„Having a blast“ ist der englische Ausdruck für „eine schöne Zeit haben“. Wörtlich übersetzt heißt es aber: „eine Detonation haben“. Die Punk Band Green Day hat 1994 auf ihrem Debut Album Dookie ein Lied mit diesem Titel veröffentlicht. So deutet der Titel an, daß es um eine schöne Zeit geht, der Text erzählt dann aber etwas ganz anderes.

Hier das Video von einem Live Auftritt 2013, das original Musikvideo konnte ich nicht finden (danke GEMA). Es folgt der Liedtext:

I’m taking all you down with me
Explosives duct taped to my spine
Nothing’s gonna change my mind

Ich nehm Euch alle mit
Sprengstoff ist an mein geschustert
Nichts wird meine Absicht ändern

Die ersten drei Zeilen machen klar: Es geht in dem Lied nicht um eine schöne Zeit, sondern um eine Detonation: Jemand hat sich Sprengstoff am Körper befestigt und droht, alle mit sich in den Tod zu reißen, sich von nichts abbringen zu lassen.

I won’t listen to anyone’s last words
There’s nothing left for you to say
Soon you’ll be dead anyway

Ich werde nicht auf irgendjemandes letzte Worte hören
Es gibt für euch nichts mehr zu reden
Bald werdet Ihr eh tot sein

Es wird nochmal betont: Kein Argument, kein Gerede wird den Attentäter umstimmen. Er hört einfach nicht zu und überhaupt: Wozu noch reden, wenn eh gleich alle sterben werden? Es gibt nichts mehr zu reden. Hat sich da jemand vielleicht lange Zeit Reden anhören müssen, die ihm zuwider waren, die ihn angriffen? Die Anwesenden sollen schweigen, schon bevor er sie endgültig zum Schweigen bringt.

Refrain:

Well no one here is getting out alive
This time I’ve really lost my mind and I don’t care

Keiner hier wird lebend rauskommen
diesmal habe ich wirklich den Verstand verloren
und es ist mir egal

Und wieder die Betonung: Keiner wird überleben, alle werden zum Schweigen gebracht. Und zwar, weil er, der Täter, den Verstand verloren hat. Diesmal wirklich. Hatte er vorher schon einmal unwirklich den Verstand verloren? Gab es schonmal einen Versuch, bei dem er es nicht übers Herz brachte, die Bombe zu zünden? Oder war das der Inhalt des Geredes ader anderen? Daß er verrückt wäre, den Verstand verloren hätte, kein normaler Mensch sei, niemand, den man beachten müßte?

So close your eyes
And kiss yourself goodbye
And think about the times you spent and what they’ve meant

Also schließt eure Augen
und gebt euch selbst einen Abschiedskuß
und denkt an die Zeiten die Ihr verbracht habt
und was sie bedeuteten

Wie soll man sich selbst küssen? Womöglich wurde der Attentäter früher verhöhnt, weil er auf Hilfe, auf andere angewiesen war. Womöglich höhnt er jetzt darüber: Wenn Ihr schon alle so wunderbar eigenständige Menschen seid, dann könnt Ihr Euch angesichts des Todes auch selbst den Abschiedskuß geben.

Und denkt an die Zeit, die Ihr hattet, und welche Bedeutung sie hatte. Womöglich steckt dahinter die Andeutung: Hättet Ihr mich mal nicht so mies behandelt, Eure Zeit genutzt, dann wären wir jetzt nicht in dieser Situation.

To me it’s nothing
To me it’s nothing
To me it’s nothing
To me it’s nothing

Für mich ist es nichts
Für mich ist es nichts
Für mich ist es nichts
Für mich ist es nichts

Es geht immer noch um die gelebte Zeit. Dem Attentäter bedeutet sie nichts. Das wird schon alleine daraus klar, daß er sein Leben wegwerfen will, nicht daran hängt. Es könnte aber auch eine letzte Behauptung der Stärke darin liegen: Alles, was Ihr mir angetan habt, bedeutet mir nichts, hat mir nichts ausgemacht. So endet der Refrain.

I’m losing all my happiness
The happiness you pinned on me
Loneliness still comforts me

Ich verliere all meine Freude
die Freude, die ihr mir angesteckt habt
Einsamkeit tröstet mich immer noch

Hier erfahren wir erstmal etwas über die Opfer: Sie haben dem Attentäter Freude angesteckt, ja, genauer genommen: Angepinnt. Mit Nadeln die Freude in ihn reingesteckt, die offenbar ursprünglich nicht vorhanden war. Er wurde gezwungen, jemand zu sein, der er nicht war. Er konnte nicht er selbst sein, und mußte diesem äußeren Bild entsprechen, das ihm mit Gewalt angeheftet wurde. Trost brachte ihm nicht die Freude, sondern die Einsamkeit, wenn er sein konnte, wie er wirklich war.

My anger dwells inside of me
I’m taking it all out on you
And the shit you put me through

Meine Wut wohnt in mir drinnen
ich lasse sie an euch aus
und an der Scheiße, durch die ihr mich gezogen habt

Vielleicht sollte mit dem Anpinnen der Freude die Wut übertüncht werden. Die lebt aber, so der Attentäter, in ihm drinnen. Sie gehört zu ihm, entspricht ihm, und kann auch nicht raus. Es sei denn er läßt sie raus, und das macht er gerade: Er läßt sie an den Menschen aus, indem er sie mitnimmt in den Tod und an dem, was er durchleben mußte wegen dieser Menschen, indem er zeigt, wohin das führt.

