Dieses Meme begegnete mir gerade in meinem Stream bei RedMatrix. Um was es geht, sollte ziemlich klar sein: Die Frau ist offenbar mit den „Diensten“ der Regierung nicht zufrieden und möchte daher austreten, nicht mehr davon erfasst werden und/oder nicht mehr dafür zahlen.

In Zeiten zunehmender Sensibilität was Überwachung, Polizeigewalt und dergleichen angeht, eine verständliche Reaktion. Man will keinen Anteil an dem haben, was man nicht unterstützt. Und wenn die Regierung bestimmte Handlungen oder Positionen unterstützt, die man ablehnt, ist der Affekt, nach einem Ausgang zu suchen, nachvollziehbar.

Ginge es um eine Mitgliedschaft in einem Verein oder auch einer Kirche, würde ich da gar nicht viel sagen, denn dabei handelt es sich um Wahlmitgliedschaften. Nicht so jedoch beim Staat, zu dem die Regierung ja allemal als Institution gehört.

Man mag die Ansicht vertreten, daß die Freiheit so weit gehen müsse, sich auch von Staat und Regierung lossagen zu können, so wie im Meme ausgedrückt.

Ich bin dieser Ansicht nicht, und zwar aus gutem Grund, wie ich meine: Es geht mir dabei um ein Konglomerat aus Verantwortungsdenken, Demokratieverständnis und gesellschaftlichem Zusammenhalt, und ich möchte versuchen, dieses Knglomerat hier ein wenig zu entfalten.

Wir leben zusammen in einer Gesellschaft, das ist erst einmal so. Das Zusammenleben in der Gesellschaft ist geregelt durch eine Ordnung, zu der auch die Regierung gehört. Wir haben in den westlichen Demokratien trotz aller Probleme, die es gibt, noch relativ viele Möglichkeiten, uns in die Selbstverwaltung unserer Gesellschaft (und damit die Ausgestaltung der Ordnung) einzubringen. Und ich denke, wir haben auch die Pflicht, dies soweit möglich zu tun.

Das Meme steht für das Gegenteil: den Rückzug ins Private. Austreten aus dem gemeinschaftlichen Rahmen: Ich mach, was mir gut dünkt, die Gesellschaft mit ihren Ordnungen mag mir gestohlen bleiben.

Ich bin der Meinung, daß mn sich lieber zur Verbesserung der Ordnung (und damit der Regierung) einbringen sollte, als egoistisch den eigenen Ausweg zu suchen.

Jetzt mag jemand sagen: Die anderen können ja gerne auch den Ausweg suchen, damit schade ich doch niemandem.

Meine Entgegnung wäre: Und was ist mit denen, die dies nicht könen? Gründe kann es zuhauf geben: Finanzielle, intellektuelle, emotionale… you name it. Überhaupt den Gedanken zu fassen, aus der Gesellschaft mit ihrer Regierung auszutreten, setzt einiges voraus, diesen Schritt wirklich veruschen, umzusetzen, dazu gehört noch einmal mehr. Und was ist mit all denen, die durch unsere bisherige Ordnung gestützt werden? Arbeitslose, Alte, Schwache, Kranke, Arme? Sollen sich darum dann die Individuen kümmern, die vorher der Gesellschaft den Rücken gekehrt hatten?

Ähnliches fordert die Upper Class und die Religious Right in den USA, wenn es um Sozialleistungen geht: Der Staat, also die Allgemeinheit soll da nichts geben, das sollen Individuen übernehmen. Wenn wir uns jetzt die soziale Situation in den USA ansehen wird vielleicht klar, wo die Probleme liegen könnten.

Wir haben – zumindest in den westlichen Staaten – weitgehend funktionierende Demokratien (mit allen Abstrichen, die man leider machen muß). Das heißt daß die Regierungen, so sehr wir ihre Politik ablehnen, irgendwo doch durch das Volk legitimiert sind. Als Gegner ihrer Politik auszutreten und sich abzuwenden würde bedeuten, nötige Kritik zu unterlassen. Das ist IMHO sehr undemokratisch gedacht. Ja, es gibt offenbar Mehrheiten, die andere Ansichten vertreten als daß, was uns vielleicht gerade wichtig ist. Aber dann sollten wir nicht zusammenpacken und dem Ganzen den Rücken zuwenden, sondern unsere Kritik lauter vorbringen, versuchen, Mehrheiten zu beschaffen, die nächste Wahl kommt bestimmt.

