Jetzt wird es langsam zur schlechten Gewohnheit, aber ich hab nochmal ein Video ausm Umfeld der Salafisten, ein weiterer Vogel.

In dem Video geht es eigentlich um die Theodizee-Frage, aber darauf will ich hier nicht eingehen, das hab ich andernorts schon getan (und vor kurzem auch Don Ralfo mit nem echt guten Artikel). Mir geht es um eine kleine Äußerung Vogels etwa von 1:00 bis 1:17:

Es geht um den Tsunami, dann wird gesagt, Gott hätte den nicht gewollt, sondern Satan, Vogel stellt fest, daß der Tsmani aber geschehen ist und man ergo Satan anbeten müßte, wenn dies stimmte.

Wieder so ne Sache, die ich nicht ganz nachvollziehen kann. Soll Gott, oder, arabisch ausgedrückt, Allah, nur deshalb angebetet werden, weil Er mächtiger ist als alle anderen?

Ich stimme sicherlich darin mit Vogel überein, daß keiner mächtiger ist als Gott, doch würde dieser Fakt allein vielleicht höchstens zu einem Kuschen vor Gott führen. Nehmen wir an, alles außer der Macht wäre egal, so wie Vogel das ausdrückt, und nehmen wir an, Satan wäre am Mächtigsten. Also derjenige, der nicht Gutes will, sondern Böses.

Würde ich den anbeten? Eher nicht, ich würde zusehen, daß ich mich nicht mehr mit ihm abgebe, als unbedingt nötig. Wahrscheinlich würde ich zum Atheisten werden und seine Existenz negieren, mein eigenes Leben leben, soweit möglich.

Unter diesen Voraussetzungen ist es geradezu widersinnig auch nur daran zu denken, daß so etwas wie Gottesliebe, also Liebe zu Gott, möglich wäre. Liebe ich jemanden, nur weil er mächtig ist? Klares Nein! Bete ich zu Gott, weil Er mächtig ist? Nein, ich bete zu Ihm, weil ich weiß, daß Er mich liebt, daß Er für mich da ist (und nicht ich für Ihn).

Falls Vogel sich hier nicht versprochen hat (und als der rhetorische Profi, der er ist, tut er das wohl eher nicht), spricht aus dieser Aussage eine tiefe Trostlosigkeit. Es spricht daraus die Gefangenschaft in bloßer Knechtschaft. Man hat halt demjenigen zu folgen, der die Macht hat, und wenn es der Satan wäre!

Das stimmt einen traurig. Aus dieser Perspektive erscheinen plötzlich alle Beteuerungen der Barmherzigkeit Gottes, der Gerechtigkeit, der Liebe zum Menschen, die es ja auch im Islam gibt, als wenig glaubwürdig, eher als Versuch, seine Knechtschaft in einem guten Licht erscheinen zu lassen, entweder um Bestrafung zu vermeiden, oder um sich seine Situation schönzureden.

Ich vermute, daß die Mehrheit der Muslime hier ganz anders tickt als Vogel. Ich hoffe es inständig. Aber vielleicht liest ja hier auch ein Muslim mit und kann das klären.

Comments

Comment by Muriel on 2012-04-20 08:06:52 +0100

Moment. Lese ich richtig? Hast du da oben geschrieben, dass du an einen Gott, der dir nicht gefällt, nicht glauben würdest, auch wenn er existierte?

Wahrscheinlich würde ich zum Atheisten werden und seine Existenz negieren

Oder wie meinst du das?

Was ich auch nicht verstehe: Warum betest du deinen Gott denn nun an? Du schreibst, weil er dich liebt, und für dich da ist. Betest du generell Leute an, auf die das zutrifft, oder müssen noch weitere Merkmale dazukommen?
Das würde mich wirklich interessieren, weil fast noch mehr als die Grundfrage, ob der jeweilige Gott überhaupt existiert, mich bei Theisten generell völlig verwirrt, wie sie mit dieser Figur umgehen.

Comment by bundesbedenkentraeger on 2012-04-20 11:13:08 +0100

dass du an einen Gott, der dir nicht gefällt

Das mit dem „Gefallen“ ist Deine Deutung. Mir geht es vielmehr darum, wie dieser Gott zu mir steht. Es geht auch weniger um „glauben“ als vielmehr um „anbeten“. Wieso sollte ich einen Satan anbeten, von dem ich überzeugt bin, daß er nur mein Schlechtestes will? Auch wenn ich von seiner Existenz überzeugt wäre. Das sind ja zwei Paar Schuhe.
Viele Atheisten, so ist mein Eindruck, betonen ja gerade auch, daß sie sich keinem Gott unterwerfen wollten. Ich nehme an, dabei geht es vor allem darum, daß sie Angst vor diesem Gott haben, daß er es nicht gut mit ihnen meint. So ähnlich geht es mir, nur daß ich von der Güte Gottes überzeugt bin. Wäre ich das nicht, wäre ich dagegen von der Bosheit überzeugt (wie es eben bei einem mit „Satan“ bezeichneten übernatürlichen Akteur allgemein angenommen wird), sehe ich keinen Grund, auch noch gute Mine zum bösen Spiel zu machen.

