Es gibt da ja immer wieder Vorbehalte von kirchlicher Seite. Eine Rolle spielen dabei etwa andersreligiöse Einflüsse beim Entstehen dieser Art der Bestattung, ein anderes Problem scheint mir eher organisatorischer Natur zu sein.

Was die andersreligiösen Einflüsse angeht meine ich, kann man damit recht locker umgehen. Theologen waren zu allen Zeiten reich an Phantasie und Kreativität. So konnten etwa Mythen wie der Gilgamesch Epos für die Bibel umgearbeitet werden, und heraus kam Noah. Wieso sollte es für uns ein Problem sein, mit einem Waldfriedhof umzugehen? Und so war auch die Stellungnahme der hiesigen Landeskirche dergestalt, daß es prinzipiell mit Waldfriedhöfen kein Problem gebe, daß aber die Möglichkeit bestehen sollte, Namen der Verstorbenen am fraglichen Baum anzubringen, bzw. der Friedhof auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Diese Kriterien dürfen nicht schwer zu erfüllen sein.

In der Stellungname wurde aber ein anderes Problem angesprochen. Welcher Pfarrer nimmt eigentlich eine Bestattung im Waldfriedhof vor? Noch verfügtnicht jede Gemeinde über einen solchen Friedhof. Die Popularität dieser Friedhöfe könnte durchaus dafür sorgen, daß die dortigen Gemeindepfarrer mit Anfragen zu Bestattungen überschüttet werden, und gar nicht mehr zu ihren restlichen Dienstverpflichtungen kommen. Andererseits dürfte es auch schwierig werden, dem Pfarrer am Wohnort des Verstorbenen beizubringen, daß er mal eben für ne Beerdigung 30 km ein Weg in die eine Richtung zum Waldfriedhof fahren soll, danach 30 km in die andere Richtung. Er hat ja auch ne Anwesenheitspflicht in seiner Gemeinde und ein Friedhof existiert dort normal auch, es gibt also keine Notwendigkeit, zu einem weit entfernten Waldfriedhof zu reisen, um dort zu beerdigen.

Andererseits gibt es natürlich auch gute Argumente für eine solche Bestattung, aus Sicht der Hinterbliebenen. Die Grabpflege entfällt, was in Zeiten hoher Mobilität in großes Plus ist. Trotzdem verfügt man über einen Ort, den man mit den Verstorbenen in Verbindung bringen kann. Man ist nicht – wie bei einer anonymen Bestattung – alleine zurück gelassen. Insofern entspricht ein Waldfriedhof durchaus dem heutigen Bedürfnis, sich nicht fest binden zu wollen aber trotzdem noch Möglichkeiten in der Hand zu haben.

Allein schon aus Marketinggründen wäre es für die Kirche nicht schlecht, eine Waldbestattung standardmäßig anbieten zu können. Außerdem – und das ist wichtiger – könnte sie dadurch auch einem Teil ihres Auftrages entsprechen, für die Menschen da zu sein.

Das Bedürfnis, unsere Toten „anständig“ zu bestatten, ein Grab zu haben, wo man sie besuchen kann, ist immer noch bei den Menschen vorhanden, und wird auch wohl nicht abnehmen.

Mir schwebt ein kirchlicher Waldfriedhof vor mit einem fest dort eingesetzten Pfarrer, der einerseits vor Ort ist und die Bestattungen besorgt, aber nicht auch wie der Gemeindepfarrer mit Seelsorge der Ortsgemeinde beschäftigt ist. Andererseits könnte dieser Pfarrer auch vor Ort am Friedhof ansprechbar sein für seelsorgerliche Probleme der Besucher, soweit er neben den Beerdigungen dazu die Zeit findet.

So könnte sich eine Chance ergeben für die Kirche, auf ganz neue Weise mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Die Hemmschwelle wäre vielleicht gar nicht so hoch, weil der Pfarrer nicht mit im Ort des Ratsuchenden wohnt, also fremd ist, und ein Gespräch recht anonym von Statten gehen kann. Natürlich kann so nur ein erster Kontakt entstehen, bevor ihn die Seelsorge überlastet wird der Friedhofspfarrer auf die Kollegen in den Gemeinden verweisen müssen.

