Wenn die Demonstranten mit Medien wie „Russia Today“ oder „Al Dschasira“ sprächen, aber lokale und überregionale Medien als „Lügenpresse“ und „Mainstreammedien“ beschimpften, „dann werden rote Linien überschritten“, betonte der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung.Vielen Anhängern der selbst ernannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) sei offenbar nicht klar, dass es in Deutschland keine Staatspresse gibt, betonte Krüger. Stattdessen gebe es eine „freie Presse, die das was geschieht, aus konkurrierenden Perspektiven betrachtet, diskutiert und damit die öffentliche Meinungsbildung konfrontiert“.
Gefunden habe ich diesen Textausschnitt hier. Krüger, Chef der bpb hat natürlich Recht. Eigentlich. Wir haben in Deutschland eine freie Presse, die sich in ihrer Gesamtheit vor Medien wie „Russia Today“ oder „Al Dschasira“ nicht verstecken muß. Eigentlich.
Und wir haben demokratisch gewählte Politiker. Politiker, die viel eher den Willen des Volkes repräsentieren, als beispielsweise der Politiker, der hinter „Russia Today“ steht: Putin.
Jetzt werden also sowohl Politiker als auch die Presse von den Pegida Leuten als Lügner angesehen und trauen ihnen nicht mehr, ja man traut nicht mal mehr den Statistikämtern, eigentlich niemandem mehr, der eine irgendwie andere Meinung als man selbst hat.
Jetzt kann man sich hinstellen und das bedauern, man kann dazu aufrufen, sich an Diskussionen zu beteiligen und Fakten anzuerkennen.
Alles richtig und gut, ohne miteinander zu reden wird es nicht besser werden. Allerdings sollte man sich selbst auch einmal genauer mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen, den die kommen nicht aus dem luftleeren Raum.
So hat Thomas in seinem Jahresrückblick auf Politikeraussagen des Jahres 2013 verwiesen, die sich in diesem Jahr schon als Unwahrheiten herausgestellt haben. Es dürfte weiter Konsens bestehen, daß noch viel mehr solcher Aussagen gefunden werden könnten. Die meisten unter uns würden wohl auch der Aussage zustimmen, daß dies eben zum Geschäft der Politik gehört, daß man als Politiker nicht einfach nur seinen Willen durchsetzen kann, sondern auch Kompromisse eingehen muß.
Allein: Wo ist der Politiker, der das auch mal offen eingesteht? Ein CDUler, der im Wahlkampf sagt, daß man womöglich auch mit der AfD könnte. Oder ein SPDler der sagt, daß man mit den Linken nicht möchte, aber vielleicht doch lieber als mit der Union? Oder daß man Rot-Grün anstrebt, daß mn aber auch ne große Koalition machen würde, wenn anders das Land führungslos bleiben müßte etc etc?
Die Bürger sind erwachsen, und es wäre
im Sinne unserer Demokratie und unseres Gemeinwesens überhaupt, wenn Politiker (vor allem solche im Wahlkampf) sie auch so behandeln würden. Das kann bedeuten, daß man eine Wahl verliert. Aber der Schaden ist anders herum vielleicht noch viel größer. Eine Gelegenheit für Politiker, Größe zu zeigen, wenn sie das Allgemeinwohl vor das persönliche Wohl stellen, und uns gleich die Wahrheit sagen, anstatt auf den Effekt zu hoffen.
Von Populisten werden wir das nicht erwarten können, und das ist ein Problem, denn es würde ihnen vermutlich Vorteile beschaffen. Auf lange Sicht würde es aber – so denke ich – Populismus vorbeugen und unsere Gesellschaft insgesamt erwachsener machen.
Kommen wir also zur Presse, dem anderen Feindbild der Pegida Leute. Und da hat Michael in seinem tollen Artikel zur (nicht) drohenden Islamisierung (unterfüttert mit Daten zu den Geburtenraten) gleich auf zwei Falschinformationen eines großen deutschen – ja was eigentlich, Zeitung will ich es nicht nennen – hingewiesen. Persönlich fällt mir da noch der Fall Nikolaus Brender – Peter Frey ein. Allgemein habe ich in letzter Zeit den Eindruck gewonnen, daß die Medien zunehmend voneinander abschreiben und Nachrichten kaum mehr geprüft oder recherchiert werden. So werden Fehler (auch intendierte Fehler) einfach reproduziert.
Auch hier kann man sagen: Alles verständlich. Die Presse arbeitet (abgesehen von den öffentlich-rechtlichen, aber da gibt es auch Kostendruck) nach kapitalistischen Maximen. Man hat zwar den Auftrag, zu informieren, auch zu recherchieren und kritisch zu hinterfragen, allerdings ist das teuer und kommt deshalb wohl nicht immer zum Zug. Auf der anderen Seite verschaffen Skandale, Horrormeldungen und dergleichen Auflage. Wenn der neue EKD Ratsvorsitzende also fordert,
dann kann er vielleicht auf die Kirchenmedien dementsprechenden Einfluß nehmen und auf eine finanzielle Absicherung trotz solcher schlechter veraufbaren Meldungen hinwirken. Allein, auch in der Kirche wird gespart.
Man muß sich also auch eingestehen, daß unsere Presse zumindest vom Markt nicht unabhängig ist. Und das ist ein Problem, für das ich keine Lösung weiß. Der Verwies auf Blogs und andere Online-Medien kommt immer einmal wieder, aber kaum ein Blogger hat die Zeit und die Kenntnisse, hinreichend zu recherchieren. Und wenn doch, dann betreibt er das Bloggen zumindest semiprofessionell und muß sich wieder it den Gesetzmäßigkeiten des Marktes auseinandersetzen.
Trotzdem denke ich, ist es wichtig, sich mit den Pegida Leuten auszutauschen. Dies wird erschwert durch die Verweigerung gegenüber den Medien (und die fehlende Homepage). Vielleicht muß man dann doch mal auf „Russia Today“ schalten, um deren Ansichten mitzukriegen.
Und im Laufe der Diskussion müssen die dann auch begreifen, daß sie villeicht nicht „das Volk“ sind und ihre Ansichten nicht durchsetzen können. Ein guter Ausgang solcher Gespräche wäre, wenn man einander ein wenig besser versteht und die Ängste kennt, die den jeweils anderen bewegen (am Ende geht es vielleicht um die eigene Altersarmut und nicht um Ausländerhaß). Dann könnte man vielleicht sogar überlegen, wie man diese Ängste beseitigt. Wer sich hier engagiert, auch politisch engagiert, kann für die Zukunft sicher viele Pluspunkte sammeln.