Die Überschrift ist dem Bild oben entnommen. Dieses Bild begegnete mir mehrmals auf Twitter beim Austausch mit „besorgten Bürgern“, welche mir offenbar „beweisen“ wollten, wie grausam doch der Islam ist.
Versuche meinerseits zu erklären, daß es DEN Islam nicht gibt, genausowenig wie DAS Christentum, fruchten nicht – wie üblich. Ebenso, daß Scharia verschieden ausgelegt wird.
„Besorgte Bürger“ lesen den Koran so wie Neuatheisten die Bibel: Sie richten sich nach den jeweiligen Fundamentalisten – und teilweise auch schlechten Übersetzungen.
Für diejenigen, die bereit sind, ihr Hirn einzuschalten, und sich andere Ansichten anzusehen, möchte ich hier versuchen, auf die obgen Behauptungen Schritt für Schritt einzugehen.
Ich bin kein islamischer, sondern evangelischer Theologe. Daher sind meine Kenntnisse vergleichsweise begrenzt. Mir ist allerdings (im Gegensatz zu Fundamentalisten und „besorgten Bürgern“) bewußt, was ein Text ist, und wie verschieden Texte ausgelegt werden können. Mir ist ebenso bewußt, daß es neben den Fundamentalisten auch andere Vertreter der Religion gibt, die ebenso (bzw wahrscheinlich viel mehr) echte Gläubige sind und deren Schriftauslegung mindestens so korrekt ist wie die der „besorgten Bürger“ oder Islamisten, die beide von den Traditionen des Islam relativ wenig wissen.
Von den Traditionen weiß ich selbst fast nichts, aber wie gesagt: Ich habe gelernt, mit Texten umzugehen, auch mit religiösen Texten. Ich habe gelernt, daß die Sklaverei in der Bibel zwar vorkommt und nicht kritisiert wird, daß aber trotzdem christliche Aktivisten sich auf ihren Glauben beriefen, als sie die Abschaffung der Sklaverei betrieben.
Für den Anfang möchte ich es bei ein paar Feststellungen belassen:
- Die ersten beiden Homepages, die unten angegeben sind und wohl die Quellen angeben sollen, sind dezidiert islamfeindlich eingestellt, wie man spätestens auf den zweiten Blick erkennen wird. Die dritte Homepage enthält eine Koranübersetzung in mir unbekannter Qualität.
- Auf dem Bild sind 13 Koranverse aufgelistet, die, wenn man sie mit der genannten Koranübersetzung vergleicht, nicht so lauten wie oben abgedruckt. Es handelt sich also um Auslagungen auf dem Bild.
Man darf also getrost bezweifeln, daß es 109 Verse im Koran gibt, die zum Krieg gegen die Ungläubigen aufrufen. - Dazu, daß angeblich Lügen gegenüber Ungläubigen im Islam erlaubt wären, habe ich nichts gefunden. Allerdings gibt es in verschiedenen schiitischen Gruppen (also nicht DEM Islam, sondern einzelnen kleinen Gruppierungen) das Konzept der Taqiya. Diese bezieht sich darauf, den Glauben verleugnen und religiöse Pflichten unterlassen zu dürfen, wenn dies eine Gefahr für Leib und Besitz bedeutet. „Gelogen“ werden darf also nur in Bezug auf das eigene Bekenntnis (das sowieso niemanden etwas angeht) und nur bei Gefahr. Ich möhte den „besorgten Bürger“ sehen, der in so einer Situation nicht zumindest daran denkt, den Glauben zu verleugnen. Es braucht sich jetzt auch keiner selbst zu rühmen, ihm würde dies nie passieren: Man denke nur an Petrus, der das ebenso behauptete und dann den Herrn dreimal in einer Nacht verriet!
Ab dem nächsten Artikel geht es dann um die einzelnen Verse.
Comments
Comment by Thomas Jakob on 2016-04-06 17:46:50 +0100
Hallo Benny,
die Aktion, die Du gerade startest, sehe ich etwas zwiespältig.
