Als ich den letzten Artikel schrieb und bei Wikipedia nach der Zahl der Wahlberechtigten suchte, fiel mir diese Grafik auf und ich fragte mich:
Wieso haben die Kurven alle diese und genau diese Form? Wieso steigt der Steuersatz bei kleinen und mittleren Einkommen stark und flacht sich bei hohen Einkommen ab?
Ist dadurch nicht schon qua Steuersystem der soziale Aufstieg erschwert, die Vermögensakkumulation in den höheren Ebenen aber erleichtert? Und vor allem: Wollen wir das?
Mal angenommen, wir wollen das nicht. Angenommen, wir wollen, daß die Menschen es anfangs leichter haben und mit steigendem Einkommen immer schwerer, noch zusätzliche Gewinne zu machen, was wäre die Folge?
Sicher würde irgendwo einer krakeelen: Leistung muß sich aber lohnen.
Soll sie auch, ich bin durchaus dafür, daß Leistung sich lohnt. Das ist jedoch nicht die Frage: Wer mehr verdient, der bekommt mehr. Allerdings steigt auch sein Steuersatz, das heißt er bekommt vielleicht nicht in dem Maß mehr, wie er mehr verdient.
Das ist aber, sieht man sich die Grafik an, für keine und mittlere Einkommen viel mehr der Fall, als für größere Einkommen (wenn man den Freibetrag ganz unten mal bei Seite läßt). Wenn dies mit einer sich lohnenden Leistung in Einklang zu bringen ist, wieso nicht auch ein Kurvenverlauf, der langsam aber dann immer mehr ansteigt? Quasi die Spiegelung der jetztigen Kurzve?
Denn so wäre die Sicherheit, die die Großverdiener heute durch das Steuersystem haben (ihre Belastung nimmt immer weniger zu) dann auf einmal auf Seiten der kleineren Verdiener, und die starke Eröhung der Mehrbesteuerung pro zusätzlich ererarbeitetem Euro würde bei den Großverdienern zuschlagen, die durch ihr bisheriges Einkommen ihre Existenz mehr als gesichert haben dürften.
Man könnte die Steuer insgesamt vielleiht sogr so gestalten, daß ab einem gewissen Einkommen jeder weitere Cent direkt an die Steur geht. Über die Höhe kann man sicherlich trefflich diskutieren, aber ich denke, daß es für den Betroffenen keinen Unterschied mehr macht, ob er 5 Milliarden oder 10 Milliarden im Jahr verdient (ich habe absichtlich recht hohe Zahlen gewählt, um meinen Punkt deutlich zu machen).
Schon bei 5 Milliarden dürfte er an dem Punkt angekommen sein, wo es schwierig, wenn nicht unmöglich wird, das Einkommen zu verkonsumieren.
Und was ist das Ziel vom Erzielen von Einkommen, wenn nicht die Ermöglichung von Konsum?
Sicher, Geld dient auch immer dazu, Macht auszuüben, auf welche Weise auch immer. Allerdings halte ich es für der Demokratie abträglich, und damit die Freiheit gefährdend, wenn einzelne Großverdiener (sie sind immer einzelner als die Geringverdiener) durch ihr Vermögen viel mehr Einfluß ausüben, als ihnen ihre Stimme im demokratischen Prozess erlaubt auszuüben.
Daher schient mir die von mir vorgetragene Umgestaltung der Steuersätze nicht nur gerechter und sozialverträglicher zu sein, sondern auch ein Instrument zu bieten, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stärken.
Comments
Comment by Christopher on 2011-09-14 15:51:37 +0100
Vom sozialen Standpunkt hast Du natürlich recht. Es bleibt aber die entscheidende Frage: Was passiert mit den Staatsfinanzen in dem Moment, da man die Steuern so anpasst? Wenn man die Kurve einfach so spiegeln würde, würde Deutschland Finanzierungsprobleme bekommen, da es sehr viel mehr niedrige und mittlere Einkommen gibt als hohe. Die geringe Zahl der hohen Einkommen würde die Steuerausfälle bei den niedrigen und mittleren Einkommen nicht ausgleichen können. Man könnte also nur bei den unteren Einkommen spiegeln und müsste bei den höheren die Steuern entsprechend erhöhen. Ich hab’s jetzt nicht nachgerechnet, aber ich könnte mir vorstellen, dass die höheren Einkommen dann ziemlich schnell verschwinden würden.
Meine These ist: je weniger die Kurve sich nach rechts krümmt, bzw. je mehr sie sich nach links krümmt, umso steiler muss sie verlaufen.
Eine Idee, die ich mal mit einem Freund ersponnen hatte, war eine Quasi-Deckelung von sehr hohen Einkommen. Alles, was jemand über, sagen wir, 100.000€ im Jahr verdient (also der Differenzbetrag Einkommen minus 100.000€) wird mit 80% oder mehr besteuert. Aber wen würde das schon betreffen?! Müsste mal jemand berechnen, würde mich interessieren
Comment by Bundesbedenkenträger on 2011-09-14 19:32:47 +0100
Es bleibt aber die entscheidende Frage: Was passiert mit den Staatsfinanzen in dem Moment, da man die Steuern so anpasst?