Warum betest du deinen Gott denn nun an?

Aus dem gleichen Grund, aus dem ich bestimmte Musiker verehre, die ich toll finde. Ich find Ihn einfach großartig.

Betest du generell Leute an, auf die das zutrifft, oder müssen noch weitere Merkmale dazukommen?

Ich glaube wir sollten erst einmal klären, was genau Du unter „anbeten“ verstehst. Womöglich gegehn wir von verschiedenem aus. Wenn ich ZU Gott bete, dann danke ich Ihm für etwas, oder bitte um etwas. Das unterscheidet sich nciht davon, was ich Menschen gegenüber tue, mit denen ich gut stehe. Auch da bitte ich um Hilfe oder danke für dieselbe.

Comment by Muriel on 2012-04-20 11:29:35 +0100

Es geht auch weniger um “glauben” als vielmehr um “anbeten”.

Mit deiner Bemerkung, du würdest „zum Atheisten werden“ meinst du also nur, dass du ihn nicht anbeten würdest? Das ist dann aber was anderes als Atheismus.
Du hast doch sogar noch ausdrücklich dazu geschrieben, du würdest seine Existenz negieren. War das nur flapsig formuliert? Für mich klang das so, als würdest du nicht an ein übernatürliches Wesen glauben wollen, das du als böse beurteilst.

Das unterscheidet sich nciht davon, was ich Menschen gegenüber tue, mit denen ich gut stehe.

Alles klar, verstanden.

Comment by bundesbedenkentraeger on 2012-04-20 11:39:13 +0100

Das ist dann aber was anderes als Atheismus.

Stimmt, hier bin ich vielleicht etwas unklar in der Terminologie. Jedoch würde ich, da ich einen solchen „Gott“ nicht als solchen anerkennen würde, sondern höchstens als böse Macht, böses Schicksal, Unglück, doch wieder zum Atheisten werden. Das „Atheist werden“ wär womöglich ne psychologische Sache: Ich würde dat Janze halt womöglich verdrängen.

nicht an ein übernatürliches Wesen glauben wollen

Der Knackpunkt liegt in dem „Wollen“. Ich will’s nicht, ich verdräng’s, ich bin das Problem weitgehend los (naja, so halbwegs). Aber zum Glück muß ich ja nichts verdrängen, weil Gott gut ist und mächtiger als jeder Satan. 😉
Mein Punkt ist nur: Vogel verehrt Gott aus den falschen Gründen. Er scheint durch Angst motiviert zu sein, es sich nicht mit Ihm zu verderben. Ich bin durch Zuneigung motiviert, mich Ihm zuzuwenden.

Comment by Muriel on 2012-04-20 11:46:12 +0100

Ich verstehe schon, was dein Punkt ist, mich interessierte aber das andere mehr. Du hast mich aber jetzt schon wieder verwirrt. Einerseits schreibst du, du würdest das Wesen nur keinen Gott nennen wollen, wogegen ich keine besonders ernsthaften Einwände hätte, aber andererseits schreibst du dann doch wieder, würdest gar nicht an das Wesen glauben wollen und es verdrängen, um das Problem halbwegs los zu sein.
Wie denn nun?
(Und geht dir das generell so, dass du nicht an Dinge glauben willst, die du als böse beurteilst?)

Comment by bundesbedenkentraeger on 2012-04-20 11:56:14 +0100

Was genau passieren würde, weiß ich nicht, da ich noch nicht in der Situation war und ach nie in sie kommen werde. Das voraus.
Ich habe dabei vage zwei Möglichkeiten angedeutet, vor allem im Artikel nicht klar benannt. Weil das eben nicht mein Punkt war. Der Punkt war, daß die Macht Gottes nicht der Grund ist, Ihn anzbeten, zu verehren, Ihn toll zu finden. Ich verehre/finde toll zum Beispiel Leute wie die Scholls im zweiten Weltkrieg, die zu ihrem Gewissen standen, trotz ihrer letztendlichen Ohnmacht dem System gegenüber.
Während also Vogel, wie ich ihn verstehe, sich an den Mächtigsten hält, würde ich wohl, wenn der Falsche am Mächtigsten wäre, einfach nur nach nem Ausweg suchen, wie auch immer der konkret aussähe.

dass du nicht an Dinge glauben willst, die du als böse beurteilst?

Wenn Du damit meinst, ob ich die Schoah leugne, weil sie so schlimm war: Nein! Definitiv nicht. In dem Fall würdest Du „glauben an“ im Sinne von „für wahr halten“ und „glauben an“ im Sinne von „vertrauen auf“ verwechseln. Ich vertraue dem Bösen nicht, welche Form es auch immer annimt. Das würde ich bejahen. Aber ich halte deshalb böse Ereignisse nicht für inexistent. Ich negiere höchstens eine dahinter stehende böse Macht, wahrscheinlich schon aus psychologischen Gründen, um diese Macht eben zu ent-machten.
Jetzt klarer?

Comment by Muriel on 2012-04-20 12:04:52 +0100

Ein bisschen.
Danke.