Gut, richtig und insbesondere christlich daran ist, dass wir alle trotz der massiven Gewalt, die von islamistischem Terror ausgeht und auch uns in Europa auf verschiedene Arten trifft, darauf achten sollten, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen und eben nicht Hass mit Hass zu beantworten. Wenn dabei mit falschen oder entstellten Koranübersetzungen gearbeitet wird, sind Richtigstellungen auch durchaus angebracht.
Was ich dagegen skeptisch sehe, ist die Anwendung von Methoden der christlichen Theologie auf den Islam zu dessen Rechtfertigung. 1. Sind diese Methoden (z. B. die historisch-kritische Lesart der Bibel) zwar herrschende Meinung in der christlichen akademischen Theologie, werden aber von zahlenmäßig nicht unbedeutenden Minderheiten immer noch mehr oder weniger stark abgelehnt. 2. Steht die Anwendung solcher Methoden im Islam erst ganz am Anfang und ihrer Vertreter haben Außenseiterstatus, wenn sie überhaupt anerkannt werden. 3. Bist Du als Christ, als professioneller zumal, nicht die richtige Instanz, um zu erklären, wie der Islam wirklich und richtig zu verstehen ist.
Herzliche Grüße
Thomas
Comment by Christina on 2016-04-06 17:51:05 +0100
Ich bin kein islamischer, sondern evangelischer Theologe. Daher sind meine Kenntnisse vergleichsweise begrenzt.
Das kann man wohl sagen. Und wovon man keine Ahnung hat, davon sollte man besser nicht reden.
Ich habe gelernt, mit Texten umzugehen, auch mit religiösen Texten. Ich habe gelernt, daß die Sklaverei in der Bibel zwar vorkommt und nicht kritisiert wird, daß aber trotzdem christliche Aktivisten sich auf ihren Glauben beriefen, als sie die Abschaffung der Sklaverei betrieben.
Nein, du hast nichts gelernt, du bist einfach lernresistent in gewisser Beziehung. Das, was wir heute im allgemeinen unter Sklaverei verstehen, kritisiert die Bibel sehr wohl. Die Sklaverei in der Bibel, auf die du dich beziehst, war aber etwas völlig anderes. Ich schicke dir diesen Link hier nicht zum ersten, aber ganz bestimmt zum letzten Male. (Aber nicht wegen dir, sondern weil mich das einfach aufregt. Und vielleicht lesen hier ja noch ein paar andere mit, die nicht so lernresistent sind wie du.) Du selbst möchtest einfach auf deinen falschen Annahmen beharren, na dann bitteschön. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.
http://www.gotquestions.org/Deutsch/Bibel-Sklaverei.html
Comment by De Benny on 2016-04-07 04:55:55 +0100
- Sind diese Methoden (z. B. die historisch-kritische Lesart der Bibel) zwar herrschende Meinung in der christlichen akademischen Theologie, werden aber von zahlenmäßig nicht unbedeutenden Minderheiten immer noch mehr oder weniger stark abgelehnt.
Ich hab nicht vor, die Stellen mit den Methoden der historischen Kritik zu bearbeiten. Das kann ich gar nicht, da ich kein Arabisch kann, bzw würde es mich heillos überfordern, weil das eben bisher kaum jemand gemacht hat. Ich könnte auf niemandes Vorarbeiten aufbauen und müßte den Text einer fremden Religion aus einer Sprache die ich nicht kenne (auch wenn Hebräisch ähnlich ist) durchexegetisieren. Das kann ich nicht.
Allerdings muß ich das auch nicht, weil die Ergebnisse der historischen Kritik a weniger damit zu tun haben, wie eine Textstelle konkret zu verstehen ist, sondern wie der Text als Ganzer zu verstehen ist. Also etwa ein ganzes Bibelbuch oder eben der gesamte Koran. Die historischen Umstände der Koranentstehung spielen also weniger die Rolle für mich. Ich intendiere, am Text zu bleiben, die obigen Vorwürfe mit dem Übersetzungstext zu konfrontieren und zu versuchen, das Ganze im Kontext des umliegenden Textes zu lesen. Ich bin also deutlich weniger ambitioniert als Du unterstellst.
