Schaffet Recht dem Armen und der Waise und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht. (Ps 82,3)
Heute ist Christi Himmelfahrt. Jesus verlässt die Jünger zum zweiten Mal, läßt sie zurück. Wo Er bisher selbst und direkt die Richtng vorgegeben hat, wo Er die Menschen heilte, zu ihnen ging, sich ihrer annahm, oder zumindest seine Jünger explizit dazu aussandte, sind sie jetzt ganz auf sich allein gestellt. Und da scheint das oben genannte Zitat wunderbar zu passen. Ein Auftrag, eine Maxime für die Zukunft: Kümmert Ech um diejenigen, die Hilfe benötigen.
Doch sieht man sich den ganzen Psalm an, wird schnell klar, daß es nicht die Menschen sind, die angesprochen werden:
„Ein Psalm Asafs.“ Gott steht in der Gottesgemeinde und ist Richter unter den Göttern.
»Wie lange wollt ihr unrecht richten und die Gottlosen vorziehen? „SELA“.
Schaffet Recht dem Armen und der Waise und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht.
Errettet den Geringen und Armen und erlöst ihn aus der Gewalt der Gottlosen.«
Sie lassen sich nichts sagen und sehen nichts ein, sie tappen dahin im Finstern. Darum wanken alle Grundfesten der Erde.
»Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten;
aber ihr werdet sterben wie Menschen und wie ein Tyrann zugrunde gehen.«
Gott, mache dich auf und richte die Erde; denn du bist Erbherr über alle Heiden!
Der Auftrag kommt zwar von Gott, aber er richtet sich nicht an die Menschen, er richtet sich an die Götter.
Und das ist doch zuerst einmal überraschend: Welche Götter sollen das sein? Gibt es denn überhaupt Götter außer Gott? Wir Christen (und mit uns die Juden und Muslime) sind hier sehr schnell dabei, ein klares Nein auszusprechen, oder um es mit den Worten des islamischen Glaubensbekenntnisses zu sagen:
La ilaha illa ‚llahu – Es gibt keinen Gott außer Gott
So war das aber nicht immer. Der Monotheismus hat sich – nach allem was wir heute wissen – im letzten Jahrtausend vor Christus entwickelt. Dabei spielte vor allem die Situation der Babylonischen Gefangenschaft eine Rolle, und die Konfrontation der Hebräer mit all den babylonischen Göttern. Über den Monotheisms gelang es, am angestammten Gott – JHWH – festhalten zu können, trotz der militärischen Niederlage. Wo sonst der militärische Erfolg eines Volkes über das andere auch die gößere Macht des Nationalgottes bedeutete, hielt man hier trotz Niederlage an JHWH fest und deutete neu:
Nicht die Machtlosigkeit JHWHs ist schuld an der Niederlage, sondern die Verfehlungen des Volkes. JHWH wurde vom Judäischen Nationalgott zum Herrn über die ganze Welt. Zu dieser Zeit entstanden auch die Schöpfungsgeschichten der Bibel. Gleichzeitig wurden alle anderen Götter depotenziert, bis sie bei Deuterojesaja auf bloße Bilder reduziert waren.
Bei diesen und ähnlichen Texten akm es dazu, daß man ein anderes Verständnis von Gott gewann. Vom Nationalgott – wie es viele gab – kam man zum Schöpfergott, der allmählich alle anderen Götter verdrängte.
Unser Text scheint ebenfalls aus dieser Zeit zu kommen. Gott ist hier schon Richter unter den Göttern, steht also über ihnen. Er fordert sie, die anderen Götter auf, sich um die Armen und Schachen, die Bedürftigen zu kümmern. Schließlich kommt er aber zu dem Schluß, daß sie sich nichts sagen lassen, im Finstern tappen und zu Grunde gehen werden. Und so ist es ja auch geschehen. Man findet heute keine Anhänger Marduks mehr. Auch Aschera und Astarte sind as der Mode gekommen.
Aber was hat uns das heute noch zu sagen? Ein Text, der als Polemik gegen längst verschwundene Götter afgeschrieben wurde und sich bis heute erhalten hat?
Worauf du nun, sage ich, dein Herz hängst und verläßt, das ist eigentlich dein Gott.
So schreibt Luther im Großen Katechismus zur Auslegung des ersten Gebots. nd plötzlich wird das Ganze wieder toppaktuell. Die Götter heute heißen nicht mehr Marduk, Aschera oder Yam, sie heißen Fußball, Geld, und Eigenheim, Familie, Kabrio und Sommerurlaub, meinetwegen auch Fairness, Humanismus, Menschenrechte.
All diese Maximen können nach Luther als Gott aufgefasst werden. Je nachdem, ob man sein Herz daran hängt, oder eben nicht. Und ob sie den Armen Recht schaffen und die Elenden befreien ist auch heute Kriterium dafür, ob sie bleiben werden.
Jesus ist in den Himmel aufgefahren und schickte 10 Tage später den Heiligen Geist auf die Gemeinde herab. Wir sind nicht allein, nicht ganz auf uns gestellt, aber ein Stück weit. Wir müssen entscheiden, immer wieder neu, woran wir unser Herz hängen, an was wir uns ausrichten.
Sind unsere Maximen, ob sie nun Fußball, Menschenrechte oder Kabrio heißen mögen, derartig, daß sie Armen, Waisen und Entrechteten zu Gute kommen, dann sind sie in dem Fall identisch mit Gott, dann werden sie in dem Bereich bleiben. So können sich etwa viele Menschen, auch Arme und Entrechtete (aber nicht nur) über den Aufstiegihres Fußballvereins freuen. Hier würde ich vermuten, daß das Ewige und Göttliche bei der Sache in der Freude liegt, und nicht in der Sportart, die die Freude verursacht.
Ebenso können Fußball, Menschenrechte und Eigenheim aber auch negativ sein, die Armen weiterhin marginalisieren, wenn etwa die Europäische Menschenrechtskonvention die sozialen Menschenrechte ausblendet.
Es geht hier gar nicht um die Details, was gut ist und was schlecht, ob Kabrio besser oder schlechter ist als Humanismus, ob beides zusammen geht und dergleichen mehr. Das mß jeder für sich entscheiden.
Was bleibt ist jedoch die Anforderung, daß die Ärmsten nd Eledesten nicht marginalisiert werden, sondern ebenfalls versorgt sind. Ist dies der Fall, so folgt man der Anweisung Gottes, so hängt man sein Herz an Sein Gebot, ob es nun als Menschenrecht ausformuliert ist oder in anderer Weise. Marginalisiert man die Menschen weiter, und dabei ist es egal auf welche Weise, hängt man sein Herz an einen Götzen, der verschwinden wird, ob dieser Götze nun Marduk, Hedonismus oder Bibel heißt.
Laßt uns hoffen und beten, den richtigen Weg zu finden, die Götzen links liegen zu lassen und uns vorbehaltlos um die Bedürftigen zu kümmern.
Amen.