Und ich sehe auch das Problem einer Beerdigungsindustrialisierung, in der persönliche Gestaltungen der Bestattung und der Trauerrede immer weniger berücksichtigt werden können, falls der Waldfriedhof populär werden sollte. Womöglich wäre ein zweiter Pfarrer nötig.

Trotzdem mutmaße ich, daß die Vorteile durchaus überwiegen könnten.

Comments

Comment by Interplanetar on 2012-11-04 06:31:55 +0100

Peschitta: Folge du mir und lass die „Stadt“ ihre Toten begraben. Matth 18:19.
neuerjohannesverlag.ch/13792.htm
Subsidaritätsprinzip Totenkult ist Predigerinteresse.
Staatsrechtlich sind „anonyme Autoren“ (UrhG § 66), fehlender „greifbarer“ Urheberpersönlichkeit (UrhG § 13) fehlende eigenhändige Namensunterschrift des Ausstellers. s. u. a. § 123, § 125, § 126 BGB, auch kein Auftraggeber.
Totenwürde gilt der Hygiene und den Angehörigen, nicht den Toten, die nichts davon haben.
Werbung (buhlen, balzen) ist keine Dienstleistung. Vorteilsausmalung eines Predigers, muss nicht allgemeinem Bedarf entsprechen. Wenn ich so weit bin, dann einer Predigt haben will, halte ich die selbst auf Video. Das ist doch persönlicher, wie irgendein Fremder der seine Imaginationonen, Fabulierungen, plätschert.

Comment by Wolfram on 2012-11-07 07:49:20 +0100

Oh, du hast den Troll also auch…

Ich bin skeptisch, was den Friedhofspfarrer angeht. Der hat den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als die einen zu beerdigen, die er nicht kennt, und andere eventuell zu betreuen, die dann wieder in ihre Stadt zurückfahren? Keine reizvolle Stelle, außer wenn man sonst wegen Depression dienstunfähig geschrieben würde.
Statt Grabpflege wäre es ja auch möglich, nach französischem bzw. allgemein südeuropäischem Vorbild große Steinplatten aufs Grab zu legen – da muß dann nichts gepflegt werden.

Comment by Bundesbedenkenträger on 2012-11-08 10:24:59 +0100

Oh, du hast den Troll also auch…

Ach, ich dachte, den hab ich alleine. Ich seh ihn jedoch nicht als Troll an, sondern als Dadaismuskünstler. Gibt dem Blog dann einen gehoben-kulturellen Anschein. Kunst ist, was man nicht versteht 😉

Der hat den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als die einen zu beerdigen, die er nicht kennt,

Natürlich kennt der Pfarrer im Idealfall die Leute, die er beerdigt. Im Praktikum in Pirmasens hab ich aber erlebt, daß das quasi gar nicht mehr der Fall ist. Da beschränken sich die Kontakte zwischen Pfarrer und Hinterbliebenen auf das Trauergespräch.

Freilich müßte derjenige, der den Job macht, das auch wollen. Ist sicherlich was ganz anderes als ein Gemeindepfarramt.

Was die Steinplatten angeht: Sicher die bessere Alternative. Aber ich denke von der anderen Seite aus. Ich nehme wahr, daß Friedwälder vermehrt gewollt werden, und daß Gemeindepfarrrer es nicht (immer) leisten können, längere Strecken dorthin für Beerdigungen zurückzulegen. Die Alternative zum Friedhofspfarrer wäre dann eben, daß ohne Pfarrer beerdigt wird. Es gibt ja auch freie Theologen und sonstige Dienstleister, die man buchen kann für solche Anlässe. Ich bin halt nur der Meinung, daß so die Bindung der Menschen zur Kirche wieder schrumpft. Angeblich bleiben viele ja in der Kirche, um anständig beerdigt zu werden. Wenn das dann wegfällt, fällt auch der Grund für die Kirchensteuer weg…