Das sind wir uns und vor allem denjenigen die (sozial) schwächer sind als wir schuldig. Wer würde denn gewinnen, wenn die Gesellschaft auseinanderbricht, weil alle autreten? Richtig, die Starken. Und wer ist das?

Deshalb bin ich der Meinung, daß wir zusammenhalten sollten, daß wir allen Auflösungstendenzen in der Gesellschaft entgegenwirken sollten und die Gesellschaft und ihre Ordnung (inklusive der Regierung) ändern sollten, anstatt ihr einfach den Rücken zuzuwenden und denjenigen das Feld zu überlassen, die anders denken als wir.

Comments

Comment by Thomas Jakob on 2015-02-20 07:26:26 +0100

Grundsätzlich gebe ich Dir völlig recht. Solange das Gesamtsystem einigermaßen in Ordnung ist, und das ist es bei uns noch lange, ist es der richtige Weg, sich innerhalb des Systems zu bewegen.

Trotzdem kann es Situationen geben, wo man aussteigen muss, gerade auch als Christ. In den Zusammenhängen von Friedensbewegung/Kriegsdienstverweigerung haben wir das öfters diskutiert.

Comment by De Benny on 2015-02-20 12:30:15 +0100

Danke für Deinen Kommentr und die erweiterte Perspektive. Was mich an dem Meme so geärgert hat war dieser „macht ihr was ihr wollt, ich mach mein eigenes Ding“ Aspekt.

Was Du ansprichst würde ich eher weniger unter „aussteigen“ verbuchen, eher unter verweigern bzw. Konkurrenzstrukturen aufbauen.

Im Meme geht es ja auch darum (darauf bin ich nicht eingegangen), daß die angeblichen „services“ der Regierung keine sind oder ihr Geld nicht wert sind. Auf der Ebene hat man als Christ IMHO nur die Alternative, auf eine Verbesserung der „services“ hinzuwirken.

Oder aber, wenn da etwas so falsch läuft, daß man nicht mehr mitmachen kann, dann kann man auch nicht mehr von „services“ sprechen, dann muß man klar sagen: Das geht so nicht. Das Problem ist dann nicht mehr, daß etwas überteuert oder unnütz ist, sondern daß etwas falsch ist und aufhören muß.

Dann wäre die Aussage vielleicht eher: „not in my name“ oder „I won’t follow“ o.Ä…

Comment by Thomas Jakob on 2015-02-21 09:36:49 +0100

Obwohl ich, wie gesagt, grundsätzlich mit Dir übereinstimme, muss ich sagen, dass mich dieses Mem längst nicht so aufregt wie Dich, eigentlich fast gar nicht.

Die Möglichkeit, aus einem System auszusteigen, wenn es einem überhaupt nicht passt, einem nicht genug Freiheit lässt oder einen über Gebühr benachteiligt, muss es immer geben. Konkret hieße das Auswanderung. Bei US-Amerikanern ist dieses Muster wohl sehr viel stärker in den Köpfen als bei uns.

Der Marsch durch die Institutionen ist auch für normale politische Fragen kein allgemein brauchbares Rezept. Wenn ich z. B. an das deutsche Rentensystem denke, laufen wir infolge eines systematisch falschen Ansatzes (Umlage), der nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit gerechtfertigt war, und einer ganz und gar mangelhaften Familienpolitik über Jahrzehnte und noch heute aus demografischen Gründen auf ein echtes Problem zu. Meine Kinder z. B. werden damit absehbar über Gebühr belastet werden. Daran kann auch keine Politik mehr etwas ändern. Wenn meine Kinder auswandern würden, hätte ich volles Verständnis dafür.

Comment by De Benny on 2015-02-21 12:43:59 +0100

Konkret hieße das Auswanderung.

Das wär was anderes, das würde mich weniger aufregen. Wobei ich mich auch schonmal gegen das „geh doch rüber“ Denken aufgeregt hab, aber da ging es darum, daß man andere ausgrenzen wollte.

Wenn meine Kinder auswandern würden, hätte ich volles Verständnis dafür.

