Die Präimplantationsdiagnostik, die gestern durch den Bundestag zugelassen wurde, hat mich ja schon einige Male beschäftigt hier. Und eigentlich dachte ich auch, es sei dazu alles schon gesagt. Doch da sich Matthias Bloechle auf evangelisch.de nochmal zum Thema geäußert hat, und ich einfach das Mal nicht halten kann, wenn mich etwas ärgert, hier nochmal ein Artikel, hoffentlich dann der letzte.

Was ärgert mich denn nun an Bloechles Artikel?

Absurdität

Etwa diese Aussage hier:

Die absurde Situation, dass ein Embryo vor der Einnistung nicht auf genetische Erkrankungen untersucht werden durfte, derselbe Embryo nach der Einnistung aber doch, ist mit diesem Gesetz aufgehoben worden.

Meines Wissens nach war ja nicht die genetische Untersuchung des Embryos vor der Einnistung, die verboten war (oder eben auch nicht, weshalb ja neu entschieden werden mußte), sondern die Entscheidung über die Herbeiführung der Einnistung desselben aufgrund der Untersuchungsergebnisse. Und da ist es dann eben auch nicht so, daß die Unterschung nach der Einnistung das Gleiche ist: Während die Untersuchung vorher über die Einnistung des Embryos entscheidet, ist das im Nachhinein nicht mehr der Fall. Auch ist es im Nachhinein nicht legal, die Einnistung des Embryos rückgängig zu machen, auch wenn es unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Bloechle verschweigt also die Hälfe, vergleicht dann Äpfel mit Birnen und behaptet am Schluß, daß eine absurde Situation abgeschafft wurde. Ich sehe es etwas anders. Die Situation ist ja gerade absurd geworden: Macht ein Paar eine künstliche Befruchtung, kann es ohne illegal zu handeln, einen gesunden Embryo auswählen. Ist das Paar jedoch  in der Lage, ohne künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen, und stellt man einen schwerwiegenden genetischen Defekt fest, so ist zwar eine straffreie Abtreibung möglich, legal ist das Ganze aber nicht mehr. Der einzige Unterschied ist die Nidation des Embryos, und ich sehe beim besten Willen keine ontologische Veränderung kurz vor und kurz nach der Nidation beim Embryo. Kurz gesagt: Ich finde die jetztige Situation durchaus absurder.

Unrechtes Handeln

Mich ärgert auch das hier:

Es hatte bei den Betroffenen eine enorme psychische Auswirkung, dass ihnen im Heimatland eine mögliche hilfreiche Therapie vorenthalten wurde. Viele konnten das nicht verstehen und fühlten sich dadurch in die Nähe von unrechtem, ja strafrechtlich relevantem Handeln gerückt.

Sieht man mal von der moralischen Komponente des Begriffes ab, so ist „unrecht“ ein Adjektiv, das eine Diskrepanz zum geltenden Recht beschreibt. Und die Vornehmng einer PID in einem Land, in dem die PID verboten ist, ist unrecht und im Zweifel auch strafrechtlich relevant. Die Eltern fühlten sich also zu Recht in diese Nähe gerückt. Das Verfassungsgericht entscheid nach Bloechles Selbstanzeige, daß PID doch nicht Unrecht war. Aber bis dahin war es zweifelhaft und auch danach sah man die Notwedigkeit, per Gesetz eine klarere Situation zu schaffen. Damit dürfte die Nähe zum Unrecht gegeben sein, auch wenn die Sache selbst wegen einer Gesetzeslücke legal war.

Paternalismus

Er steigt damit ein, daß

[v]iele Gegner der PID […] dazu [neigen], Entscheidungen, welche unmittelbar nur auf das Leben der betroffenen Menschen Auswirkungen haben, durch ein strafrechtliches Verbot zu regeln. Hier werden Argumente vorgetragen, dass man die Frauen nicht einer belastenden Hormonbehandlung aussetzen dürfe, dass die Erfolgsaussichten einer künstlichen Befruchtung mit PID nur gering seien und dass die Geburt eines gesunden Kindes nicht garantiert werden könne.

