Dieses Bild gab den Ausschlag für einen längeren Disput mit @stoersender23 und @Volkakaracho auf Twitter. Bei allen meinen Followern, denen ich damit die Timeline geflutet habe, möchte ich mich entschuldigen, um das fürderhin zu vermeiden, schreib ich jetzt hier weiter, wo man auch länger argumentieren kann.
Ich empfinde das Bild als hetzerisch, und genau das habe ich geschrieben. Meine Argumentation dabei ist recht simpel:
Hier wird Islam gleichgesetzt mit eine Zwang, Niqab zu tragen, obwohl es viele Muslimas gibt, die weder Niqab tragen nocht sonst irgend ein Kopftuch. Die simple Gleichsetzung Islam=Niqab ist also faktisch falsch. Der Islam ist deutlich bunter, als es hier dargestellt wird. Allenfalls bestimmten Richtungen des Islams kann eine derartige „Verunbuntung“ unterstellt werden, nicht jedoch dem gesamten Islam. Das sollte jeder einsehen, der schon Muslimas ohne Kopftuch oder mit bunten, das Gesicht freilassenden Kopftüchern begegnet ist oder sie in den Medien gesehen hat.
Hetzerisch halte ich das Bild deshalb, weil diese falsche Gleichsetzung auch diejenigen Muslime über diesen Kamm schert, die dezidiert gegen Kopftuch oder zumindest Niqab sind. Weil durch den Begriff Islam alle Muslime bzw. der von ihnen konkret (ohne Kopftuchzwang) praktizierte Glaube, den sie ebenso als Islam auffassen, mit erfasst und unter diese „Kritik“ der Unbuntheit gestellt wird.
Es wird ein falsches, zu negatives Bild des Islam verbreitet, was entsprechende Vorurteile befeuert, die letztendlich auch zu Gewalt führen können. An sich ist diese Unterstellung schon Gewalt mit Worten, die wegen der freien Meinungsäußerung vielleicht ertragen werden muß, aber durchaus selbst kritisiert werden kann.
Meine Diskussionspartner wollten daraufhin argumentieren, daß jedenfalls eine Mehrheit der Muslime dies so sehe. Dem hielt ich entgegen, daß wenn auch nur ein Muslim eine andere Einstellung hat, die Unterstellung nicht mehr auf den Islam zutrifft und damit falsch wird und ungerechtfertigte Hetze gegen diesen einen Muslim ist.
Ein anderer Versuch, gegen meine Kritik zu argumentieren war, daß sie Koranverse und weitere „Schriftbeweise“ vorbrachten, die belegen sollten, daß der Islam per se kriegerisch und meschenverachtend sei.
Ich entgegnete daraufhin, daß Texte der Auslegung bedürfen, und daß die wortwörtliche Auslegung nur eine Möglichkeit unter vielen ist, die interessanter Weise auch die Fundamentalisten wählen. Wortwörtliche Auslegung ist einfach, aber wird der Tradition der Religion, egal welcher, nicht gerecht, da sie auch unhistorisch ist, was Fundamentalisten nicht stört, IMHO für aufgeklärte Menschen ein Grund sein sollte, sich davon zu distanzieren.
Weite Teile des Islam teilen eben nicht die wortwörtliche Auslegung der Fundamentalisten, wie auch im Christentum und anderen Religionen, sondern haben andere Wege, mit den Texten umzugehen. Freilich kenne ic mich hier im Christentum besser aus als im Islam.
Meine Gesprächspartner beharren aber weiterhin darauf, daß ihre wortwörtliche Auslegung von Koran, Rechtsschulenurteilen und Hadithen die einzig wahren (sic) Auslegungen darstellen, die alle Muslime, oder zumindest die Mehrheit, befürworten.
Die Mehrheit, so schrieb ich, ist hier kein Argument, weil eben immer auch eine Minderheit unter den Begriff (hier „Islam“) fällt, auf die die fragliche Aussage (hier die unbunten Bilder mit den Niqabs) nicht zutrifft. Diese Muslime werden dann aber mit verurteilt, werden diskriminiert und falsch dargestellt.
