Dieser Text bezieht sich auf Gen 18, 1-15
Bis zur Szene in Mamre ist ein langer Anlauf nötig. Am Ende des Anlaufs stellt sich die Szene in Mamre dann so dar: Abraham ist im Hain des Amoriters Mamre sesshaft geworden und mit ihm, Eschkol und Aner einen Bund eingegangen. Er ist schon so fest mit dem Hain Mamre verbunden, dass er als „Hebräer, der im Hain Mamres wohnt“ bezeichnet wird (Vgl. Gen 14, 13). Er verfügt schon über Wohlstand, wie aus Gen 14, 14 hervorgeht. Man darf wohl davon ausgehen, dass sich die Situation noch verbessert haben wird. Auch das Problem eines eigenen Erben ist gelöst – trotz Streitigkeiten zwischen Sara und Hagar wurde Abraham mit 86 Jahren Vater von Ismael. Doch in Gen 17, 15 ff dann die Ankündigung: Nicht Ismael soll der sein, mit dem Gott den Bund, den er mit Abraham schloss, fortführt. Sara, die schon in Kapitel 11 als unfruchtbar vorgestellt wird und von deren Unfruchtbarkeit jetzt schon aufgrund ihres Alters auszugehen ist, soll Mutter werden. Ismael soll es wohl ergehen, doch Bundespartner soll der leibliche Sohn Abrahams und Saras werden. Vor dieser Situation steht Abraham, als ihn in Gen 18 die drei Fremden begegnen.
Die Mittagszeit ist eine ungewöhnliche Zeit, um unterwegs zu sein. Damit auch ja nicht übersehen wird, wie ungewöhnlich das Auftauchen der Fremden ist, wird noch erwähnt, dass sie ausgerechnet zu der Zeit unterwegs sind, als es am heißesten ist. Abraham bietet den drei Fremden mehr als nur eine kurze Rast im Schatten an. Die Fußwaschung ist Zeichen dafür, dass er sie zu einem längeren Aufenthalt einlädt (vgl. Bedeutung der Fußwaschung). Die Vorbereitungen Abrahams für ein Essen überraschen daher nicht mehr. Dass es sich um drei Gäste handelt, mag seine Ursache in der Bedeutung der Zahl drei für Geschichten generell haben. Von dieser schon im Orient bekannten Zahlensym-bolik leben auch heutige Märchen, wenn z.B. nacheinander drei Söhne aufbrechen, um eine Aufgabe zu erfüllen und erst der dritte Erfolg hat. Führt man sich diese Bedeutung der Zahl drei vor Augen, ist klar, dass hier von Anfang an alles auf ein gutes Ende eingestellt wird: Abraham verhält sich freundlich und die Zahl der Gäste stimmt auch.
In das ruhige, geordnete Leben Abrahams und Saras treten also drei Männer – und mit der Ruhe ist es schlagartig vorbei. Nicht nur, dass in aller Eile ein Gastmahl vorbereitet wird und Abraham – meiner Meinung nach – ziemlich hektisch hin und her eilt. Kaum ist er äußerlich zur Ruhe gekommen und sitzt wieder bei seinen Gästen, werfen diese seine Zu-kunftspläne durcheinander und einer wiederholt bereits Verkündetes: Sara wird binnen einen Jahres einen Sohn gebären. Die Worte sind an Abraham gerichtet, doch Sara hört sie im Zelt – und denkt sich ihren Teil. Sie, die alte Frau, die schon in jüngeren jahren unfruchtbar war, soll mit ihrem noch älteren Mann einen Sohn zeugen und gebären? Nein, das geht nicht, das sprengt ihre Vorstellungskraft. Sie lacht – doch ich habe Zweifel daran, dass es sich um ein fröhliches Lachen handelt.
Für sie muss diese Aussage wie blanker Hohn klingen, der wieder einmal Salz in die Wunde streut, dass sie kein Kind hat. Und doch stellt sie die Frage: „Meinst du, dass es wahr sei, dass ich noch gebären werde, die ich alt bin?“ Aus der griechischen Übersetzung geht hervor, dass es sich dabei um ein Selbstgespräch handelt, vielleicht eine an Gott gerichtete Frage. Gott wiederum antwortet über Umwege – er leitet Saras Frage an Abraham weiter (Gen 18, 13) – und fragt ihn gleich noch, warum Sara gelacht habe. Kein Wunder, dass Sara erschrickt und abstreitet, gelacht zu haben. Dabei befindet sie sich mit Fragen und Lachen in der Gesellschaft Abrahams wieder. Auch er hat über Gottes Ankündigung gelacht und gefragt, wie das denn möglich sein soll (Gen 17, 17). Wenn also jemand für Saras Lachen und Fragen vollstes Verständnis haben müsste, dann doch Abraham. Doch ihr Schreck rührte wohl eher von der Frage her, die Gott stellt: Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? In diesem Moment wird deutlich: Sara hat hier nicht Gott ein Frage gestellt. Gott Fragen stellen ist kein Problem, von Fragen an Gott berichtet die Abrahamsgeschichte mehrfach. Doch Sara hat hier – wie schon zuvor übrigens Abraham – die Macht Gottes, sein Wort und damit ihn selbst in Frage gestellt. Genau das wird ihr vermutlich bewusst, als sie die Frage hört: Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Da vergeht ihr das Lachen so gründlich, dass sie leugnet, überhaupt gelacht zu haben. Eine größere Distanzierung zur Tat, als zu leugnen, sie begangen zu haben, ist kaum denkbar. Nur noch die Bitte um Vergebung könnte eine größere Distanzierung von der Tat sein. Doch die Bitte um Vergebung bleibt aus. Die Tat bleibt im Raum stehen: Es ist nicht so, du hast gelacht. Doch trotz der Schuld hält Gott an dem Gesagten fest.
Die Fremden, Gott selbst, haben wieder Bewegung in das Leben von Sara und Abraham gebracht. Abraham begleitet die Männer am nächsten Tag – mit seiner Sesshaftigkeit ist es erstmal vorbei. Ihm und Sara ist ein gemeinsamer Sohn verheißen. Wo Gott spricht, geraten Dinge in Bewegung, die festgefügt scheinen. Alle sachlich durchaus begründeten Zweifel ändern nichts an der Dynamik des Wortes Gottes.