- Steht die Anwendung solcher Methoden im Islam erst ganz am Anfang und ihrer Vertreter haben Außenseiterstatus, wenn sie überhaupt anerkannt werden.
Dessen bin ich mir bewußt. Auch deshalb werd ich da die Finger von lassen. Den Weg müssen die muslimischen Theologen alleine gehen, und er wird nicht leicht sein. Das war er für die Kirchen auch nicht und wie gesagt: Auch viele Kirchen haben ein Problem damit.
- Bist Du als Christ, als professioneller zumal, nicht die richtige Instanz, um zu erklären, wie der Islam wirklich und richtig zu verstehen ist.
Das möchte ich auch nicht. Ich möchte vielmehr herausstellen, daß die Islamhasser eben auch nicht die richtige Instanz sind, und daß ihre Vorwürfe vor allem auf Haß basieren. Wie der Islam richtig zu verstehen ist kann nur jeder Muslim je für sich entscheiden, und vielleicht verstehen ihn die Fundamentalisten unter den Muslimen tatsächlich so wie unsere Rechtspopulisten. Aber das ist dann eben auch nur eine Variante unter vielen. Was Deutsche Christen und Ludendorffer au der Bibel machen, findet ja (Gott sei Dank) auch keine große Zustimmung.
Auf jeden Fall Danke für Deine Einwände, sie haben auch mich noch einmal bewogen zu überlegen, was ich eigentlich genau machen will mit dieser Liste von Koranversen. Im Moment bin ich einfach geschockt von der Intensität des Hasses, den ich an so vielen Stellen wahrnehme, und ich versuche einfach, dem etwas entgegen zu setzen.
Das kann man wohl sagen. Und wovon man keine Ahnung hat, davon sollte man besser nicht reden.
Sag das den Betreibern der oben genannten Seiten. Das sind auch alles andere als Islamwissenschaftler.
Nein, du hast nichts gelernt, du bist einfach lernresistent in gewisser Beziehung.
Doch, ich habe sogar sehr viel gelernt. Nur weil ich Deinen Ausführungen (bzw denen Deiner Idole) nicht folge, heißt das nicht, daß ich nichts gelernt hätte. Eben weil ich etwas gelernt habe, knn ich mich mit den Aussagen Deiner Idole auseinandersetzen, und sie begründet ablehnen. Du kannst mir nicht vorwerfen, daß ich keine Begründungen vorgebracht hätte, wieso Deine Idole, wie sie auch immer grad heißen, aus meiner Sicht Unrecht haben.
Das, was wir heute im allgemeinen unter Sklaverei verstehen, kritisiert die Bibel sehr wohl.
Was wir heute unter Sklaverei verstehen ist nicht (nur) das, was der Text meint, wenn er von den afroamerikanischen Sklaven in Nordamerika spricht. Dazu zählt eben auch Menschenhandel mit Menschen, die nicht klassisch geraubt wurden, sondern eben verkauft wurden, etwa wegen Schulden. Und dann müssen die verkauften Kinder in Minen arbeiten, oder wenn es Mädchen sind, werden sie an Bordelle verkauft.
Auch die afroamerikanischen Sklaven wurden ja nicht so einfach „geraubt“. Jedenfalls nicht von den weißen Sklavenhändlern. Diese kauften diese bemitleidenswerten Kreaturen bei den örtlichen Stammeskönigen.
Im Übrigen sagt Dein Text ja auch genau das aus, was ich schrieb: Die Bibel verurteilt die Sklaverei nicht und sie verbietet sie nicht. Christen, die die Sklaverei befürworteten, beriefen sich vielmehr auf sie. Vor allem die Episode Gen 18, ff spielte eine Rolle. Wikipedia hat auch was dazu.
Was ich auch geschrieben habe, daß nämlich die Abschaffun der Sklaverei mit Berufung auf die Bibel forciert wurde, hast Du freilich überlesen. Aber gut, wer anderen vorwirft, auf falschen Annahmen zu beharren muß es ja selbst nicht besser machen…