Würde das fragliche Bild oben nicht vom „Islam“ sprechen, sondern von einer klar zu umreißenden Gruppe im Islam, in der tatsächlich das Vorgeworfene (Niqabzwang) ohne Ausnahme praktiziert und vertreten wird, hätte ich damit kein Problem.
So aber, ist es undifferenziert, falsch und hetzt auf, indem es Vorurteile über Muslime und den Islam verbreitet. Denn wenn nicht alle Muslime eine Praxis teilen, dann kann diese Praxis den Islam nicht ausmachen.
Comments
Comment by Charly on 2015-12-02 14:25:19 +0100
Hallo Benjamin,
ich möchte dir Mut machen, weiter diese klare und intelligente Haltung u bewahren. Es freut mich jedes mal, wenn ich (besonders unter uns Christen) auf Menschen treffe, die fähig sind, nicht nur in Schwarz-Weiß zu denken, sondern auch einen Überblick über all die Farbzohnen dazwischen zu bewahren.
Deinen Einwänden kann ich nur zustimmen. Deine Diskussionspartner scheinen hingegen besonders geprägt durch Propaganda und einfachen Denken zu sein. Aus eigener Erfahrung weiß ich nur zu gut, wie ermüdend eine Diskussion mit solch „Aufgeklärten“ Mitbürgern sein kann.
Comment by De Benny on 2015-12-02 14:40:59 +0100
Danke für Deinen Kommentar. Tut gut, auch mal Zuspruch zu erhalten.
Comment by Volkerracho on 2015-12-02 16:08:11 +0100
Menschenverachtende Texte, Schriften und Handlungen von Propheten sind als das zu benennen was sie sind: Menschenverachtend. Das ist keine Hetze. Deine Haarspalterei kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass DER Islam (Koran und das Leben und die Taten Mohammeds als Vorbild für alle Moslems) menschenverachtende Tendezen aufweist. Wenn dir so sehr daran gelegen ist, setzt dich für dessen Reform ein und lass Kritik an diesen Stellen zu, anstatt es als „Hetze“ abzutun.
Du entschuldigst sämtliche Aufrufe zur Gewalt / Ungleichberechtigung von Mann und Frau und und und im Koran mit der Begründung, das könne man anders auslegen, weigerst dich aber mir zu erklären, wie man die von Stoersender23 angeführten Beispiele anders verstehen soll, als ein Aufruf zur Gewalt gegen Andersgläubige.
Comment by Volkerracho on 2015-12-02 16:27:04 +0100
Deiner Logik nach kann man gar keine Ideologie mehr kritisieren: Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, Christentum, Buddhismus, Hinduismus, Nationalsozialismus, Nationalismus etc. lässt sich alles „anders auslegen“. Und wir wissen alle, dass das totaler Bullshit ist.
Comment by De Benny on 2015-12-04 09:14:43 +0100
Menschenverachtende Texte, Schriften und Handlungen von Propheten sind als das zu benennen was sie sind: Menschenverachtend.
Dagegen habe ich nichts. Menschenverachtend sind zum Beispiel undifferenzierte Äußerungen gegen eine Gruppe von Menschen, denen per Vorurteil eine Eigenschaft zugeschrieben wird, die nur einem Anteil (und sei es die Mehrheit) der Gruppe eignet.
So nach der Art: Amis sind alle fett, Deutsche sind alles Nazis, Schotten essen alle Porridge.
Man kann die Menschenverachtung tarnen, indem man nicht die Menschen direkt, sondern eine Gruppenbezeichnug angreift, also nicht „die Muslime“, sondern „den Islam“. Da alle Muslime sich zu „Islam“ (wie dieser „Islam“ auch immer je individuell mit Inhalt gefüllt wird) bekennen, besteht allerdings kein Unterschied.