Er spricht von Auswirkungen nr für die betroffenen Menschen und nennt dann auch nur solche. Allerdings hat die Entscheidung ja noch Auswirkungen auf andere. Durch die Zulassung der Selektion von menschlichem Leben hat das Ganze eben auch einen gesellschaftlichen Aspekt. Zu Recht gibt es Widerspruch, wenn Menschen, die im Koma liegen, der Stecker gezogen werden soll. Oder wenn Babies ohne Selbstbewußtsein das Lebensrecht abgesprochen wird. Und zwar unabhängig davon, ob es nun unsere Babies und Frende im Koma sind, oder gänzlich Unbekannte. Ansonsten könnte man vor dem Hintergrund noch mal besprechen, warum einige Drogen illegal sind, denn die schädigen ja ebenfalls nur diejenigen, die sie konsumieren…

Ansonsten hat er aber Recht, wenn er kritisiert, daß die Hormonbelastung für die werdenden Mütter als Gegenargment hergenommen wird. Abgesehen davon, daß dies ein Argument gegen künstliche Befruchtung an sich ist, und nicht gegen PID.

Privat zu beantwortende Frage

Doch sind sie Begründung genug, anderen Menschen andere Entscheidungen für ihr persönliches Leben zu untersagen? Sind die eigenen Gefühle zu diesem Thema ausreichende Begründung, anderen Menschen wesentliche Freiheitsrechte vorzuenthalten? Die Frage von Schwangerschaft und Kinderwunsch ist eine privat zu beantwortende Frage. Sie fällt unter das im Artikel 2 des Grundgesetzes verbriefte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Der Staat darf keiner Frau vorschreiben, dass oder wann sie schwanger werden muß, ebenso wie er keiner Frau untersagen darf, schwanger zu werden.

Vorenthaltung von Freiheitsrechten führt er an. Allerdings, welche Freiheitsrechte meint er? Er führt Art. 2 GG an:

Artikel 2

Comments

Comment by Christopher on 2011-07-08 17:21:23 +0100

„Die PID Befürworter fordern die Verproduktung des Kindes, inklusive Qualitätskontrolle.“ – Sorry, aber das ist eine Blödsinn. In dem Rahmen, in dem PID jetzt zugelassen wurde, erscheint diese Unterstellung noch blödsinniger.

Die Befürworter der PID fordern das Recht für Eltern, Erkenntnisse der Medizin nutzen zu dürfen, die es ihnen ermöglichen, gesunde Kinder zur Welt zu bringen. Und das nicht einmal für alle Eltern, sondern nur für Eltern, die ganz spezielle Voraussetzungen erfüllen. Dieses Recht sollen Eltern meiner Meinung nach haben dürfen.

Die Art und Weise, wie Du in Deinem Artikel anfangs mit juristischen Spitzfindigkeiten argumentierst und später in eine abstrakte, zukunfts- und gesellschaftspessimistische Argumentation übergehst, überzeugt mich nicht.

Comment by bundesbedenkentraeger on 2011-07-08 18:29:34 +0100

Die Art und Weise, wie Du in Deinem Artikel anfangs mit juristischen Spitzfindigkeiten argumentierst und später in eine abstrakte, zukunfts- und gesellschaftspessimistische Argumentation übergehst, überzeugt mich nicht.

Zur Kenntnis genommen.

Die Befürworter der PID fordern das Recht für Eltern, Erkenntnisse der Medizin nutzen zu dürfen, die es ihnen ermöglichen, gesunde Kinder zur Welt zu bringen.

Wenn es nur das wär, hätte ich kein Problem damit. Sie wollen das aber über Selektion erreichen, und das kritisiere ich. Die Diskussion ist allerdings müßig. Die Entscheidung ist gefallen. Mir ging es lediglich darm, aufzuweisen, wo Bloechle meiner Meinung nach Unsinn redet.

Comment by Thomas on 2011-07-27 11:00:08 +0100

Wie denn sonst ohne Selektion? Das ist genau was der Körper auch macht. Nach 5 Fehlgeburten oder mehr denkt man halt drüber nach ob man das nicht früher verhindern kann und man nicht erst den Körper selektieren lassen sollte.
Versuch dich mal in jemand betroffenen hineinzuversetzen.

Comment by Bundesbedenkenträger on 2011-07-27 13:40:38 +0100

Versuch ich unentwegt. Gegen die Selektion des Körpers können wir nichts machen (das wär doch mal ein Forschungsansatz!). Wir können uns aber entscheiden, selbst nicht zu selektieren. Ich bin dafür, alle Mittel zu ergreifen, die eine Fehlgeburt verhindern, wenn ein Embryo eingepflanzt ist. Ich bin aber dagegen, diesen Embryo bewußt auszuwählen und damit eine Hierarchisierung von Leben zu schaffen.