Das Altonaer Bekenntnis wird im Rahmen eines Sondergottesdienstes am Mittwoch, d. 11.1.1933, von Propst Sieveking verlesen. Im Anschluss daran predigt Pastor Georg Christiansen (Altona) über Lk. 3, 1-3; 7-16[1]1.
Diese Predigt habe ich bei eigenständiger Forschung im Bielefelder Archiv für Kirchen-kampf gefunden. Sie zeigt, dass die Verfasser von Anfang an den Wunsch haben, über Altona hinaus gehört zu werden[2]2 – dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Von Anfang an sind sich die Verfasser möglicher Kritik – Weltfremdheit, Machtgelüste der Kirche, unsensibler Eingriff in sich grade bildende Einheit – bewusst. Sie rechnen aber bei aller Kritik auch mit Menschen, die sich über dieses Bekenntnis freuen werden. Doch Kritiker wie Befürworter werden die Frage stellen: „Woher nehmt ihr den Mut und die Vollmacht dazu? Wie kommt ihr dazu?“[3]3. Auf diese Fragen will Christiansen stellvertretend für alle Verfasser antworten. Sie verstehen ihr Handeln als Handeln in der Nachfolge Johannes des Täufers. Er predigte auf Befehl Gottes – sie wurden in die Situation hineingestellt und müssen das Bekenntnis ablegen, nicht aus eigenem Antrieb, sondern von Christus und der Aufgabe getrieben[4]5. Sie stellen das Geschehen unter das Wort „Da geschah das Wort Gottes an uns“ und verneinen jede parteipolitische Motivation.
Um den Inhalt bzw. das Ziel des Bekenntnisses deutlich zu machen, werden dann die machtpolitischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu Zeiten Johannes äußerst negativ geschildert – und dann wird dieser Schilderung mit Worten geschlossen, die auch die gegenwärtige Situation beschreiben: „Aber auf der anderen Seite wissen wir auch, wieviel bestes Wollen in den Herzen vieler lebendig war. Die Treue gegen Land und Volk war nicht gestorben. Da wurde mit Leidenschaft gerungen um die Erhaltung der politischen, nationalen, sozialen und religiösen Eigenart“[5]6. Und in den sich vermutlich einstellenden Gedanken: „Denen ging es ja wie uns!“ bricht die Darstellung der Gegenwart hinein, die – ganz Johannes folgend – in die Aufforderung zur Umkehr und Buße mündet. Die Folgen der Buße bei Johannes sind, dass er vom Volk, von Zöllnern und Kriegsleuten gefragt wird, was sie tun sollen. Johannes reißt daraufhin niemand aus seinem bisherigen Stand heraus, sondern verweist sie in die Grenzen dieses Standes. Auch die gegenwärtige Kirche wird vom Volk gefragt, was es tun soll. Die Altonaer Pastoren geben eine andere Antwort als „Welt, Gesellschaft, Presse“. Sie können nur Gottes Botschaft verkündigen und schließen die Predigt mit dem „größte[n] und schönste[n] Hinweis, den die Kirche zu geben hat: ‚Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu, sondern hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnt durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt: Laßt euch versöhnen mit Gott!‘ (2. Kor. 5, 19-20)“[6]7. Diese Predigt gibt biblisch begründet Aufschluss über die Motivation der Verfasser und ist damit ein wichtiger Faktor für die starke Wirksamkeit des Altonaer Bekenntnisses.
Der gottesdienstliche Rahmen eines Sondergottesdienstes ist auffällig. Da das Altonaer Bekenntnis doch gerade in die Ordnung Gottes zurückrufen will, ist es merkwürdig, dass sie statt eines regulären, ordnungsgemäßen einen Sondergottesdienst dazu wählen. Die Wahl des Wochentages wird möglicherweise vor dem Hintergrund der Predigt deutlich. In der Predigt stellen sich die Verfasser in die Tradition Johannes des Täufers, der nach biblischer Überlieferung Bußprediger war[7]8. Daraus ergibt sich der Bezug vom Altonaer Bekenntnis zum Mittwoch: als einer der alten Stationstage wurde er schon in der Refor-mationszeit als Termin für einen Bußtag genutzt[8]9, es ist deshalb naheliegend, an ihm ein Bekenntnis zu verlesen, das zur Buße aufruft und dessen Verfasser sich in der Nachfolge von Johannes dem Täufer sehen[9]10.
Der Zeitpunkt der Verlesung ist für die Akzeptanz des Altonaer Bekenntnisses auch wichtig, weil er in einer Phase liegt, in der auch von theologischer Seite der Ruf nach einem Bekenntnis laut geworden ist. Deshalb wird das Vorlegen eines Bekenntnisses auch in Kreisen begrüßt, die nicht alle theologischen Aussagen teilen. Sie erkennen trotz theo-logischer Differenzen an, dass der Status confessionis gegeben ist und gestehen dem Altonaer Bekenntnis den Rang eines Bekenntnisses zu, auch wenn sie es nicht unterschreiben[10]11.