Und daher ist die Behauptung, Islam bedeute, alle Frauen unter (schwarze) Kopftücher resp. Niqabs zu zwingen (oder verstehst Du obiges Bild anders?), an sich menschenverachtend. Nicht beachtet wird dabei, daß es eben viele Muslime gibt, die das Kopftuch nicht als notwendig ansehen.
Um diese Verachtung zu rechtfertigen, wird dann ein Strohmann aufgebaut. Nicht der einzelne Muslim entscheidet, was „Islam“ für ihn bedeutet, sondern der Ersteller der verachtenden Schrift/Bild stellt eine eigene Definition von Islam auf und schreibt sie allen vor, die sich zum Islam bekennen. Wer als Muslim Islam für sich anders definiert, der ist eben „kein echter Muslim“. So argumentieren auch die islamischen Fundamentalisten: Wer nicht die Islamauffassung von Daesh teilt ist Apostat und zu töten. Es ist wenig verwunderlich, daß beide, die Ersteller von Bilder wie dem obigen und Daesh hier in ihrer Menschenverachtung übereinkommen, teilen sie doch die gleiche Auslegeart (wortwörtlich) und die gleiche Radikalität bei der Grenzziehung („wer Muslim ist, bestimme ich“). Der Unterschied besteht hier lediglich darin, daß Daesh sich als drinne definiert und die „Islamkritiker“ sich als draußen.
Deine Haarspalterei kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass DER Islam (Koran und das Leben und die Taten Mohammeds als Vorbild für alle Moslems) menschenverachtende Tendezen aufweist.
Argumentation ist keine Haarspalterei! Finde Gegenargumente, dann kommen wir ins Gespräch. „Der Islam“ ist eben nicht nur „Koran und Leben Mohammeds“. Ich stimme Dir sogar zu, daß es im Islam, wie auch im Christentum und jheder Weltreligion, ja wahrschienlich auch jeder Form von Atheismus, Agnostizismus und was es sonst noch gibt, menschenverachtende Tendenzen vorkommen. Nur liegt das nicht an der jeweiligen Religion/Weltanschauung, denn es gibt auch Muslime ohne menschenverachtende Tendenzen. Ebenso gibt es solche Christen und Atheisten. Du kannst nicht vom Besonderen auf das Allgemeine schließen. Nur weil Hitler einen Schnurbart hatte, sind nicht alle Schnurbartträger Faschisten. Nur weil Daesh eine erroristenbande ist, sind nicht alle Muslime Terroristen.
Wenn dir so sehr daran gelegen ist, setzt dich für dessen Reform ein und lass Kritik an diesen Stellen zu, anstatt es als “Hetze” abzutun.
Eine wirksame Reform muß von innen kommen, deshalb bin ich dafür der falsche, denn ich bin kein Muslim, ich bin Christ. Und gerechtfertigte Kritik lasse ich zu. Ich finde zum Beispiel diese #ExMuslimBecause Aktion auf Twitter, unabhängig von den Versuchen einiger atheistischer und religiöser Gruppen, das für ihre Zwecke auszuschlachten, ganz gut. Kritik ist gut und wichtig auch für Reformen, um diese zu befördern, weil Kritik Mißstände aufzeigt.
Das obige Bild allerdings und Deine Definition von Islam, die dem Islam keine Chance auf Reform einräumt sondern von vorn herein festlegt, daß alles, was Islam je sein kann immer nur menschenverachtend ist, ist eben keine Kritik, sondern Hetze, weil sie eben Reform gar nicht erst zuläßt. Was sollten menschenfreundliche Muslime denn nocht tun? Sie können weder das Leben Mohammeds noch den Koran ändern, den Mohammed ist schon gestorben, das heißt sein Leben ist fertig und unänderbar (außer vielleicht durch Geschichtsklitterung, aber da sind wir uns sicher einig, daß das der falsche Weg wäre) und auch der Koran ist fertig und geschrieben. Die Möglichkeit, daß der Koran im Islam historisch-kritisch ausgelegt wird und eben nicht alles als wortwörtliches Vorbild genommen wird, schließt Du ja aus mit Deiner fundamentalistischen Definition von Islam. Das wäre dann ja kein Islam mehr, also auch kein reformierter Islam. Du läßt nur die Möglichkeit, entweder zu Deiner Position überzulaufen oder Dein Feind zu sein (und beim Islam zu bleiben). Diese Schwarzweißmalerei ist ebenfalls fundamentalistisch und keineswegs aufgeklärt und verdient an sich ihre eigene Kritik.