Comment by bonifatz on 2012-11-08 11:50:41 +0100

Ich finde die Idee mit dem Friedwaldpastor spannend! Zu Friedwäldern (bei dem Bild scheint es sich eher um einen Friedpark zu handeln) habe ich ein etwas gespaltenes Verhältnis. Einerseits weiß ich aus eigener Erfahrung, dass schon der Waldspaziergang, während dem man sich den Baum aussucht, eine sehr schöne Erfahrung sein kann. Und für kleine Kinder ist ein Waldspaziergang später vermutlich schöner als ein Gang auf den Friedhof. Ich zumindest kam mir als Kind immer ein bisschen deplaziert vor, wenn ich in den Ferien mal mit Oma und Opa zum Grab meiner Urgroßeltern gegangen bin und leiser sein sollte als sonst.
Auf der anderen Seite sehe ich aber auch die Schwierigkeit, dass es bislang zuwenig Friedwälder gibt, sodass nicht nur die Anfahrt für den Pastor, sondern auch für Familienangehörige recht weit sein kann. Ich frage mich deshalb, ob es nicht sinnvoller wäre, kirchlicherseits einfach für ein dichteres Netz von Friedwäldern zu sorgen, dann würde sich eine weite Anfahrt der Pastoren eben anders erledigen.

Comment by Wolfram on 2012-11-13 15:21:21 +0100

Auf drei Punkte möchte ich eingehen:
1° die Unbekannten. Es stimmt, ich kann an den Fingern einer Hand die Leute abzählen, die ich kannte, bevor ich sie beerdigte – und drei davon habe ich auch erst quasi auf dem Totenbett kennengelernt. Aber bei allen anderen Beerdigungen hat sich zumindest eine Begegnung mit den oder einigen engsten Angehörigen ergeben. Ich habe eine Trauerfeier geleitet, wo die Tote nachher nach Montbéliard überführt und dort beigesetzt wurde, und da war dann der Ortspfarrer auf dem Friedhof. Ich habe den Kollegen nicht beneidet: er hat eine 08/15-Beisetzung abhalten müssen, ohne weiteren Kontakt zur Familie, und das nur weil das Familiengrab sich dort befand, drei Autostunden von meinem Dienstort entfernt. Ein Friedwaldpfarrer hätte andauernd solche Lieferungen, ohne Vor- noch Nachgeschichte, weil die (wenn überhaupt) mit dem Gemeindepfarrer gelebt werden.
2° Warum werden Friedwälder gewollt, und was steht dahinter? Da stellt sich mir die Frage, wie weit die christliche Kirche sich synkretistisch geben kann, ohne ihr Zentrum zu verlieren. Denn nach christlichem Glauben leben Verstorbene eben nicht im Baum weiter, unter dem sie versch… äh, vergraben sind, sondern dort ruht eine sterbliche Hülle bzw. was davon übrig bleibt. Das ist auch meine Anfrage an den Kommentar von bonifatz. (Nebenbei, wenn man Kindern sagt, auf dem Friedhof sollen sie leise sein, wird man ihnen das in einem Friedwald nicht auch sagen? Ich habe gerade von den parkähnlichen Friedhöfen in Deutschland sehr schöne Spaziergangserinnerungen. In Frankreich wäre das nicht vorstellbar.)
3° Es gibt – wenn man das denn will – eine andere Alternative zu einem Pfarramt am Friedwald: das Ehrenamt. Je nach Konfession ist das „Laien“-Predigeramt mehr oder weniger ausgeprägt, aber prinzipiell spricht nichts dagegen, Menschen auszubilden und zum Predigeramt zu ordinieren, die dann von Zeit zu Zeit am Friedwald eine Beisetzung begleiten. Wobei natürlich das Problem unter 1° bestehen bleibt.

