Irgendwann vor langer, langer Zeit, haben die Menschen angefangen, sich niederzulassen und nicht mehr als Nomaden umherzuziehen. Mit der Zeit kam es dann dazu, daß die technische Entwicklung so weit gedieh, daß nicht mehr jeder alles tat, sondern sich Berufe herausbildeten. Einige bebauten die Felder und sorgten für die Nahrung, andere stellten die Werkzuge dafür her und so weiter und so weiter.

Diese Arbeitsteilung hat sich über Jahrtausende bewährt, es konnten immer weitere Fortschritte erzielt werden, weil nicht mehr jeder Mensch alles überblicken können mußte. Andererseits hat diese Arbeitsteilung jedoch auch eine negative Seite, wenn man es so nennen will. Man ist darauf angewiesen, dem anderen zu vertrauen. Wenn ich mein Auto nicht selbst reparieren kann, dann muß ich darauf vertrauen, daß ich in der Werkstatt nicht über den Tisch gezogen werde. Gleiches gilt natürlich in entsprechender Form auch für andere Betriebe, so muß man auch seinem Bankkaufmann vertrauen können oder seinem Versicherungskafmann.

Besteht dieses Vertrauen jedoch, dann erleichtert dies den Alltag nachhaltig. Tritt ein Problem auf in einem Feld, in dem man sich nicht auskennt, ruft man den entsprechenden Fachmann des Vertrauens an, und der kümmert sich dann drum – gegen eine kleine Gebühr.

Mir kam vor kurzem der Gedanke, ob diese Lebenshaltung mit dafür verantwortlich sein könnte, daß etwa ale Menschen oder Menschen mit Behinderung oftmals in Einrichtungen gegeben werden, die sich mit sowas auskennen.

Ich meine das in keinem Fall negativ, jedenfalls will ich niemandem einen Vorwurf machen. Ich frage lediglich nach dem Ursprung nd den Bedingungen der Tat. Man hat selbst jede Menge zu tun, um etwa seinen Lebensunterhalt zu verdienen, oder man hat aus anderen Gründen einfach die Zeit nicht, oder auch nicht den Raum, um die gebrechlich gewordenen Eltern aufzunehmen. Unter Umständen wollen diese dies auch gar nicht. Trotzdem meine ich, daß dahinter die Arbeitsteilung steckt. Es gibt Menschen, die in der Pflege tätig sind, die sich auskennen, und das übernehmen können.

In letzter Zeit scheint es mir allerdings einen gegenläufigen Trend zu geben: Das Ideal lautet wieder, überall mitreden zu können. Zuerst fallen mir da die Forderungen nach mehr direkter Demokratie ein, in der die Bürger nicht nur alle 4 Jahre ein Kreuz beim Politiker ihres Vertrauens machen (oder bei dem des geringsten Mißtrauens), sondern auch während der Legislaturperide in den Gesetzgebungsprozess eingreifen und entscheiden können.

Ein ganz anderer Ort sind etwa die neuen Medien. Geschlossene Betriebssysteme werden abgelehnt (wenn auch noch nciht von einer Mehrheit), das Ideal ist das offene Betriebssystem, bei dem ich theoretisch alles selbst einstellen kann (wenn ich das Wissen und die Zeit dazu habe).

Es ist nur ein persönlicher Eindruck, und auch wenn dies nicht auf alle Gebiete übertragbar ist, dann habe ich doch den Eindruck, daß die Idealvorstellung des Menschen weg vom arbeitsteilig schaffenden Menschen, der den jeweiligen Fachleuten (oder wenigstens einigen davon) vertraut, hin zum Alleskönner (oder Alleskönnensoller?) geht.

Auch in Punkto Umgang mit Behinderung ist das Ideal heute die Inklusion. Zum Glück! Und hoffentlich setzt sich dieses Ideal bald flächendeckend durch! Doch auch hier: Nicht mehr die Einrichtung kümmert sich um diese Menschen, sondern sie sollen wieder mitten in der Gesellschaft sein, wie alle anderen auch, denn behindert ist man nicht, behindert wird man. Und besondere Einschränkungen und Fähigkeiten hat jeder.

Ich denke, diese ganze Sache hat viel mit gesellschaftlichem Zusammenhalt zu tun. Wo es Beziehungen zwischen den Menschen gibt, die Vertrauen schaffen, kann man sein Auto dem Mechaniker anvertrauen, und muß nicht selbst reparieren. Wo diese Beziehungen nicht mehr existieren, wird es schwierig. Der Alleskönner wird gefragt.

Dies ermöglicht dann wieder neue Beziehungen, etwa wenn Menschen mit bestimmten Beeinträchigungen (vlgo: Behinderte) wieder Teil der Gesellschaft sein können. Oder wenn sich Linux-User zum Stammtisch treffen.

Das Mißtrauen hat zugeschlagen, mir scheint, wir befinden uns in einem gesellschaftlichen Umstrukturierungsprozess. Noch wurden nicht alle, denen mißtraut wird, zu Fall gebracht. Es ist auch offen, ob dies geschehen wird, oder ob diejenigen Gesellschaftsgruppen sich wie auch immer wieder Vertrauen erwerben.

Gleichzeitig bilden sich neue Vertrauensverhältnisse, die dann wieder zu einer gewinnbringenden Arbeitsteilung führen können. So entwickelt sich Gesellschaft fort. Fördern kann man das, indem man Beziehungen stiftet und ermöglicht, über alte Gräben hinweg. Hindern kann man den Fortschritt, indem man Beziehungen verunmöglicht oder jedenfalls nachhaltig erschwert, indem man andere Ziele im Leben propagiert (egal, wie gut und edel diese sein mögen).