Da lese ich mich so durch die Blogs, die ich abonniert habe, und bleibe beim „Der Sieger Blog“ hängen. Da geht es um „Entkehrung“. „Entkehrung“ meint hier das Gegenteil von Bekehrung, also sozusagen der Abfall vom Glauben. Dazu hat er auch ein Interview verlinkt, das wie ich meine unbedingt lesenswert ist.

Darin berichtet Tobias Faix von seinen Untersuchungen auf dem Gebiet der Entkehrungen, zu dem er auch ein Buch geschrieben hat (näheres dazu im Interview). Faix benennt bestimmte Gemeindestrukturen als möglichen Grund für Entkehrungen:

Wir haben festgestellt, dass es in Gemeinden Strukturen gibt, die Dekonversionen fördern.

Weiter führt er aus:

Man muss gemeinsam überlegen und darüber reden: Wie verstehen wir einzelne Aussagen der Bibel? Warum verstehe ich sie so? Was ist unverständlich? Es ist wichtig, dass es dafür Kommunikationsräume gibt. Wir sollten die Angst davor ablegen, dass der ganze Glaube einer Person zusammenfällt, wenn sie einen bestimmten Aspekt nicht glaubt. So etwas macht es schwierig, auch Zweifel zuzulassen und auszusprechen.

Beim „Sieger Blog“ schwebt dem Autor Viktor eine bestimmte Lösungsrichtung vor: Die Alten in den Gemeinden sollen sich nicht über die Formen beschweren, die den Jungen eher zusagen:

ich habe auch beobachtet wie die jungen Leute, wenn sie heranwachsen, die Gemeinde verlassen und vollkommen andere Wege einschlagen. Die ältere Geschwister sagen dann: “Wir beten dafür, dass Gott sie zurück holt.” Aber sie tun meistens nichts dafür. Im Gegenteil, sie meckern wenn die Musik im Gottesdienst zu laut ist oder das Programm nicht stimmt… Die Liste könnte man fortsetzen.

Außerdem spricht er davon, daß Mentoren benötigt werden

die sie ermutigen, mutig ihren Glauben im Alltag auszuleben und sich mehr mit dem Wort Gottes zu beschäftigen […] und ihnen nicht ihre Ideologie, Theologie oder ähnliche …logien aufzwingen.

Ich denke nicht, daß ein Programm in einer Gemeinde dazu führen, kann, den Glauben ganz aufzugeben. Man ärgert sich vielleicht über den Gottesdienst, über die Form, die einem nicht entspricht, aber das ist ein Konflikt mit Menschen, nicht mit Gott. Daher kann er meiner Meinung nach vielleicht zur Trennung von Menschen führen, man geht vielleicht in eine andere Gemeinde, die einem mehr entspricht, aber deshalb trennt man sich nicht von Gott. Und ein Gemeindewechsel ist keine Entkehrung, es sei denn, man hängt dem Glauben an, daß nur die eigene Gemeinde die Wahrheit erkannt hat.

Das ist übrigens auch ein interessanter Punkt bei dem Interview: Es wird nie gesagt, was genau mit Entkehrung gemeint ist. Was ist mit den Entkehrten? Sind sie jetzt Atheisten? Sind sie Agnostiker? Suchen sie eine neue Gemeinde?

Irgendwie bekomme ich vom Interview und noch mehr bei Viktor den Eindruck, daß es hier nicht um Menschen gibt, die zu einem eigenen festen Glauben an Gott gekommen sind, sondern um Menschen, die vielleicht Gott suchten, in eine Gemeinde kamen, die vielleicht ein oder zwei interessante Dinge über diesen Gott zu sagen hatte, aber deren Gott dann am Ende doch enttäuscht hat. Es ist immer gefährlich, solche Behauptungen aufzustellen, letztlich weiß ich es nicht und kein Mensch kann in eines anderen Menschen Herz sehen. Trotzdem möchte ich auf diese Möglichkeit hinweisen, denn es scheint mir viel dafür zu sprechen.

Wie gesagt wundert es mich, dass vor allem äußerliche Gründe genannt werden: Bei Viktor die Formen des Gottesdienstes und bei Faix, schon etwas tiefer gehend, die Akzeptanz eigener, abweichender Glaubensüberzeugungen. Aber auch bei Faix frage ich mich: Was, wenn eine Gemeinde mit den abweichenden Meinungen ein Problem hat und Druck ausübt. Gibt man deshalb den Glauben auf, oder ist es nicht auch eine Möglichkeit, eine Gemeinde zu suchen, die dem eigenen Glauben eher entspricht? Ist es nicht so, daß nur wenn man die Frömmigkeit der Gemeinde für die einzig gültige hält ein Bruch mit der Gemeinde auch ein Bruch mit Gott bedeutet? Ansonsten verläßt man die Gemeinde und bleibt Gott treu.

