Ich bin ja nicht römisch-katholisch. Und ich denke, die Interna der Römisch-Katholischen Kirche sind erst mal deren Probleme, die sie untereinander klären und lösen müssen. Wenn jemandem etwas nicht passt, kann er ja zu uns Protestanten kommen.
Doch es gibt Situationen, in denen ich die Äußerungen und Bestimmungen unserer Glaubensbrüder nicht unkommentiert lassen kann. Etwa, wenn ich sehe, wie grundlegende christliche Werte verlassen werden, etwa zu Gunsten eines formal korrekten aber unmenschlichen Dogmatismus. Deshalb kann ich zu den jüngsten Äußerungen des Bischofs von Limburg (via), Herrn Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst nicht schweigen.
Er sprach sich gegen den Beratungsverein Donum Vitae aus, der mit vorwiegend katholischen Mitgliedern unter anderem die Schwangerenkonfliktberatung anbietet. Frauen, die mit dem Gedanken spielen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, können bei Donum Vitae nach einer Beratung eine Bescheinigung erhalten, die nach dreitägiger Bedenkzeit nach der Beratung eine straffreie Abtreibung in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft erlaubt.
Die Gründe, die der Bischof vorbringt, sind so klar wie polemisch:
Die Katholische Kirche setzt sich bedingungslos für ein Ja zum Leben ein. Sie ermutigt werdende Mütter und Väter, ihr Kind anzunehmen und an der Verantwortung für das von Gott geschenkte und ihnen anvertraute Leben zu wachsen. Deshalb kommt für katholische Christen der Weg, den Donum Vitae beschreitet, nicht in Frage.
Der Verein beschreitet nach Bischof Tebartz-van Elst also einen Weg, der nicht für ein bedingngsloses Ja zum Leben steht, der werdende Eltern nicht ermutigt, ihr Kind anzunehmen und an der Verantwortung für das von Gott geschenkte und ihnen anvertraute Leben zu wachsen. Im Gegensatz zur (Römisch-) Katholischen Kirche.
Weiter begründet der Bischof:
Gerade in der Rückschau auf die letzten Jahre wird deutlich, welcher Bewusstseinswandel stattfindet, wenn die Tötung ungeborenen Lebens rechtliche Deckung erfährt. Ein Mitwirken daran stellt der Weg dar, den Donum Vitae geht.
Der Weg von Donum Vitae stellt also nach dem höchsten Geistlichen in Limburg eine Mitwirkung an der Tötung ungeborenen Lebens dar, schlicht und einfach, weil der Verein die für eine Abtreibung benötigten Beratungsscheine auf Wunsch ausstellt. Die kircheneigene Beratung ist natürlich um Welten besser:
Im Unterschied dazu unterstützen die Beratungsstellen der Katholischen Kirche werdende Eltern aus der tiefen Überzeugung, dass ein empfangenes Kind immer ein Segen ist. […] Weil für uns als Katholische Kirche das Ja zum Leben ohne Alternative ist, können wir uns nicht an einem System beteiligen, das durch das Ausstellen eines Scheines den Anschein erweckt, jede Entscheidung sei rechtmäßig und damit gleich gültig.
Klare Linie: Das System Konfliktberatung mit Beratungsschein ermöglicht die Abtreibung und damit die Tötung eines ungeborenen Menschen. Die katholische Schwangerenberatung unterstützen die Eltern in der Schwangerschaft. Deshalb sind die katholischen Beratungsstellen die Guten, während Donum Vitae von Katholiken gemieden werden soll. Und damit sind nicht nur schwangere Katholikinnen gemeint, die nach Beratung suchen, sondern die sich im Verein engagierenden Katholiken:
Die Deutschen Bischöfe haben sich mit ihrer Erklärung vom 20. Juni 2006 klar positioniert. Danach ist der private Verein Donum Vitae e.V. eine Vereinigung außerhalb der katholischen Kirche. Aus diesem Grund sind institutionelle und personelle Kooperationen sowie ein Engagement im Verein parallel zum kirchlichen Dienst nicht möglich.
Mir ist noch nicht ganz klar, was mit „kirchlichem Dienst“ gemeint ist. Jedenfalls wird hier Priestern untersagt, sich im Verein zu engagieren. Unter Umständen auch anderen Menschen, die im Bistum Limburg die katholische Kirche als Arbeitgeber haben. Der Verein, der vorwiegend von katholischen Christen getragen wird, soll im Bistum Limburg also scheinbar die Basis entzogen bekommen. Wenn an des Bischofs Vorwürfen etwas dran ist, wäre dies ja gerechtfertigt, doch wie sieht es aus?
Donum Vitae berät zwar ergebnisoffen, aber eben doch mit dem klaren Ziel, das ungeborene Leben zu schützen (Broschüre, S. 5f):
Beratung hat in dieser Situation [Anm: der konfliktbeladenen Schwangerschaft] zunächst die Aufgabe, die Not der Frau zu verstehen, mit ihr gemeinsam nach Hilfsmöglichkeiten zu suchen, die Frau in ihrer reflektierten Entscheidungsfindung zu begleiten und in diesem Zusammenhang die Würde des Ungeborenen und sein Recht auf Leben ins Bewusstsein zu rufen. Dies geschieht in der Absicht, dass die Frau die Möglichkeit zulässt, sich ein Leben mit dem Kind vorzustellen und entsprechende Hilfsangebote wahrzunehmen.
