichts an. Wenn Dobrindt von politischem Interesse spricht, dann kann man zwar fragen, ob es nicht noch ein menschliches Interesse geben sollte, aber vor allem muss man fragen, warum dieses politische Interesse nicht da ist, warum die Christenmenschen nicht demonstrieren, statt auf den Weihnachtsmärkten zu konsumieren. Gleiches gilt für die anderen Forderungen zum Sozialabbau und Verschlechtern des Lebens unserer Mitmenschen. Wir leben in einer Demokratie, wir haben die Verantwortung, wir machen die Ansagen, die Politiker führen nur aus. Werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht, dann könnte uns Ähnliches drohen wie den Israeliten damals. Wir spüren schon, dass international der Wind rauher wird. Es wird offen von Krieg geredet und die Veränderung des Klimas macht es nicht besser. Und ganz ehrlich: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der Versprechen gegenüber Schutzsuchenden nichts mehr gelten? In der wir Alte mit ihren Krankheiten allein lassen, weil es uns zu teuer wird. In der wir Menschen mit Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht mehr rmöglichen, weil es uns zu viel wird? So eine Gesellschaft kann gerne verschwinden. Ich träume von einer anderen Gesellschaft: Es ist wiederum in der Bibel, wo wir Ideen dafür finden. So ist die Rede davon, dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Bild meint hier das Kultbild im Tempel. Der Gott der Juden, Christen und Muslime fordert ganz prominent, dass keine Kultbilder von Ihm angefertigt werden. Und in der Bibelstelle wird klar, warum: Die Menschen sind das Kultbild Gottes. Statt dem Gottesbild Gutes zu tun, indem Essen und Geschenke in den Tempel gebracht werden, soll Gott gedient werden, indem dies alles den Menschen zuteil wird. Nicht irgendwelchen Tempeleliten. Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Die Geschichte von Sankt Martin und dem Bettler sagt im Grunde das Gleiche. Wo wir den Armen, Schwachen und Marginalisierten dienen, da dienen wir Gott. Aber auch umgekehrt: Es gibt auch Polemik in der Bibel gegen die Bildnisse anderer Götter, die aus Holz und Gold sind und nicht helfen können. Wir aber als Christi Leib können helfen, und so handelt unser Gott in uns, wo wir das tun, was wir tun sollen. Jesus kam und gab uns ein Beispiel. Er heilte und trieb Geister aus und gab den Menschen Hoffnung. Auch jenen, die nicht zum Volk der Juden gehörten. Er sprach davon, dass ein Jude der Nächste eines Samaritaners ist - Anhänger verschiedener, aber verwandter Religionen: Ähnlich wie christentum und Islam heute. Er lobte den Glauben des römischen Zenturio, er heilte eine Syrophönizierin und trieb eine Legion böser Geister aus einem Mann aus Gerasa, einer heidnischen, nicht jüdischen Stadt, aus. Er ging so weit damit, dass Er sich nicht drum scherte, dass Er zunehmend von den Eliten als Bedrohung gesehen wurde und opferte sich letztendlich selbst. Und wir “Christen” heute sprechen davon, dass wir uns Alte und Behinderte nicht mehr leisten können oder wollen, und dass wir lieber Versprechen brechen als bedrohten Familien zu helfen. Was würde Jesus von diesem “Christentum” wohl halten? Was würde Er wohl sagen. Mir kommt eine Stelle beim Propheten Amos in den Sinn:
Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. – Am 5, 21.23-24
Kehrt um und glaubt an das Evangelium. Amen.