Ein gängiges Vorurteil ist, daß „der Deutsche“ an sich eine gewisse Neigung zum Meckern hat. Das mag zum Teil stimmen, denn diese Nationalitätsbezeichnung findet sich auch auf meinen Ausweispapieren und ja, ich stehe im Begriff einen Blogartikel zu schreiben, in dem ich die Berliner Landeskirche zu kritisieren gedenke.
Wobei: „Kritik“, so versuche ich meinen populistisch und biblizistisch geprägten Gesprächspartnern immer wieder zu erklären, bedeutet ja nicht zwingend zu meckern. Vielmehr kommt es aus dem Griechischen, mein eigentlich ein Gewichten verschiedener Optionen und die begründete Entscheidung für eine eigene Meinung…
Gute Sache
Wie dem auch sei. Viele haben es vor längerem schon gelesen: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz hat beschlossen, in ihren Gotteshäusern freien WLAN Zugang zu ermöglichen. Nähere Infos gibt es auf der entsprechenden Homepage.
Daran gibt es eigentlich nix zu meckern. Vielmehr ist es eigentlich sogar ne ganz gute Sache, daß nun in den Kirchengebäuden jeder mit entsprechendem Endgerät ins Internet kommt, denn Zugang zum Internet bedeutet heutzutage Teilhabe am öffentlichen Leben. Viele Bereiche unseres Lebens sind so vom Netz durchdrungen, daß man ohne Internet Zugang deutliche Abstriche machen muß.
Also ist es doch eine gute Sache, daß die Kirche hier freien Zugang ermöglicht.
Ja und nein. Gut ist, daß sie unabhängig vom Geldbeuteln allen den Zugang ermöglicht.
Was will die Kirche erreichen?
So genau weiß ich das nicht. Meine Vermutungen gehen in die Richtung, daß man sich einerseits als cool und modern ins Gespräch bringen will – was offenbar auch klappt – und daß man andererseits versuchen will, eigene Inhalte zu pushen – etwa durch die vorgeschaltete Einstiegsseite mit Infos zum jeweilgen Kirchengebäude o. Ä.
Wenn ich es richtig einschätze, werden das alles recht kurzfristige Effekte sein. Mir drängt sich der Vergleich mit einem Strohfeuer auf. Sicherlich, im Moment ist die Kirche vielleicht modern und hipp und alle sind froh über kostenloses WLAN.
Und wie lange? So lange, wie das WLAN funktioniert. Irgendwann wird die Geschwindigkeit vielleicht nicht mehr auf dem Stand der Entwicklung sein. Wer die Kirchen kennt weiß, daß das mit Neuinvestitionen so ne Sache ist. Man sehe sich nur die maroden Kirchengebäude an. Das gilt übrigens auch für so manches Pfarrhaus. Und dann soll man noch die Technik erneuern? Was das wieder kostet!
Nein, meine Befürchtung ist, der aktuelle Ansatz wird zwar im Moment viel positive publicity bringen, vielleicht auch die Kirchenbänke füllen, wenn auch nicht unbedingt mit Gläubigen, sondern mit Netzkonsumenten, aber auf lange Sicht ist das eher mau. Mit etwas Glück bleiben vielleicht einige der Netzkonsumenten hängen, finden Anschluß an den Kirchenchor oder die Pfadfindergruppe. Aber mehr ist nicht zu erhoffen.
Genausogut könnte man Freibier verteilen, so vom Konzept her. Ist sicherlich auch wahnsinnig populär, bloß was hat man davon? Und ist es wirklich das, was unser Auftrag ist als Kirche Jesu Christi? Ist es wirklich das, wozu wir berufen sind? Ist es wirklich das, wozu wir unsere Steuermittel und Staatsleistungen einsetzen wollen?
Die positivere Alternative
EIn Freund von mir sagte einmal: Zum Frieden gibt es keine positive Alternative. Ich mag diese Denkweise: Alles darauf prüfen, ob es nicht noch bessere, positivere Alternativen gibt, an die man sich halten könnte.
Daß Krieg negativ ist, ist klar, aber wenn etwas positiv ist, kann es ja trotzdem noch bessere Lösungen geben. Was wäre also die positive Alternative zu GodSpot?
Ich will dabei in zwei Richtungen gehen – eine technische und eine gesellschaftliche. Beide sind womöglich sogar teilweise mit GodSpot schon umgesetzt oder könnten umgesetzt werden – über Infos hierzu wär ich dankbar.
Technisch gesehen
Soweit ich GodSpot verstanden habe, besteht es aus der Zur-Verfügung-Stellung eines kircheneigenen DSL Zugangs. Und Schluß. Man kann von dort ins Internet, sitzt hinter nem Router, den man nicht konfigurieren kann. Das heißt, man ist auch darauf angewiesen, daß die richtigen Ports offen für die eigenen Anwendungen sind. Womöglich werden auch nur bestimmte Ports geöffnet, so daß meinetwegen das Web und E-Mail funktionieren, andere Dienste aber nicht.
Das wäre das gute Recht der Kirche, denn sie stellt ja die Technik. Schränkt aber den Nutzen weiter ein und drängt den GodSpot Nutzer nur noch weiter in die Rolle des Konsumenten.