Es stimmt also nicht, daß Donum Vitae den Eindruck vermitteln würde, jede Entscheidung sei gleich richtig. Es wird mit dem klaren Ziel des Schutzes des ungeborenen Lebens beraten. Doch so hat der Bischof auch nicht formuliert. In seiner Formulierung
nicht an einem System beteiligen, das durch das Ausstellen eines Scheines den Anschein erweckt, jede Entscheidung sei rechtmäßig und damit gleich gültig
verbindet er die Ausstellung des Beratungsscheines mit der Erweckung des Anscheins, jede Entscheidung sei rechtmäßig. Er tut so, als hätte die Beratung keinen Inhalt und alleine der Schein sei ausschlaggebend für die Beratung. Damit verkürzt er die Sache in verantwortungsloser Weise, um besser argumentieren zu können.
Es mag zwar so sein, daß durch die Beratung von Donum Vitae Abtreibungen ermöglicht wurden, doch stellt sich die Frage, ob diese Frauen ohne Donum Vitae nicht abgetrieben hätten. Der Bischof verkennt völlig, daß sich schwangere Frauen, die unentschieden sind, ob sie abtreiben werden oder nicht, sicherlich keine Beratungsstelle aufsuchen werden, die ihnen keine Wahl läßt. Wieso sollten sie die Zeit in einer Einrichtung der katholischen Kirche „verschwenden“, wenn sie andernorts eine Beratung erhalten könnten, in der sie beide Optionen nochmals durchdenken könnte und im Zweifel eben doch den Schein, der die Abtreibung ermöglicht, erhalten könnte?
So gut die Beratungsstellen der katholischen Kirche auch seien, sie richten sich lediglich an schwangere Katholikinnen, die fest im Glauben stehen und sich sicher sind, daß sie nicht abtreiben werden. Damit ist kein Leben gerettet, denn diese Frauen haben schon entschieden, ihr Kind zu gebären.
Die anderen Frauen jedoch, die Unentschlossenen und Unsicheren werden von der katholischen Kirche alleine gelassen. Die Kirche ist hier kein Licht in der Finsternis, keine Hilfe in der Not, und sie geht ach nicht in die Welt und erklärt den Menschen die Würde des ungeborenen Lebens. Aus Angst, etwas falsch zu machen, tut sie gar nichts und macht alles falsch. Aus Feigheit vor dem Satan läßt sie es gleich ganz bleiben, den Satan zu bekämpfen.
Donum Vitae hat in dieser Situation als Laienorganisation eingegriffen und sich den Menschen zugewandt, die unsicher waren und sind und bietet ergebnisoffene Beratung, die aber klar für das ungeborene Leben eintritt. Die Ausstellung des Beratungsscheines ist der Preis, der gezahlt werden muß, um mit den Menschen überhaupt ins Gespräch zu kommen. Es mögen ungeborene Kinder aufgrund der Beratung von Donum Vitae getötet worden sein, aber Donum Vitae hat durch sein Ansprechen der unentschlossenen Menschen sicherlich viel mehr Leben gerettet als die Beratung der katholischen Kirche, die sich eh nur an die Mütter wendet, die ihre Kinder schon gebären wollen.
Ein uneingeschränktes „Ja zum Leben“ wird also bei Donum Vitae eher gelebt als in der katholischen Schwangerenberatung. Diese bejaht offenkundig nur das Leben der Kinder ihrer engsten Anhänger. Die Aussage es sei unvereinbar für katholische Christen sich bei Donum Vitae zu engagieren würde also nach der vorgetragenen Logik eher auf die Beratung der eigenen Kirche zutreffen.
Nun muß man dem Bischof zu Gute halten, daß aus Rom die klare Order kam, daß die Kirche keine Beratungsscheine ausstellen darf. Dagegen kann der Bischof nichts tun. Er kann aber seinen Schäfchen erlauben, sich bei Laienorganisationen wie Donum Vitae zu engagieren, und damit Menschen anzusprechen, die sonst von der Kirche nie erreichbar wären, und ihnen Hilfe bieten, die diese sonst nie angenommen hätten. Damit wäre den Menschen geholfen gewesen.
Er entschied sich dagegen. Für eine klare dogmatisierende Line, ohne Links und Rechts zu gucken, ohne die Unschlüssigen in den Blick zu nehmen, deren Not auch sicher größer ist als die derer, die ihre Entscheidung für das Leben schon getroffen haben. Er läßt damit die Menschen im Stich, aus Angst, nein, aus Feigheit, vielleicht etwas falsch zu machen und indirekt für den Tod des ein oder anderen Embryos mit Schuld zu sein. So macht er sich im Falle eines Erfolgs bei der Bekämpfung Donum Vitaes direkt schuldig am Tod aller Embryonen, die durch Donum Vitae hätten gerettet werden können.
Rudolf Alexander Schröder sagte:
Wer nicht sündigen will, will auch nicht erlöst werden. Der vollkommen Heilige würde des Teufels sein.
Dem ist nichts hinzuzufügen.