Es gibt ja nicht wenige Menschen die sagen würden, Deutschland sei ein Rechtsstaat. Und verglichen mit anderen Ländern, etwa Rußland oder Belarus, haben wir ja auch viele Freiheiten. So können wir etwa öffentlich sagen, was wir von Merkel halten. Wir haben sogar eine freie Presse, die diese Äußerungen dann ohne große Angst vor Repression veröffentlichen kann. Eigentlich ne gute Sache.
Eigentlich. Denn eigentlich geht damit auch eine gewisse Verantwortung einher. Eigentlich hätte die Presse selbst ein Interesse daran, Angriffe auf den Rechtsstaat zu melden, bekannt zu machen, so daß breiter öffentlicher Druck entstehen kann, der solche Angriffe für die Zukunft verhindert.
Gestern hat die Staatsanwaltschaft in Darmstadt mal eben die Server der Piratenpartei vom Netz genommen. Es ging um ein Rechtshilfeersuchen aus Frankreich, weil wie es aussieht auf den Piratenpads DDOS Angriffe auf ne französische Energiekonzernseite abgesprochen wurden.
Nun muß man wissen, daß diese Piratenpads öffentlich zugänglich sind. Wie beispielsweise googlemail. Man stelle sich vor: Bin Laden, als er noch lebte, hätte eine E-Mail Adresse bei google angemeldet und von dort ne Mail an Ahmadinedschad geschrieben. Daraufhin hätte man dann google den Stecker gezogen. Nicht nur googlemail, sondern sämtliche Dienste von google für 8 Stunden vom Internet genommen, denn man hat nicht etwa nur die betroffenen Piratenpads offline genommen, sondern alle Dienste auf den entsprechenden Servern.
Natürlich hinkt der Vergleich, denn es war keine Terrorabsprache internationalen Rangs, es war nicht Gefahr im Verzug, es ging um einen DDOS Angriff auf ne französische Internetseite und zwar von einem Konzern, der nicht wie google, amazon oder ebay in erster Linie auf das Netz angewiesen ist, um Geld zu machen.
Es handelte sich auch nicht um einen Konzern, der zum Liedtragenden der Polizeiaktion wurde, sondern um eine Partei, genauer um die Mitgliederstärkste nicht im Bundestag vertretene Partei.
Nicht genug, daß hier eine Partei in ihrer Arbeit behindert wurde, was an sich schon verfassungsrechtlich bedenklich ist, es fand auch noch in der heißen Phase eines Wahlkampfes statt: Am Sonntag wird in Bremen gewählt, und das Wahlrecht haben schon 16-jährige. Heißt soviel wie: Die Piraten haben ernsthafte Chancen, gewählt zu werden.
Dazu kommt, daß die Piraten ihre Server nicht nur benutzen um schöne Bilder ihrer Kandidaten unters Volk zu bringen, sondern sie nutzen sie auch für die Kommunikation untereinander. Die gesamte Parteiarbeit läuft zum Großteil über die Server. Man stelle sich vor ein Terrorist hätte auf CDU Briefpapier nen Bekennerbrief geschrieben, und die Polizei schließt darafhin sämtliche Büros der Partei, die Parteizentrale in Berlin und nimmt den Politikern Papier und Stifte weg.
Der Vergleich mag lustig klingen, aber genau das ist es, was passiert ist. Es ist schlimmer, als wenn google komplett offline gestellt wird wegen einer Mail von Bin Laden an Ahmadinedschad, weil es sich ume ien Partei handelt und nicht nur um ein Unternehmen ohne Verfassungsrang, und es ist besonder schlimm wenn man bedenkt, daß es keinerlei Not gab, so zu handeln, noch daß irgendwelche Spuren hätten gefunden werden können: Die Server schreiben nicht mit, wer beim Piratenpad etwas einstellt.
Und die Medien, die eigentlich Angriffe af unsere Rechtsordnng berichten sollten? Die bringen hier nd da was in ihren Onlineausgaben, aber im Print, wo eine breitere Öffentlichkeit erreicht werden kann, liest man nichts.
Die Zeiten der Spiegelaffäre, wo es auf einen Eingriff der Staatsmacht in die Freiheitsrechte zu einem großen Aufschrei in der Öffentlichkeit kam, sind wohl vorbei. Vielleicht müssen auch erst wieder Redaktionen geschlossen in den Knast wandern, bevor man sich rührt.
Hier noch ein Video vom stellvertretenden Vorsitzenden der Piraten:
https://www.youtube.com/watch?v=KGf_-EaepZM&feature=player_embedded
Update Ich war wohl falsch informiert. Laut Schockwellenreiter hat der Angriff auf das französische Unternehmen gar nicht stattgefunden.
Update II Bei Wolfgang Dudda hab ich jetzt gelesen, daß auch das Ersuchen aus Frankreich (noch) nicht vorlag. Das kriegt jetzt nen ganz üblen Geschmack, wenn die Aktion noch vor dem Wochenende durchgezogen werden sollte, ohne auf das französische Dokument zu warten…