Bei miteinander.at hab ich ein Interview gelesen in dem es um die Frage geht, was Gemeinden wachsen, und was sie schrumpfen läßt. Nun bin ich weder Österreicher noch römisch-katholisch, aber die Probleme scheinen die gleichen zu sein. Nach der Firmung, bei uns nach der Konfirmation, gibt es meistens einen Abriß und man sieht die Leute nicht mehr.

Mit viel Glück sieht man sie bei der Hochzeit wieder und kann den verlorenen Kontakt wieder aufnehmen, und wenn Kinder kommen und getauft werden sollen, vertiefen. Nur gibt es inzwischen immer weniger kirchliche Trauungen, und getauft werden auch nicht mehr alle Kinder.

Ich will jetzt gar nicht so sehr auf das Interview eingehen, nur zwei Dinge erwähnen, die mir auffielen:

  1. Man geht davon aus, wie fast überall, daß Erfolg quantitativ meßbar ist.
  2. Man geht nicht mehr davon aus, daß dies unmittelbar geschehen kann, sondern stellt in Rechnung, daß manch gute Statistik über schwerwiegendere Probleme in anderen Bereichen hinwegtäuschen können.

Man merkt es vielleicht schon an der Wortwahl: Ich denke, wir sollten Abschied nehmen von dem Gedanken, kirchlichen Erfolg quantitativ feststellen zu können. Da passiert so viel im Verborgenen und über eine lange Zeit, da gibt es so viele Einflüsse, die man gar nicht alle überschauen kann. Sich dabei immer auf Zahlen zu konzentrieren – welche auch immer – würde meines Erachtens nach zu viele Kräfte binden, die man sinnvoller einsetzen könnte.

Man denke allein an die angedachte Erhebung zur Einstellung der Gefirmten nach einem Jahr. Was für ein Overhead! Was für eine Bindung von Kosten und Personal! Ich denke, man sollte nicht mehr Daten erheben, sondern vielleicht sogar weniger.

Was sagen mir Eintritts- und Austrittszahlen? Diese korrelieren oft mit entsprechenden Schlagzeilen bezüglich der Kirche. Gibt es wirklich jemanden, der schon einmal fruchtbar irgendwelche Konsequenzen aus diesen Zahlen abgeleitet hätte?

Ich denke, wir sollten als Kirche uns darauf konzentrieren, was unser Auftrag ist. Unser Auftrag ist nicht, Zahlen zu generieren. Unser Auftrag ist nicht, eine gewisse Füllung der Kirchengebäude zu erreichen am Sonntag.

Unser Auftrag als Kirche ist: Verkündigung und Sakramentenverwaltung. Alles andere folgt daraus, und zwar quasi automatisch. Diakonie oder Caritassind natürlich unverzichtbar für die Kirche. Aber nicht, weil wir das tun müssen, sondern weil es sich ergibt aus dem, was wir eigentlich tun.

Wo dies nicht der Fall ist, fällt unsere Verkündigung womöglich auf unfruchtbaren Boden. Wo sie aber auf fruchtbaren Boden fällt, können wir Strukturen anbieten, innerhalb derer caritativ-diakonisch gearbeitet werden kann. Strukturen, innerhalb derer man Gemeinschaft haben kann, innerhalb derer man sich überlegt, wie man die Welt zum Besseren verändern kann, als Gemeinschaft der Heiligen.

Aber Grundlage ist Verkündigung und Sakramentenverwaltung. Botschaft und Gemeinschaft.

Comments

Comment by Thomas Jakob on 2016-08-25 22:54:46 +0100

Hallo Benny,

Du schreibst eine Menge interessanter Sachen in letzter Zeit, die mich zum Kommentieren reizen. Ich komme kaum noch hinterher.

Zu diesem Beitrag:

Ich denke, es geht vielen Offiziellen in der Kirche so wie Dir. Sie wollen die Zahlen am liebsten überhaupt nicht mehr sehen. Soweit die Kirche eine Organisation und ein Wirtschaftsfaktor ist, muss das aber wohl sein.

Diese Kirche blutet langsam aus (ca. 1% pro Jahr Mitgliederschwund im 10-Jahres-Durchschnitt). In den nächsten 10 Jahren werden die großen Amtskirchen zusammen unter die 50-%-Marke beim Anteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands fallen. Dieses dahinsiechende Pferd kann man noch eine Weile reiten, man wird nur damit kaum jemanden neu für die Reiterei begeistern.

Was würdest Du von der Alternative halten, dass die Kirche ihre Kernaufgaben Verkündigung und Sakramentsverwaltung in Vereinsstrukturen organisierte und die Nebenaufgaben (Diakonie/Caritas, Immobilienverwaltung, Denkmal- und Kulturpflege) direkt vom Staat erledigen und finanzieren ließe?

Die operativen Mitarbeiter außerhalb des Verkündigungsdienstes hätten dann eben Arbeitsverträge mit den Ländern oder Kommunen und würden ansonsten den gleichen Job machen, tlw. mit besseren Konditionen. Kirchensteuer für die Kernaufgaben wäre obsolet, würde entfallen und durch Vereinsbeiträge der Kerngemeinde, also der Menschen, die das wirklich in Anspruch nehmen, ersetzt.

Für die Kerngemeinde (also mich z. B.) würde das wohl deutlich teurer. Ein noch größeres Problem hätten die Angestellten des kirchlichen Verwaltungsapparats, weil sie keinen Job mehr hätten, es sei denn, der Staat übernähme sie.

