Max Melzer macht sich im Urlaub Gedanken darüber, was Kirche von der Wirtschaft lernen kann und brachte mich so auf einen Gedanken, wie man vielleicht den Auftrag der Kirche formulieren könnte und dabei, so meine Hoffnung, recht sauber zwischen Amtskirche und Kirche als Gemeinschaft der Heiligen (unabhängig von formaler Kirchenzugehörigkeit) unterschieden könnte.
Wie wäre es, wenn wir die Amtskirche weitgehend als Infrastrukturbereitstellungsbehörde verstünden? Die Institution Kirche stellt Gebäude, und Fachpersonal zur Verfügung. Dieses Fachpersonal hat bestimmte Aufträge, also bei Pfarrern Verkündigung, Seelsorge, Sakramentsverwaltung etc, bei Kantoren Orgelspiel, Chöre etc, bei Diakonen z.B. Jugendarbeit, Seniorenarbeit, Katechese…
Sicher wird der Einsatz dieses Fachpersonals durch Presbyterien und Bezirkssynoden jeweils genauer umrissen, manches machen sie sicher auch aus eigenem Spaß. Hier hat man dann schon sowas Ähnliches wie bei google, wo die Leute einfach mal kreativ werden sollen und das Ganze dann fürs Unternehmen übernommen wird. Ich würde sagen, bei Kirchens gab es das schon lange, bevor sowas wie google auch nur gedacht werden konnte. Pfarrer zum Beispiel haben sich schon immer mit ihren eigenen Interessen und Schwerpunkten eingebracht, und zwar über den normalen Dienstauftrag hinaus (es fallen ja keine Sonntagsgottesdienste aus, weil der Pfarrer einen Blog betreibt). Das gleiche gilt für andere Hauptamtliche. Das, was google in seine Unternehmenskultur aufnehmen will ist das, was Kirche eigentlich schon drinne hat: Die besondere Bindung an den Arbeitgeber. Weder Diakon noch Gemeindesekretärin noch Kantor noch Küster noch Pfarrer noch… ist nur ein Job, da ist man (so kenne ich es zumindest) mit dem Herzblut dabei. Als ich bei Daimler am Band stand war klar: Um 14:30 oder 23:00 fällt der Hammer (je nach Schicht), und zwar so ziemlich im wörtlichen Sinne. Ebenso bei meinem Praktikum auf dem Bau. Sicher gab es hier und da auch Identifikation mit dem Arbeitgeber, aber sicher nicht in der Art, wie bei der Kirche, denn im Industriebetrieb arbeite ich vor allem, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Bei der Kirche arbeitet man aber eher, weil man dahinter steht.
Bei der Kirche fällt der Hammer bei weitem nicht so häufig zu einem bestimmten Zeitpunkt, was dann auch mehr Verantwortung für die Vorgesetzten bedeutet (ich hab im kirchlichen Rahmen schon öfter gehört, daß Vorgesetzte zu ihren Mitarbeitern sagten: Wenn Du frei hast, hast Du frei, da arbeitest Du nicht. In der freien Wirtschaft kann ich mir das kaum oder höchstens sehr sehr selten vorstellen).
Soweit also zur Institution Kirche als Infrastruktur. Was ist mit der Kirche als Gemeinschaft der Heiligen?
Zuerst zum Begriff der Heiligen: Ich meine damit jeden Gläubigen. Man kann von außen schwer erkennen, wer jetzt genau dazugehört, weilman nicht in die Köpfe der Menschen schauen können. Wovon ich aber einfach einmal ausgehe ist, daß es gläubige Menschen gibt, die durch ihren Glauben angetrieben werden, sich in der Kirche für ihre Mitmenschen zu engagieren. Ob es sich dabei um Eheseminare handelt oder die Mitarbeit in der Jugendarbeit, der Frauenhilfe oder der Ausdruckstanzgruppe ist dabei völlig unerheblich.
Es sind Menschen, die nicht hauptamtlich in der Kirche arbeiten, die aber durch ihren christlichen Glauben angetrieben sind, sich einzubringen, etwas zu tun. Und hier, so schreibt Max, ist das Geld oft knapp und er hat Recht. Geld ist sowieso so ein Problem, nie ist genug da, vor allem nicht, um alle Notstände in der Welt zu lösen. Dazu müssen wir Prioritäten setzen und zwar sowohl, was die Infrastruktur angeht (wie viele Gebäude halten wir vor, wie viele Fachkräfte stellen wir ein) als auch was die Förderung einzelner Gruppen angeht (hin und wieder soll es da ja auch Zuschüsse geben).
Ich würde jetzt dafür plädieren, vor allem Infrastruktur zu bezahlen und vorzuhalten, je nach absehbarem Bedarf, so daß die Ehrenamtlichen nur hingehen und machen müssen. Wenn es einen Gemeinderaum gibt und jemand, der ein Paarseminar machen will, dann los.
Wo es mehr Infrastruktur gibt als Bedarf ist, könnte man fragen ob das so sein muß oder ob man nicht Infrastruktur abbauen will. Wo es weniger Infrastruktur als Bedarf da ist, muß man einerseits eine Auswahl treffen oder zu Kompromissen kommen, und man sollte dringen darüber nachdenken, die Infrastruktur auszubauen.
Das Schaffen von Freiräumen, das Max fordert, sehe ich daher vor allem im Bereich der Infrastruktur. Die stellt die Kirche zur Verfügung, das Engagement hängt aber von den Gläubigen ab.
Das ist alles nichts Neues. Trotzdem denke ich, zwischen Bereitstellung der Infrastruktur und der Inanspruchnahme derInfrastruktur zu unterscheiden, könnte dabei helfen, sich Problemen strukturierter zu nähern.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, wie genau das Fachpersonal eingeordnet werden sollte. Es ist Infrastruktur, sofern es verwaltet und organisiert, und es gehört zum Engagement, insofern es eigene Ideen umsetzt. Da stellt sich danna uch gerade beim Gottesdienst die Frage: Bringt sich der Pfarrer ein, wenn er predigt, oder stellt er Infrastruktur zur Verfügung?
Was meint Ihr?