Der erhabene Gott neigte sich unserem Geschlecht mit solcher Liebe zu und schuf den Menschen dergestalt, dass dieser nicht bloß wie die anderen Geschöpfe am Guten teilnehmen, sondern das unzugängliche und unsichtbare höchste Gut selbst verkosten und von Angesicht zu Angesicht schauen darf. Da nun, nach dem Zeugnis der Hl. Schrift, der Mensch für das ewige Leben und die Glückseligkeit bestimmt ist, dieses ewige Leben und die Seligkeit aber nur durch den Glauben an unsern Herrn Jesus Christus erlangt werden können, muss man dem Menschen eine derartige Beschaffenheit und Natur zuerkennen, dass er diesen Glauben an Christus zu empfangen imstande sei und dass, wer immer die menschliche Natur sich zu eigen nennt, auch die Fähigkeit zu glauben besitze. Denn es wird wohl niemand so beschränkt sein, um annehmen zu wollen, ein Ziel lasse sich ohne den Einsatz der dazu notwendigen Mittel verwirklichen. Wie wir wissen, sprach deshalb die Wahrheit selbst – und sie kann ja weder irren noch jemanden in Irrtum führen -, als sie die Prediger des Glaubens zum Amte der Verkündigung auserkor, die Worte: Euntes docete omnes gentes. Alle, sagte sie, ohne Ausnahme, sind doch alle fähig, im Glauben unterwiesen zu werden. Scheelen Blickes sah dies der Rivale des Menschengeschlechtes, der stets allem Guten entgegenwirkt und es zu vernichten trachtet. Daraufhin ersann er eine bislang nie gehörte List, um die Verkündigung des Wortes Gottes an die Völker und damit deren Heil zu hintertreiben: Er veranlasste nämlich einige seiner Helfershelfer, die nichts anderes begehrten, als ihre Habsucht zu befriedigen, dass sie unablässig daraufhin arbeiteten, die Bewohner West- und Südindiens und andere Nationen, von denen wir Kunde erhalten haben, wie Tiere zum Sklavendienst einzuspannen. Sie schützten dabei vor, diese Leute könnten des katholischen Glaubens nicht teilhaftig werden. Als Stellvertreter Christi, unseres Herrn, wiewohl dessen unwürdig, suchen wir mit all unseren Kräften, die Schafe seiner Herde, die uns anvertraut sind und sich außerhalb seiner Herde befinden, in seinen Schafstall hinein zu führen. Wir wissen wohl, dass die Indianer als wirkliche Menschen nicht allein die Fähigkeit zum christlichen Glauben besitzen, sondern zu ihm in allergrößter Bereitschaft herbeieilen, wie man es uns wissen ließ. Aus dem Verlangen, in diese Angelegenheit Ordnung zu bringen, bestimmen und erklären wir mit diesem Schreiben und kraft unserer apostolischen Autorität, ungeachtet all dessen, was früher in Geltung stand und etwa noch entgegensteht, dass die Indianer und alle andern Völker, die künftig mit den Christen bekannt werden, auch wenn sie den Glauben noch nicht angenommen haben, ihrer Freiheit und ihres Besitzes nicht beraubt werden dürfen; vielmehr sollen sie ungehindert und erlaubter Weise das Recht auf Besitz und Freiheit ausüben und sich dessen erfreuen können. Auch ist es nicht erlaubt, sie in den Sklavenstand zu versetzen. Alles, was diesen Bstimmungen zuwiderläuft, sei null und nichtig. Die Indios aber und die andern Nationen mögen durch die Verkündigung des Wortes Gottes und das Beispiel eines guten Lebens zum Glauben an Christus eingeladen werden.
Es handelt sich um die Übersetzung einer päpstlichen Bulle von Paul III von 9.7.1537, also nicht allzu lange nach dem Entdecknen der Neuen Welt, noch vor dem Untergang des Inkareiches und nur 16 Jahre nach der Unterwerfung der Azteken.
Ich finde, nachdem ich mich die Tage kritisch über Bischof Müller geäußert hatte, kann ich jetzt auch mal anerkennen, daß die Kirche von Rom recht früh klare Worte gegen die Versklavung gefunden hat, auch wenn sich modern wähnende Menschen ständig anderes behaupten (Interessant wäre allerdings zu wissen, wie der Papst dem gleichzeitigen Sklavenhandel im Mittelmeerraum gegenüberstand). Überhaupt finde ich interessant, welche Ideen zum Beipsiel in der spanischen Spätscholastik entwickelt wurden, so wurde mir bei einer Führung bei der UN in Genf erklärt, daß unser modernes Völkerrecht genau bei Vertretern der spanischen Spätscholastik ihren Ursprung hat.
Achja: Ich hab den Text komplett zitiert, und zwar wie er auf der verlinkten Seite angegeben ist. Laut dortiger Angabe handelt es sich um eine Übersetzung nach J. Baumgartner, Mission und Liturgie in Mexiko, Bd. 1, Schöneck-Beckenried 1971, 122; aus: Conquista und Evangelisation (Mainz 1992), S. 475 f.
Falls Sie also der Urheber oder Copyright-Besitzer sind und ein Problem mit der vollständigen Wiedergabe haben, melden Sie es bitte kurz an, bevor sie mir ne Abmahnung oder ähnlich häßliche Schreiben schicken. Im übrigen bein ich Student, bei mir ist eh nicht viel zu holen 😉