Vorteil: Das Profil dieser Kirche wäre geschärft, sie wäre unabhängig und nicht mehr durch die strukturelle Nähe zur politischen Macht korrumpiert und wer dann noch dabei wäre, dem wäre der Glaube wirklich ein Anliegen. Ich würde von einer solchen Gemeinde mehr Begeisterung, Atmosphäre, einladenden Charakter und Missionsfähigkeit erwarten, als es heute im Schnitt der Fall ist.

Herzliche Grüße

Thomas

Comment by De Benny on 2016-08-26 08:01:25 +0100

Ich denke, es geht vielen Offiziellen in der Kirche so wie Dir. Sie wollen die Zahlen am liebsten überhaupt nicht mehr sehen. Soweit die Kirche eine Organisation und ein Wirtschaftsfaktor ist, muss das aber wohl sein.

Ich nehme es anders wahr. Mir kommt es eher so vor, als sei man mit Nachdruck auf der Suche nach Methoden, wie man bestimmte Trends umkehren kann und argumentiert zum Teil in einer Weise, die eher in die Betriebswirtschaft passt.

Das mag alles seine Berechtigung haben, aber ich denke, es hat auch seine Grenzen. Wir haben nach meinem Verständnis auch ganz andere Aufgaben als es die der Betriebswirte sind. Diese müssen den Betrieb erfolgreich führen. Das ist etwas, das für die Kirche gar nicht ganz in unserer Hand liegt. Was wir tun können ist, gut zu predigen und authentisch sein. Das lockt dann im Idealfall Menschen an, die uns zuhören. Mein Mentor ist jemand, der das richtig gut kann, da sind die Gottesdienste auch gut besucht.

Aber es liegt nicht in unserer Hand, daß der Funke überspringt. Das ist letztlich unverfügbar, und darum geht es mir.

Was die Umwandlung der Landeskirche in Vereinsstrukturen angeht, bin ich skeptisch. Ich sehe das nicht. Schon aus dem Konservativismus der Landeskirche und ihrer Verantwortlichen heraus.

Ich binauch nicht sicher – vielleicht bin ich da auch schon zu sehr im System drin – ob es so eine gute Lösung wäre, die Landeskirche derart umzugestalten. Ich bin ein Freund der Idee der Volkskirche. Nicht in dem Sinne, daß weite Teile des Volkes in der Kirche sein müssen, sondern in dem Sinne, daß die Kirche dafür offen ist, Kirche für weite Teile zu sein. Das im Gegensatz zu Abgrenzung und Rückzug aus der Welt und damit verbundenem Kreisen um innere Dinge. Ich meine, den Gedanken im Studium auch schon maal bei Bonhoeffer gefunden zu haben.

Was ich im Moment kritisch sehe ist die Art und Weise, wie Caritas und Diakonie mit der Kirche verbunden sind. Da hat die verfasste Kirche kaum bis gar keine Möglichkeiten, auf die einzelnen Betriebe durchzugreifen, steht aber bei Mißständen voll mit in der Verantwortung. Und letztendlich sind es halt eben doch Betriebe, die dem Markt ausgeliefert sind und die einen wirtschaftlicen Vorteil daraus haben, daß die Kirche von einer Dienstgemeinschaft ausgeht – die heute keiner mehr versteht.

Auch bin ich dafür, daß die Kirche – was ebenfalls nicht billig wird, ihre Mitgliederkartei selbst führt und evtl. selbst Steuern erhebt. Ein kleinerer Grund ist, daß es den Statt nicht unbedingt etwas angeht, wer welcher Glaubensgemeinschaft angehört. Ein anderer Punkt ist, daß die Kirche dann Augenmaß walten lassen kann, wenn jemand seine Steuerschuld nicht bezahlt. Bisher geht der Staat dagegen vor mit aller Härte, mit der er sonst die eigenen Steuern einfordert. Außerdem fehlen uns schlicht und einfach Daten. Unser System ist stets mehrere Wochen hinter dem Einwohnermeldeamt – und das in Zeiten von Computern und Internet. Und von den Hochzeiten haben wir nur die standesamtlichen Termine – die kirchlichen stehen in irgendwelchen Kirchenbüchern, irgendwo auf der Welt.

Würden wir uns über Mitgliedsbeiträge finanzieren, entfiele der soziale Aspekt, nach dem diejenigen, die mehr verdienen auch mehr zahlen.

Achja: Und was mich auch ärgert: Daß man Geld zahlen muß, wenn man aus der Kirche austritt. Ist keinem vermittelbar. Ist für die Kirche im aktuellen System aber auch nicht änderbar.

Und ein Punkt, den ich vergessen habe: Die Seelsorge. Ich halte viel davon, daß es überall, egal wo man wohnt, einen zuständigen Pfarrer gibt, an den man sich im Notfall wenden kann. Der auch Kontakte hat zu ganz weltlichen Stellen, die aber Hilfen anbieten, von denen der Normalbürger nichts oder kaum je gehört hat. Demnach wäre der Pfarrer nicht nur Verkündiger und Sakramentsverwalter, sondern auch Seelsorger und Community-Manager. Wobei ich mich grad frage, ob mn den Sakramentsbegriff, bei dem es ja stets um ein Miteinander geht, nicht in diese Richtung auslegen oder erweitern könnte.

Kurz und gut: Ich würde die Leute in den kirchlichen Verwaltungen und Stellen beibehalten, aber ich würde zusehen, ob man die nicht anders einsetzen kann als in einer weltlichen Verwaltung.