Klar, aber: Ich verstehe die Person auf dem Mem nicht so, daß sie auswandern will, sondern daß sie hier bleiben will, die Segnungen des Staates (die es neben Renten und anderen Problematiken ja auch gibt) genießen, während sie ansonsten nicht mehr Teil sein wollen. Wer auswandert ist wenigstens konsequent und hat mein vollstes Verständnis. Wir sind ja nicht die DDR. Wer aber innerlich auswandert und nebenher (und aus der Ecke kam das zu mir) linke Ideen von besserer Staatsorganisation u.Ä. vertritt, der ist inkonsequent. Wenn sich was ändern soll, dann müssen wir das machen und nicht immer nur meckern. Bei der Rente ist es nun mal so, daß wir ein System implemeniert haben mit dem wir unseren Kindern ins Kniw geschossen haben, ganz einfach weil wir zu wenige davon machen (also Kinder jetzt). Und da diejenigen die Mehrheit stellen, die im Moment das Geld aus dem System erhalten, wird sich da wohl auch wenig ändern.

Die Babyboomer Generation konnte noch warten, bis die Alten weggestorben waren, weil sie einfach mehr waren. Nachfolgende Generationen sind dagegen immer in der Minderheit gegen die Älteren. Der Wagen wird über kurz oder lang gegen die Wand fahren. Die Demokratie hat halt auch Schattenseiten.

Comment by Andreas Moser on 2015-02-24 20:21:59 +0100

Bei ca. 200 Staaten auf der Welt sollte doch für jeden der passende dabei sein. Und man kann ja auch immer wieder umziehen, wenn es einem so gar nicht mehr paßt.

Comment by De Benny on 2015-02-24 22:13:39 +0100

Wer sein Glück woanders sucht, mag es dort finden. Ich wohne auch nicht mehr in dem Ort, in dem ich aufwuchs und hab zwischendurch noch an ganz anderen Orten gelebt, wenn auch bei weitem nicht so weit und lange weg wie Du, Andreas.

Wie gesagt, solange wir hier zusammen leben denke ich, sollten wir es auch versuchen hinzukriegen, miteinander die Strukturen zu schaffen, die das Zusammenleben möglichst konfliktfrei ermöglichen. Sich da „abzumelden“ ist IMHO einfach die falsche Richtung. Man kann bestimmten politischen Lagern ja die Unterstützung entziehen, aber einer Institution der gesamten Gesellschaft, sol ange man noch Teil der Gesellschaft ist (und nicht auswandert)…

Ich denke halt, daß kaum jemand glücklich wird, indem er seinen eigenen Laden aufmacht, ohne all die anderen. Was das angeht bin ich ein Fan einer gewissen Ordnung, so unpopulär dieses Wort auch ist (aber ich bin auch total für eine starke Kontrolle der Ordnungsmacht, das relativiert es vielleicht wieder ein wenig).

Comment by Nordlicht on 2015-02-25 16:42:02 +0100

Hm… wenn wir zuwenig Kinder machen… machen wir dann nicht automatisch auch zuwenig Kniee? 😉

Comment by De Benny on 2015-02-25 18:14:10 +0100

Das mußt Du prozentual sehen, dann macht die absolute Kinderanzahl keinen Unterschied. 😉

Comment by routefinder on 2015-03-10 13:31:05 +0100

Das Grundproblem ist die Gerechtigkeit. Solange ein System ein vertretbares Maß der Gerechtigkeit hat kann es weiterlaufen. Es kann aber zum Punkt mit so viel Ungerechtigkeit kommen dass die Sklaven das Land verlassen wollen. Ich kann mir jedenfalls vorstellen mit meinen 4 Kindern zu gehen wenn es zu bunt wird. Ich habe mein komplettes Vermögen in die Ausbildung der 4 gesteckt. Da mache ich lieber einen direkten Vertrag statt umlage über das Rentensystem.

Comment by De Benny on 2015-03-11 22:17:37 +0100

Ist der direkte Vertrag nicht unsozial gegenüber denen, die selbst keine Kinder haben können, weil sie entweder keinen Partner finden oder biologisch nicht dazu in der Lage sind? Wurde die Ausbildung Deiner Kinder icht auch von den Steuergeldern von un allen bezahlt? Wenn Du auswanderst, ist das freilich wieder anders, denn Du zahlst zwar nicht mehr in das System ein, profitierst aber auch nur noch in geringem Maße davon (wenn Du nicht die Staatsbürgerschaft Deines Wahllandes hast, steht Dir noch die Botschaft zur Verfügung). Das ist dann was anderes.

Aber allgemein würde ich schon sagen, daß ich solche „Direktverträge“ für einen Rückschritt halte, bei allen Problemen, die wir mit der Rentenversicherung haben.