Es folgt wieder der Refrain, womit die Aussagen wiederholt werden: Keiner wird überleben, ich bin diesmal wirklich verrückt, verabschiedet euch von euch selbst, mir ist alles egal.

Do you ever think back to another time?
Does it bring you so down that you thought you lost your mind?

Denkst du je zurück an eine andere Zeit?
Zieht es dich so runter, daß du denkst,
du verlierst den Verstand?

Schon wieder: Den Verstand verlieren! Erfahren wir hier mehr über die Motivation des Täters? Die Erinnerung an eine andere Zeit, die ihn herunterzieht so daß es letztlich zu dem Sprengstoffanschlag kommt?

Do you ever want to lead a long trail of destruction
And mow down any bullshit that confronts you?

Willst du jemals einen langen Zug der Zerstörung anführen
und jeden bullshit niedermähen, der dir begegnet?

Ja, es scheint um die Motivation zu gehen. Und es steckt eine Menge Wut darin. Es ist die Rede von einem Zug der Zerstörung, nicht nur einer einzelnen Bombe am Rückgrat. Es scheint, hier werden Machtfantasien, womöglich Allmachtsfantasien abgebildet. Das ewige Opfer schlägt zurück, und weil es den Schmerz als so immens empfindet, daß er nicht auszuhalten ist, muß auch der Rückschlag so immens sein wie nichts zuvor und nichts später: Alles soll niedergemäht werden, was in den Weg kommt!

Do you ever build up all the small things in your head?
To make one problem that adds up to nothing
To me it’s nothing
To me it’s nothing
To me it’s nothing

Baust du je all die kleinen Dinge in deinem Kopf zusammen?
Um daraus ein Problem zu bauen das hinausläuft auf nichts
Für mich ist es nichts
Für mich ist es nichts
Für mich ist es nichts

Fast könnte man meinen, der Attentäter sieht die Sinnlosigkeit seines Tuns ein: Alle Kränkungen, allen Schmerz, alle Sticheleien, all die kleinen Dinge, die er im Kopf hat, faßt er zusammen zu einem großen Problem. Aber letztlich führt es zu nichts. Und dann: „Für mich ist es nichts.“ Also selbst wenn es eigentlich ein Problem ist – und eine Lösung mittels Bombe verlangt, steht der Attentäter selbst doch darüber. Ihn ficht das alles nciht mehr an. In seiner Fantasie ist er der Mächtige, der anderen Schaden zufügt.

Ich glaube dieses Lied beziehungsweise das Album, auf dem es veröffentlicht wurde, brachte mir zum ersten Mal Liedtexte näher, aus denen eine gewisse Depressivität spricht. Papa Roach wäre ein anderes Beispiel, oder manches von The Offspring. Und wie viele dieser Lieder drückt es nicht nur die Depressivität aus, sondern auch die damit einhergehende Aggresivität, die vor allem auch durch die Musik unterstützt wird.

Ich mußte in den letzten Tagen nach Jahren wieder an das Lied denken, nach all den Amokläufen, von denen manche als Terroranschläge angesehen wurden. Bei vielen wenn nicht allen Anschlägen der letzten Wochen wurde den Tätern eine gewisse Depressivität oder Hoffnungslosigkeit nachgesagt, islamistische Radikalisierung schien da recht schnell gelaufen zu sein – wenn überhaupt.

Und ich frage mich, ob das nicht eine grundsätzliche Gemeinsamkeit bei allen „Terroristen“ ist, oder zumindest bei den Selbstmordattentätern: Hoffnungslosigkeit, Gequältheit, Depression, die sich dann entlädt in Machtfantasien und Zerstörung.

Mir fällt der Pilot der German-Wings Maschine ein, der diePassagiere mit sich in den Tod riß. Obwohl in dem Fall nach meiner Kenntnis der Aspekt der Machtfantasie fehlt, wiees bei Daesh und Freunden ja oft ganz stark zur Schau getragen wird.

Meine Vermutung ist, daß der Terror dieser Welt sich aus den Hoffnungslosen speist, aus den Ausgegrenzten und Marginalisierten, denen es irgendwann so geht, daß sie meinen, nichts mehr zu verlieren zu haben, wenn sie sterben, die es dann aber mit einem Knall zu Ende gehen lassen wollen: Möglichst viele dieser Menschen mitnehmen, die nicht geholfen hatten, die einen sitzen ließen, die einen nicht so sein ließen, wie man eigentlich ist.

Und was ist unsere Antwort? Mehr Druck, mehr Ausgrenzung gegen die, die wir unter Generalverdacht stellen. Wir isolieren die Menschen, die wegen ihrer Isolation zur Gefahr werden. Und wir tun das idiotischer Weise, um die Gefahr zu reduzieren.

Und so wird alles schlimmer: Die Hoffnungslosen, die es jetzt schon gibt, werden weiter in die Enge gedrängt, neue Menschen kommen in Bedrängnis, und mit jedem Anschlag eines Menschen, der seine Hoffnungslosigkeit nicht mehr aushält, wird der Druck noch einmal erhöht.

Wie sollten wir in unserer Angst, die nächsten Opfer zu sein, auch anders handeln? Wir sind in einem Teufelskreis aus Angst und Hoffnungslosigkeit gefangen. Es wird böse enden und wir werden wahrscheinlich nichts daran ändern können. Der heutige Losungstext lautet:

Sucht den HERRN,
solange er zu finden ist;
ruft ihn an, solange er nahe ist.

Vielleicht ist es schon zu spät.