Und das wäre, falls ich richtig liege, auch ein Kritikpunkt in solchen Gemeinden: Da wird vielleicht nicht nur Gott verkündet, sondern die eigene Kultur, der eigene Zeitgeist. Und da hat Viktor dann auch Recht, wenn er nach Mentoren verlangt, die nicht die eigenen Ideologien verbreiten.

In den letzten Tagen kam ich über einen Artikel bei Lana Hope zu nem Artikel bei Laura Parker, in dem es um Mission und Kinder geht. Beide schreiben auf Englisch, also sind die Artikel womöglich nicht für alle lesbar. Es geht grob darum, wie Missionare in Südostasien (wo beide als Missionarinnen arbeiteten bzw. arbeiten) Essen und Schulunterricht als Gegenleistung für Predigthören etc anbieten. Vor allem die Kommentare bei Laura, wo ich ein wenig mitdiskutiert habe, brachten mir ein wenig mehr Einsicht.

Es war da zum Beispiel die Rede von Jugendprogrammen (diesmal in Amerika), die kurzfristige Erfolge brachten, aber auf lange Sicht kaum jemanden zum Glauben bringen konnten. Vor längerem, ich glaube auch bei Lana, laß ich von Gemeinden, wieder in Südostasien, die sprühten vor Aktivität, jede Menge neuer Gläubiger und alles, bis die Missionare gingen. Dann waren die Kirchen verlassen und die Gemeinden hörten auf, zu existieren.

Während der Diskussion bei Laura ging es mir erst darum zu sagen, daß man das Evangelium nicht verkaufen kann, also Brot für Evangelium hören wird kaum Gläubige machen. Dann kam auf einmal die Frage auf, ab wann man den Kindern denn von Jesus erzählen kann, die nach Brot fragen. Und in mir wuchs die Sicherheit, daß das der falsche Ansatz ist. Die Kinder werden von Jesus erfahren. Man kann ihnen auf Fragen antworten, aber eben keine vorgefertigten Vorlesungen zu Kreuz und Auferstehung, sondern eine einfache Antwort auf eine einfache Frage. Und in der Zwischenzeit, bis alle Fragen gestellt sind, hält man sich an das Liebesgebot: Die Hungrigen ernähren, die Nackten kleiden, solche Dinge.

Ansonsten wird man wahrscheinlich eher Konformität erzeugen, als echten, tiefgehenden Glauben. Die Menschen, egal ob Kinder in Südostasien oder Erwachsene hier, werden vielleicht so lange nach den Regeln der Gruppe handeln, wie sie davon Vorteile für sich erhoffen. Aber eben nicht, weil sie es als Wahrheit erkannt haben. Und sobald die Vorteile weg sind, werden sie auch aufhören mit der Konformität.

Konformität ist aber kein Glaube, sie ist oberflächlich, sieht wie Glaube aus. Vielleicht spricht man dann von „Entkehrung“, wenn ein Mensch der Gemeinde den Rücken kehrt. Weil er in dem Fall tatsächlich auch Gott den Rücken kehrt, jedenfalls dem Gott, der in der Gemeinde vermittelt wurde: Der, der Konformität.

Das bedeutet auch nicht, daß die in der Gemeinde tätigen Geschwister keinen echten Glauben hätten oder nicht ganz bei der Sache wären. Sie sind vielleicht zu sehr bei der Sache und vergessen, daß sie keinen Glauben erzeugen können, denn Glaube ist eine Gnade Gottes, die nur Gott gibt.

Was sie aber tun können, was wir alle tun können in den Gemeinden, ist Liebe üben. Nicht, um damit irgendwelche Taufzahlen zu erreichen, sondern weil die Liebe der Wahrheit entspricht, die Gott uns offenbart hat. Das geht dann in Richtung der Mentoren, die Viktor fordert, und es geht in Richtung des mündigen Glaubens, den Faix anmahnt. Und es macht ernst mit der Erkenntnis, daß alles in Gottes Hand liegt und wir keinen Menschen zum Glauben bringen können, sondern nur das, was unser Herr uns aufgetragen hat: Zu lieben. Die Geschwister, den Nächsten und auch den Feind.