Ich stimme Dir insofern zu, daß sie in diesem Fall zurückgingen. Ich hätte dazu zwei Anmerkungen:
Das Geld, das der Staat nicht hat, haben die Bürger dann in der Tasche, das kann einerseits zu einem Wirtschaftswachstum im Innern führen (das wäre ja mal was, um nicht so sehr vom Export abhängig zu sein), andererseits würde es wohl aber auch die Sparquote erhöhen. Das wäre dann wieder schlechter, weil dadurch Geld frei wird, das unter Umständen zu Spekulationen, Blasen und Krisen führt…
Mir ging es momentan lediglich um die Form der Kurve, die Skalen wären da erst einmal offen. Ich frage mich nun, ob man die genaue Modellierung der Kurve so gestalten könnte, daß der Staat trotzdem nicht bankrott geht und sich auch keine zu hohe Sparquote bildet. Leider ab ich überhaupt keinen Dunst, wie man sowas durchrechet.
Meine These ist: je weniger die Kurve sich nach rechts krümmt, bzw. je mehr sie sich nach links krümmt, umso steiler muss sie verlaufen.
Damit hätte ich erst einmal weniger ein Problem. In der Praxis müßte man dann sehen, für wen am Ende tatsächlich mehr Geld in der Tasche bleibt und für wen nicht.
Eine Idee, die ich mal mit einem Freund ersponnen hatte, war eine Quasi-Deckelung von sehr hohen Einkommen. Alles, was jemand über, sagen wir, 100.000€ im Jahr verdient (also der Differenzbetrag Einkommen minus 100.000€) wird mit 80% oder mehr besteuert. Aber wen würde das schon betreffen?! Müsste mal jemand berechnen, würde mich interessieren
Meine Schnapsidee wäre da schon radikaler. Ich würde ab ner gewissen Höhe 100% dem Staat zuschlagen, dann aber nicht schon bei 100.000 den Schnitt machen. Das hab ich im Artikel schon geschrieben, aber wahrschienlich wieder so verklausuliert, daß man es nicht versteht…
Comment by Bundesbedenkenträger on 2011-09-15 09:47:08 +0100
Ich habmal versucht, mich da genauer reinzudenken und mir kommt es im Moment so vor, als sei ich einem enormen Mißerständnis aufgesessen. Im Moment bin ich dabei nachzuvollziehen, wie sich eine Änderung der Kurve im Detail auswirken würde. Wenn ich Zeit und Grips hab, das nochmal zu durchschauen, gibt es einen neuen Blogpost, dann hoffentlich auch mit allerlei erhellenden Grafiken.
Comment by rolandschwarzer on 2011-09-21 14:19:44 +0100
Und was ist das Ziel vom Erzielen von Einkommen, wenn nicht die Ermöglichung von Konsum?
Ich fürchte da vergißt Du eine der wichtigsten menschlichen Antriebskräfte. Nämlich die Gier. Natürlich gibt es Einkommen die weit jenseits aller Verkonsumierbarkeit sind, aber ich glaube, daß es den meisten wirklich Reichen nicht darum geht, noch den hundertsten Ferrari in der Garage stehen zu haben, sondern um den Besitz an sich.
Comment by Bundesbedenkenträger on 2011-09-21 15:47:30 +0100
Ich fürchte da vergißt Du eine der wichtigsten menschlichen Antriebskräfte. Nämlich die Gier.
Ich ab die Gier wohl im Blick. Allein, ich halte sie nicht für hilfreich im gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen, bzw noch anders formuliert: Ich sehe keinen Grund, eine Anhäufung von Geld, die nicht dem Konsum dienen soll, zu ermöglichen. Ich vermute viel eher, daß die Gesellschaft Schaden nimmt, wenn einzelne Geld um des Besitzes an sich Willen anhäufen (was ja wiederum ein – nichtdemokratischer – Machtfaktor ist).
Comment by Techniker on 2011-09-25 10:39:24 +0100
Weil bei 100% die obere Grenze erreicht ist (Ein Steursatz über 100% bedeutet das die Steuern größer sind als das Einkommen), und das Optimum für Steuereinnahmen bereits weit darunter liegt.
https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Laffer-Kurve
Comment by Bundesbedenkenträger on 2011-09-25 15:09:50 +0100
@Techniker:
Danke fürn Kommentar. Die 100% bezogen sich nicht auf das Gesamteinkommen, sondern auf das Einkommen über einem gewissen Betrag. Ich hab das in nem neuen Artikel etwas besser (hoffe ich) ausformuliert:
http://bundesbedenkentraeger.wordpress.com/2011/09/25/widerspruch/