Das „Freiheitslied“, das Marley hier singt, heißt „Redemption Song“, also Erlösungs-Lied, und ich finde es wahnsinnig stark. Stark erst mal im 70er Jahre Stil, also gut, cool, groovy, oder wie man heute sagt…

Aber auch stark in seiner Aussage, zumindest soweit ich eine Aussage da raus kriege. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, daß Marley zwar als Christ aufgewachsen ist und auch kurz vor seinem Tod wieder in eine Kirche eintrat, aber dazwischen eben Rastafari war, also Anhänger jener Religion, die in Kaiser Haile Selassie I (bzw. Ras Tafari Makonnen) den wiedergekommenen Messias sieht (im Video kann man ein Bild von ihm hinten an der Wand erkennen). Ich hab jetzt nicht besonders viel Ahnung von Rastafari, aber meine das im Wikipedia Artikel enthaltene schon anderswo gelesen zu haben, daß die Rastafari die Bibel benutzen, im westlichen System „Babylon“ erkennen, man könnte auch sagen „das Böse schlechthin“ und ihren Gott „Jah“ nennen, was nicht zufällig an Jahwe erinnert.

Man könnte sich jetzt überlegen, ob man Rastafari als jamaikanische Befreiungstheologie auffassen will, aber darum soll es in diesem Artikel nicht gehen und außerdem müssen wir Christen nicht alles vereinnahmen.

Mir geht es um das Lied, das – trotz Marleys anderen Glaubens – ganz gut auch für Christen als spirituelles Lied annehmbar ist.

Ein kleines Problem kann der Slang des Liedes sein, bei der Übersetzung mß ich ein Stück weit auch einfach mutmaßen:

Old pirates, yes, they rob I
Sold I to the merchant ships
Minutes after they took I
From the bottomless pit

Alte Piraten, ja sie rauben mich
verkauften mich an die Handelsschiffe
Minuten nachdem sie mich
aus dem Faß ohne Boden genommen haben

Die Situation ist nicht besonders positiv: Vom Verkauf, vom Menschenhandel ist die Rede. Die eigene Person, ein Handelsobjekt, jeder Würde entraubt.
Der Käufer? Kein spezieller. Kein besonderes Handelsschiff, sondern einfach „die Handelsschiffe“. Sozusagen ein Gattungsbegriff, so wie „die Banken“, „die Kapitalisten“…

Aber auch die vorausgehende Situation wird nicht positiv dargestellt. Die „Piraten“ entführen nicht aus einem glücklichen Leben, sondern aus einem Faß ohne Boden. Was das zu bedeuten hat, wird nicht ganz klar, aber positiv ist es wohl nicht zu deuten.

But my hand was made strong
By the hand of the almighty
We forward in this generation
Triumphantly

Aber meine Hand wurde stark gemacht
durch die Hand des Allmächtigen
wir gehen voran in dieser Generation
triumphierend

Es kommt das große Aber. Verkauft, ein Sklave, Herkunft unklar, kein Grund zur Hoffnung, doch dann: Der Allmächtige, also Jah(we) hat die Hand gestärkt. Die Hand, die kann für Handlungsmacht stehen. Trotz der miserablen Lage eine starke Hand, eine Möglichkeit, zu handeln, nicht ausgeliefert zu sein. Und nicht das: Er spricht vom trimphierenden Vorangehen, läßt Hoffnung keimen.

Won’t you help to sing
These songs of freedom?
‚Cause all I ever have
Redemption songs
Redemption songs

Willst Du mir nicht singen helfen?
Diese Lieder der Freiheit
Denn alles, was ich je habe:
Lieder der Erlösung
Lieder der Erlösung

Es scheint, nicht die Hand selbst ist stark, sondern die Stimme. Alles, was er hat, das ist nicht eine Machete oder Kalashnikov, um sich gegen die Unterdrücker durchzusetzen, sondern lediglich ein paar Lieder, die er Erlösungslieder nennt. Und er bittet, beim Singen zu helfen. Soll das der oben genannte „Triumph“ sein? Lieder singen im Angesicht des Unglücks dn sich vormachen, man sei stark, würde trimphieren durch ein paar „Erlösungslieder“?

Emancipate yourselves from mental slavery
None but ourselves can free our minds
Have no fear for atomic energy
‚Cause none of them can stop the time

Emanzipiere Dich von der mentalen Unterdrückung
Niemand außer wir selbst kann unseren Geist befreien!
Hab keine Angst vor der Atomenergie
denn keiner von denen kann die Zeit aufhalten

Die Reaktion. Wieso so abfällig vom Singen der Erlösungslieder reden? Was soll das? Emanzipiere Dich von der Unterdrückung, befreie Deinen Geist! Die Unterdrückung, so scheint es, liegt nicht in der Versklavung, nicht in den Handelsschiffen. Das bodenlose Faß vorher war ja auch nicht ohne. Nein. Die Versklavung liegt im eigenen Geist, im eigenen Denken. Du kannst tausendmal Deine Freiheit erkämpft haben mit Macheten und Gewehren, und trotzdem gefangen sein. Gefangen in den Ängsten, nicht nur Angst vor der Sklaverei, aber vor allen möglichen Unwägbarkeiten im Leben, vor denen Du Dich absichern möchtest, im Zweifel durch Gewalt, durch die Mittel Babylons. Hab keine Angst, nicht mal vor der Atomenergie mit ihren Gefahren, gegen die es kaum einen Schutz gibt. Keiner von denen, die Dir Angst machen, kann die Zeit aufhalten! Und die Zeit arbeitet für uns.

How long shall they kill our prophets
While we stand aside and look? Ooh
Some say it’s just a part of it
We’ve got to fullfil the book

Wie lange sollen sie unsere Propheten ermorden
während wir nr daneben stehn und zugucken?
Einige sagen, es sei nur ein Teil dessen
Wir müssen die Schrift erfüllen

Was soll das „befrei Deinen Geist“ bringen? Wie lange sollen wir denn noch zusehen wie sie unsere Anführer umbringen? Da muß man doch handeln! – Ja, mag sein, doch einige sagen, die Ermordung der Propheten gehört dazu, wir müssen die Schrift erfüllen. Aber

Won’t you help to sing
These songs of freedom?
‚Cause all I ever have
Redemption songs
Redemption songs

Willst Du mir nicht singen helfen?
Diese Lieder der Freiheit
Denn alles, was ich je habe:
Lieder der Erlösung
Lieder der Erlösung

Willst Du mir nicht beim Singen helfen? Wenn die Prophetenermordet werden, ist es nicht wichtiger ihre Botschaft weiter zu tragen, statt sich mit Gewalt an ihren Mördern zu rächen? Alles, was wir je haben, sind Erlösungslieder. Lieder der Freiheit.

Befreie Dich von Deiner geistigen Versklavtheit, keiner außer uns kann unsere Geiste befreien. Fürchte Dich nicht vor Atomkraft, denn von denen kann keiner die Zeit anhalten! Wie lange sie noch nsere Propheten ermorden sollen? Nun, einige sagen, das muß geschehen, aber hilf Du mir doch, diese Freiheitslieder zu singen, die Erlösungslieder.