Wir leben in dieser Welt, sind Sünder, für wie gut oder besser als andere wir uns auch immer halten. Grundsätzlich haben wir kein Recht auf den Eingang in den Himmel, wir können es nicht gerechter Weise erstreiten. Gott gewährt diese Nähe zu Ihm in seiner Gnade zu uns. Verdient haben wir das nicht – keiner von uns.

Doch als Sünder die wir sind, haben wir natürlich auch ein verqueres Weltbild. Dazu gehören gewisse Vorstellungen darüber, daß es vielleicht doch Menschen gibt, die so schlimm sind oder waren, daß sie bei Gott kein Gehör finden können, keins finden dürfen, weil sie halt doch noch mal ne ganze Schippe schlimmer sind oder waren, als wir.

So denken wir. Aber müssen wir nicht auch, auf dem Weg in den Himmel, unser altes Wesen ablegen? Müssen wir nicht auch all die Lieblosigkeit ablegen, die uns hier noch bestimmt und vielleicht auch selbst bedrückt? Müssen wir nicht erst gewahr werden, daß wir Sünder sind und was für Sünder wir sind? Müssen wir nicht alle die Konsequenzen unserer Taten erkennen und sie annehmen lernen als durch unsere Schuld verursacht?

Durch eine solche Katharsis muß wohl jeder, der zu Gott kommt. Und wieso sollte jemand, der da durch ist, der die Last der eigenen Sünden gespürt hat, nicht von Gott begnadigt werden wie alle anderen auch?

In einem Gespräch mit einem griechischen Professor über die Hölle im Vergleich zwischen römischem Katholizismus und orthodoxer Theologie sagte er: Unsere Hölle ist am ehesten das Fegefeuer der Katholiken. Sie ist eher nicht ewig, sondern dient der Läuterung.

Das kann ich mir auch gut vorstellen: Wir müssen erkennen, wer wir sind, und das tut weh, sehr weh, weil es demütigt und die eigenen Ausreden zur Selbstrechtfertigung nicht mehr zuläßt. Man kann sich nichts mehr vormachen, man muß da durch. Aber dahinter, da liegt dann die Erlösung. Sobald ich meine Sündhaftigkeit erkannt habe und darunter zusammenbreche kommt Gott, und trägt mich, nimmt mir die Last ab, rechnet sie mir nicht zu. Er sagt: Du selbst willst Dich verdammen, aber ich nehme Dich an.

Wer durch diese Katharsis, dieses Fegefeuer hindurch ist, kann mir auch im Himmel begegnen.

Stell Dir vor, Du hast in Deinem Leben Millionen ermordet und einen ganzen Kontinent in Schutt und Asche gelegt. Natürlich rechtfertigst Du das vor Dir mit irgend einer kruden Ideologie von Herrenrasse oder ähnlichem. Du wirst Dir nicht eingestehen, daß Du mit Deinen Taten die mit schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen hast – würdest Du es Dir eingestehen, würdest Du zusammenbrechen, also flüchtest Du Dich in die Ideologie, die Dich dazu brachte.

Wenn Du nun aber durch die Katharsis mußt, wenn Du gezwungen bist anzuerkennen, was Du da getan hast, und es keine Ausrede mehr gibt, keine Facade, die Du aufbauen und hochhalten kannst vor anderen oder Dir selbst, wie groß muß der Schmerz sein! Unmenschlich groß, weil er durch unmenschlich großes Leid verursacht wurde.

Und dann kommt das, was immer kommt: Die Annahme dessen, das man selbst wirklich dafür verantwortlich ist mit allen Konsequenzen. Hat man selbst noch ein Recht zu leben? Nein! Wie hart ist man getroffen, wenn man selbst eingestehen muß, es wäre besser, wenn man getötet würde?

Ich denke, wer durch diese Tortur hindurch mußte, der ist geläutert, ist demütig, versucht nicht mehr, sich selbst auf Kosten anderer durchzusetzen, sondern versucht in Zulkunft zu dienen, so wie alle, die im Himmel wohnen, wie auch Gott selbst immer nur den Menschen dienen wollte, weil Er uns liebt.

Der Gedanke mag im ersten Moment furchtbar erscheinen, Menschen wie Hitler, Stalin oder Bin Laden im Himmel zu begegnen. Aber man stelle sich vor: Diese Tyrannen als geläuterte Männr, die nur danach streben, anderen zu dienen.

Unvorstellbar, nicht? Aber so ist er, der Himmel.

Comments

Comment by Thomas Jakob on 2016-08-24 20:51:00 +0100

Unvorstellbar, nicht? Aber so ist er, der Himmel.

Der Himmel ist unvorstellbar, ganz recht. Ebenso wie die Hölle. Und ich halte es für müßig, mir Vorstellungen darüber zu machen, wen ich wann an einem dieser Orte in welcher Verfassung treffen werde.