Comment by bundesbedenkentraeger on 2012-11-13 17:01:05 +0100

Lieber Wolfram,
danke für die Rückmeldung. Als Student hab ich ja nur sehr wenige Einblicke in die tatsächliche Praxis, aus dem Praktikum, und das waren ja nur ein paar Wochen. Bei mir in einer Stadt (naja, soweit man bei Pirmasens von „Stadt“ sprechen kann), und da hab ich nicht viel gesehen oder gehört von Begleitung am Sterbebett, daher bin ich darauf wohl auch nicht so sehr gekommen. Ich hatte tatsächlich vor Augen, daß der Kontakt mit den Hinterbliebenen erst beim Trauergespräch zu Stande kommt. Und da wäre es dann auch egal, wo der kontaktierte Pfarrer sein Büro hat…
Ich glaube nicht, daß besonders viele Menschen dem Glauben anhängen die Verstorbenen würden im Baum weiterleben. Es kommt ja auch keiner auf die Idee, sie würden im Grabstein oder Blumenschmuck weiterleben (keine Regel ohne Ausnahme). Der Vorteil des Friedwaldes gegen den „normalen“ Friedhof aus meiner Sicht: Niemand muß sich in Zeiten großer Mobilität ums Grab kümmern (daskönnteman auch mit ner Grabplatte erreichen) und man kann den Trauerort auch besuchen udnd as Ganze mit nem Spaziergang verbinden. Freilich kann man auch auf normalen Friedhöfen spazieren gehn, ich spreche aus Erfahrung, aber ich denke, viele Zeitgenossen kommen nicht auf die Idee. Durch nen Wald zu spazieren ist etwas anderes. Natürlich kann man wieder rückfragen, ob die Verbindung von Spaziergang und Grabbesuch angemessen ist.
Was die Friedwald-Ehrenämtler angeht: Ja. Das wäre vielleicht überhaupt eine Idee, auch für normale Firdhöfe. Die Pfarrer kennen nicht alle Leute im Dorf, aber die Einheimischen kennen schon mehr, und wenn sie entsprechend geschult werden, können sie auch Beerdigungen machen.

Comment by Wolfram on 2012-11-13 17:28:53 +0100

Nur um ein Mißverständnis zu vermeiden: tatsächlich lerne ich meist die Familien der Verstorbenen erst beim Trauergespräch kennen. Es ist aber eine Realität zumindest in den beiden Pfarrbezirken der ERF, die ich bisher innehatte bzw. -habe, daß die Familie einigen Wert drauf legt, dieses Gespräch mit „ihrem“ Pfarrer zu führen, auch wenn man ihn sonst nicht oft aufsuchen würde. Außerdem wird ja die Trauerfeier meist am (ehemaligen) Lebensort des Verstorbenen gehalten.
Und bei einer angenommenen Entfernung von 100km zum nächsten Friedwald, was ohne Autobahn an zwei Autostunden gehen kann, ist es quasi undenkbar, daß der Friedwaldpfarrer zwei Tage vor der eigentlichen Trauerfeier ein Trauergespräch durchführt und dann wiederkommt, um die Trauerfeier zu leiten. Das müßte dann doch der Ortspfarrer übernehmen… und damit sind wir beim Dilemma, daß der Friedwaldpfarrer nur noch die eigentliche Grabzeremonie durchführen würde, aber weder den Verstorbenen noch die Hinterbliebenen kennen würde – er wüßte nicht mal, wer Witwe ist, wer Tochter oder Sohn…

Comment by bonifatz on 2012-11-16 10:48:02 +0100

@Wolfram: Ich denke nicht, dass sich die Kirche dem Synkretismus automatisch verdächtig macht, nur weil sie Friedwälder betreut. Zwar kann man eventuell auf Vorstellungen der Angehörigen treffen, dass der Verstorbene irgendwie im Baum weiterlebt. Aber das könnte dir bei einem Baum, der auf einem Friedhof aufs Grab gepflanzt wird, ebenso passieren. Die Bestattung im Wald hat keinesfalls zwingend etwas mit Synkretismus zu tun.
So, wie ich Friedwälder bislang kennengelernt habe (mein Onkel ist Förster und betreut einen, dort wurde auch meine Oma beigesetzt), sind sie mir sehr sympatisch. Es ist ein richtiger Wald, nicht nur ein Park. Es wird sowenig wie möglich verändert. Am Baum wird eine Plakette mit dem Namen und Lebensdaten angebracht, auf Wunsch sind auch Kreuze auf dieser Plakette möglich. Es gibt also alle Möglichkeiten, den Ort als dezidiert christliche Begräbnisstätte zu kennzeichnen. Die Gefahr von Synkretismus ist deshalb dort nicht größer als auf klassischen Friedhöfen auch.

Was das mit der Ruhe angeht: Zumindest mein Opa hat sich im Friedwald am Grab meiner Oma und auf dem Weg dorthin viel entspannter verhalten als früher am Grab meiner Urgroßeltern. Es stellte sich zwar am Baum selbst Ruhe ein, aber auf dem Weg dorthin und zurück wurde mehr gelacht als auf einem „klassischen“ Friedhof.

Wie gesagt, das mit den Entfernungen zum Friedwald ist ein echtes Problem. Da sollte man aber vielleicht eher dran arbeiten, die Entfernungen zu verringern.