Du entschuldigst sämtliche Aufrufe zur Gewalt / Ungleichberechtigung von Mann und Frau und und und im Koran mit der Begründung, das könne man anders auslegen, weigerst dich aber mir zu erklären, wie man die von Stoersender23 angeführten Beispiele anders verstehen soll, als ein Aufruf zur Gewalt gegen Andersgläubige.
Ich entschuldige gar nichts. Deshalb sehe ich auch keinen Grund, Stoersender23 irgend etwas auszulegen. Wie gesagt bin ich kein Muslim, sondern Christ. Er mag diese Fragen einem Muslim stellen. Wenn er Fragen zur Bibel hat, kann er sich gerne an mich wenden. Doch eins vorweg: Ich würde wahrschienlich gar nicht als echter Christ durchgehen, weil ich es regelmäßig nicht schaffe, in die Schubladen von antireligiösen Fundamentalisten zu passen 😉
Daß man die Aufrufe zur Gewalt anders auslegen kann leite ich daraus ab, daß es Muslime gibt, die eben nicht gewalttätig sind, die ihre Frauen nicht schlagen, die ihre Töchter nicht unter das Kopftuch zwingen etc etc etc. Das sind Fakten und diese sagen etwas aus. Nämlich, daß das Phänomen Islam nicht mit der vereinfachten Weltsicht, die das obige Bild ausdrückt, beschrieben werden kann. Git es Aufrufe zur Gewalt im Islam? Sicher. Ist das zu kritisieren? Auf jeden Fall. Aber es ist nicht jedem Muslim und damit auch nicht dem Ilam per se vorzuwerfen, sondern denjenigen, die den Islam so verstehen. Darauf kommt es mir an, deshalb fordere ich immer wieder Differenzierung.
Deiner Logik nach kann man gar keine Ideologie mehr kritisieren: Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, Christentum, Buddhismus, Hinduismus, Nationalsozialismus, Nationalismus etc. lässt sich alles “anders auslegen”.
Die Frage ist nicht die nach der Möglichkeit, sondern die nach der tatsächlichen Umsetzung. Es gibt tatsächlich Musliminnen ohne Kopftuch.Es gibt auch Musliminnen, die freiwillig ein Kopftuch tragen, weil sie das so wollen. Es gibt Muslime, die sich mehr für Menschenrechte einsetzen als so mancher „Islamkritiker“ hierzulande. Darum geht es mir, um die konkreten Fakten, nicht um die Möglichkeiten, wie der Koran noch ausgelegt werden könnte. Spekulationen helfen hier nicht weiter. Aber die Muslime, die sich zum Islam bekennen und eben nicht so mit dem Koran etc umgehen, wie Du es von „echten“ Muslimen erwartest, die sind doch nicht einfach wegzureden. Die leben hier, mitten unter uns, und allein der Fakt, daß es sie und ihre nichtmenschenverachtenden Handlungsweisen als Muslime gibt zeigt, daß Deine (fundamentalistische) Definition von Islam sich nicht mit der Wirklichkeit deckt und daß folglich das obige Bild und alle Rechtfertigungen, die Du bisher dafür vorgebracht hast, meiner Kritik nicht standhalten.
Und das Ganze, ohne daß ich irgendeine Auslegung vorlegen müßte, denn wie gesagt: E muß diese Auslegungen geben, sonst gäbe es keine Musliminnen ohne Kopftuch.