Himmel und Hölle in zeitlicher Folge nach dem Tod, also innerhalb der Zeit, ergeben für mich überhaupt keinen Sinn. Die Leichen von Hitler, Stalin und Bin Laden sind, so wie ich das sehe, wieder in die natürlichen Kreisläufe eingegangen. Irgendwelche Vorstellungen eines physischen Fegefeuers finden bei mir keinen Anker.

Ich kann mir vorstellen, dass es für jemanden, der auch physisch schwer unter anderen gelitten hat, eine gewisse Genugtuung sein kann, sich vorzustellen, dass seine Peiniger vielleicht nicht mehr auf Erden, aber irgendwann einmal nach dem Tod gehörig bestraft werden. Das war mir mal bei dem Film ’12 years a slave‘ deutlich geworden.

Seitdem kritisiere ich alte Höllenvorstellungen weniger entschieden, mache sie mir aber dennoch nicht zu eigen. Mit Deiner Umdeutung des Fegefeuers in Seelenqualen durch die Einsicht, wie sehr man gesündigt hat, kannst Du solch armen Opfern wie denen im Film nur einen schwachen Trost anbieten. Viel besser als meine Verlegung der Hölle ins Nichtdefinierbare und meine Vermutung, dass es keine auch nur entfernt angemessene Bestrafung nach dem Tod geben wird, ist das auch nicht.

Die Gefahr besteht, dass dann die ehemaligen Opfer, sobald sie die Täter zu fassen kriegen, vorsichtshalber noch Rache nehmen, selbst wenn sie wissen sollten, dass dieses Handeln unethisch, unvollkommen und in sich sündhaft ist. Ein Beispiel sind die polnischen Kämpfer, denen Oskar Dirlewanger, einer der schlimmsten Überzeugungstäter der SS, überstellt wurde. Sie verurteilten ihn nicht einfach und richteten ihn hin, sondern sollen ihn, so weit man weiß, schwer misshandelt haben.

Comment by De Benny on 2016-08-24 21:24:46 +0100

Natürlich ist letztendlich alles müßig. Trotzdem haben wir Vorstellungen davon, was sein wird. Und ich finde die Frage, ob und inwieweit ein Massenmörder eine Chance bei Gott haben kann, ist durchaus nicht uninteressant.

Ich stelle keinen Anspruch auf die Wahrheit, ich biete ein Denkmodell an.

Und ich denke nicht, daß es ein schwacher Trost für die Opfer ist. Es sei denn die Opfer haben, was menschlich verständlich ist, einen unglaublichen Durst nach Rache. Ihnen wurde Schlimmes angetan. Aber trotz allem zeitlich. Sind unendliche Höllenqualen da nicht noch schlimmer? Wie gesagt, ich kann Wünsche nach Rache nachvollziehen, aber ich halte sie nicht für gerechtfertigt.

Falls die Opfer tatsächlich Rache nähmen, dann ist das eine innerweltliche Tatsache, mit der der Täter zu rechnen hatte. Sie, die ursprünglichen Opfer, haben dann aber auf dem Weg in den Himmel einzusehen, daß das, was sie taten, nciht viel besser war als das, was sie angetan bekamen. Auch nicht schön.

Es geht IMHO nicht um Aufrechnen, es geht um Eingeständnis der eigenen Schuld. Buße, wenn man es altmodisch sagen will.

Comment by Utopui on 2016-09-13 17:32:54 +0100

Ich denke eine ewige Verdammnis ist sehr wohl biblisch. Man denke nur ans Lazarus Gleichnis oder Daniel12 „Und viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach“

Aber das schwächt deine Aussage ja nicht ab. Was wenn der „Teufel in Menschengestalt“ Hitler in den letzten Atemzügen Jesus erkennen und seine Sünden bekennen würde? Dann wäre auch ihm die Gnade Gottes offen.

Im Endeffekt hatten wir eine solche Bekehrung sogar schon im NT, als aus Saulus dem Christenmörder Paulus der Apostel wurde.

Comment by De Benny on 2016-09-24 15:38:16 +0100

Ob man Daniel 12 als Belegtext für die ewige Verdammnis hernehmen muß? Schmach und Schande kann sich ja auch auf was anderes als die Hölle beziehen…

Und das Lazarus Gleichnis? Hmm, ich weiß nicht, ob wir wirklich die gleichen Kriterien annehmen wollen für unsere Vorstellungen von der Ewigkeit, daß jeder, der es im Leben gut hat dann schlecht haben wird und umgekehrt…

Ich finde es auch ein bißchen krass, Paulus mit Hitler zu vergleichen…

Die Gnade steht jedem offen, aber da der Mensch nicht frei ist, kann er die Gnade auch nicht ohne Gottes Hilfe ergreifen. Auch das ist kein Verdienst. Man wird nicht durch Werke gerecht, auch nicht durch das Werk des Ergreifens der Gnade.