Aber das Internet, Computernetze überhaupt, ist ja kein Fernsehen. Es stellt nicht nur eine one-to-many Infrastruktur bereit, mit wenigen Inhaltsproduzenten und vielen Konsumenten. Es ermöglicht die gleichberechtigte Teilnahme an Kommunikation. Jeder Teilnehmer, nicht nur die Priviligierten, kann zum Sender werden. Somit stellt das Internet eigentlich eine Demokratisierung der Kommunikation dar (man könnte jetzt lange Vergleiche ziehen mit der Demokratisierung der Gottesbeziehung im AT, Gen 1, 28 und so, aber lassen wir das hier mal sein).
Diese grundsätzliche Demokratisierung der Kommunikation ist freilich nicht absolut, denn die Infrastruktur ist im Besitz bestimmter Firmen. Es kommt also im Endeffekt auf den Geldbeutel an, inwieweit der eigene Zugang demokratisiert ist.
GodSpot bietet hier nicht mehr Möglichkeiten an, als ein Internetzugang zur Verfügung stellt. Der Demokratisierungsgrad entspricht dem, was die Kirchengemeinde vor Ort sich leistet. Das ist wie gesagt immerhin etwas, aber es geht besser.
Ich habe da Freifunk im Sinn. Gerade in Berlin, aber auch in anderen Gebieten, sind da viele engagierte Menschen unterwegs. Übrigens auch in Kontakt mit verschiedenen Kirchengemeinden. Da werden die Kirchtürme dann als Funktürme genutzt.
Würde die Landeskirche sich hier einbringen mit ihrer ganzen Wucht, könnte sie einerseits auf versierte ehrenamtliche Freifunker zurückgreifen beim Aufbau des Netzes, andererseits wird mit Freifunk eben nicht nur freies Internet angeboten, sondern ein flächendeckendes Netz aufgebaut, mit einer Infrastruktur in Bürgerhand. Mithin wird die Demokratisierung der Infrastruktur dadurch vorangebracht. Es würde nicht nur jedem ermöglicht, internetbasiere Dienste zu konsumieren, sondern selbst zu recht geringen Kosten welche anzubieten. Man müßte keine Server mehr mieten, sondern könnte seine eigenen alten Rechner, oder einen Raspberry Pi, oder ein altes Smartphone, als Sevrer benutzen.
Die Landeskirche hätte damit in guter christlicher Tradition gehandelt. Wie durch die Kirchen Bildung und Fürsorge in der Fläche zugänglich gemacht wurden, würde sie hier die bessere Teilhabe an der Kommunikation voranbringen.
Meiner Meinung nach ein klarer Vorteil gegenüber der GodSpot-Lösung. Freilich könnte man sich nicht mehr allein als cool und modern anpreisen, sondern müßte den Ruhm mit den (weitgehend kirchenfernen?) Freifunkern teilen.
Gesellschaftlich gesehen
Durch die Möglichkeiten, sich an der Kommunikation als eigener Anbieter zu beteiligen, bieten sich plötzlich viele neue Möglichkeiten. Man könnte informationstechnische Schwerpunkte in der Jugendarbeit bilden. Wieso eigentlich immer nur Bands und Pfadfinder (ich vereinfache hier gnadenlos, schon klar)?
Damit könnte man ganz neue Millieus ansprechen, die bisher wohl eher (es wurde schon erwähnt) kirchenfern sind. Die Möglichkeit zur Mitarbeit bringt dabei ganz natürlich eine stärkere Bindung mit sich als der Kontakt über den bloßen Konsum am Ort der Kirche.
Technisch interessierte (junge?) Menschen würden mit den Realitäten einer Kirchengemeinde in Kontakt kommen. Washaben die eigentlich für Probleme, wie lösen die die, und was haben die immer mit diesem gefolterten Zimmermann?
Womöglich – ich lehne mich hier jetzt mal aus dem Fenster – gäbe es sogar das Potential für Bildungsprojekte. Durch den (zumindest im Prinzip) egalitären Ansatz der Kirchen, für alle gesellschaftlichen Gruppen zugänglich zu sein, könnten hier Jugendliche aus Problemfamilien Chancen erhalten, sich auf dem Gebiet der IT fortzubilden und sich eine finanziell bessere Zukunft zu erschließen. Man könnte da eine Analogie zu den Klosterschulen des Mittelalters ziehen – ohne die Verpflichtungen des Zölibats!
Fazit
Freilich kann man auch ohne Freifunk-Netz und nur im Internet entsprechende Gemeindearbeit machen. Aber die Möglichkeiten sind eingeschränkt, und ob es tatsächlich gemacht wird, ist noch nicht klar. Mit Freifunk hätte man zumindest Kontakt zu entsprechend interessierten Menschen, die sich selbst auch ehrenamtlich engagieren. Man hätte Ansprechpartner, wollte man sowas aufbauen.
Ich mache mir natürlich keine Illusionen, daß ich die EKBO da irgendwie beeinflussen könnte. Aber wenn ich jetzt lese, daß man in Mitteldeutschland auch in diese Richtung geht, möchte ich doch auf die positivere Alternative des Freifunkes hinweisen. Wer weiß, vielleicht lesen hier ja Kirchenleute mit, die das in ihrer Kirche anders umsetzen werden.
Bis dahin ist es schon ein Fortschritt, daß durch die Berliner das Thema zumindest mal auf die Tagesordnung gesetzt wurde.