Gestern kam im Gottesdienst mal wieder ein Lied über den Zorn Gottes, der durch Christi Opfer am Kreuz gestillt wurde. Und wieder hab ich mich gefragt: Woher haben die das, wie passt das ins Evangelium? Und ich blieb beim Gedanken vom Zorn Gottes hängen, denn den gibt es zweifellos mehrfach in der Bibel. Und er ist auf den ersten Moment irritierend. Wie passt der „liebe Gott“ zum zornigen Gott?

Wenn man sich aber überlegt, was heißt es denn, wenn man liebt? Was heißt es denn, wenn man zürnt? Dann kommt man vielleicht sogar in die Nähe einer Nachvollziehbarkeit.

Zorn ist eine Gemütsregung, die im Gegensatz zur Liebe etwa, zeitlich sehr begrenzt ist und in der Regel ach einen Grund hat, jedenfalls haben kann.

Von der prinzipiellen zeitlichen Begrenztheit dieser emotionalen Aufwallung her sollte man annehmen können, daß Gott, wenn Er denn zornig ist, das nur in Bezug auf eine Sache und einen Zeitpunkt ist.

Liebe im Gegensatz, ist eine andauernde Sache, wenn man sie nicht mit Verliebtheit verwechselt. Sie dauert oft Jahre und endet erst mit dem Tod der Liebenden, wenn überhaupt (ich will jetzt hier nicht auf die Frage nach dem Weiterleben nach dem Tod eingehen, ein andermal vielleicht ;)).

Nun hab ich schon gesagt, daß es für Zorn oftmals einen Grund gibt. Ich neige zum Beispiel zum Zorn, wenn mir eine Sache nicht gelingt, wenn ich dran sitz und es wird und wird nicht. Ein anderer Fall von Zorn tritt bei mir auf, wenn ich merke, daß jemandem Unrecht getan wird, wenn ein Mensch, vielleicht noch einer der Schwächeren in der Gesellschaft, gezielt und ohne Grund angegriffen, ausgelacht, verspottet wird und dergleichen. Wenn ihm alle Hilfe, alle Möglichkeit sich selbst zu helfen entzogen wird, und er dann noch vorgeworfen bekommt, in einer solch schlechten Situation zu sein (wer jetzt die Assoziation Hartz IV hat denkt wohl ähnlich wie ich). Dies ist ein Zorn, der in einer gewissen Art von Liebe wurzelt, der Liebe zum Mitmenschen, altmodisch Nächstenliebe genannt, und sie ist kein christliches Alleinstellungsmerkmal (das könnte man höchstens bei der Feindesliebe mal andenken), die meisten wenn nicht alle Menschen ergreifen Partei für den zu Unrecht verfolgten (wenn sie ihn denn als solchen erkennen und nicht als Übeltäter).

Diese Art von Zorn ist also nicht denkbar, ohne seinen Grund, die Liebe. Und dieser Art ist der Zorn Gottes, denke ich mir (man müßte das mal biblisch überprüfen, ich hab bloß grad Vorbereitung aufs Philosophicum und daher wenig Zeit dazu, aber später, vielleicht ;)).

Der zornige Gott ist kein böser Gott, sondern ein lieber Gott. Gott ist zornig, weil er uns liebt. Er zürnt denjenigen, die uns Leid zufügen, und wenn es Kleriker sind, die ihrerseits auch vom Zorn Gottes predigen, ihn aber vielleicht gar nicht so sehr auf sich beziehen. Diesem Manko möchte ich nun versuchen zu entgehen:

Gott zürnt auch mir! Denn auch ich bin Sünder, das bedeutet, ich tue Dinge, die anderen schaden. Das hat nichts mit Selbstkasteiung zu tun oder zu Kreuze kriechen, es ist das, was ich in meinem Leben wahrnehme: Ich kann nicht perfekt sein, ich werde immer auch Ursache für das Leid von Menschen sein, und wenn ich noch so sehr darauf achte, dies zu vermeiden.

Und deshalb zürnt mir Gott. Gott geht nicht hin d sagt: Ach, Du bist nur ein Mensch, das ist schon nicht so schlimm. Das wäre zynisch den Leidenden gegenüber. Gott ist zornig. Und zwar zu Recht. Aber Gott tut etwas, das Menschen oft nicht tun: Er unterscheidet den Sünder von der Sünde. Der Sünder, der Mensch also, ist von Gott geliebt, trotz, ja auch wegen allen Zorns, denn Gott zürnt auch dem, der dem Sünder Leid zufügt. Die Sünde aber, unabhängig vom Sünder, die ist es, die Gott haßt, die Er ablehnt, und die den Zorn heraufbeschwört.

Der Zorn Gottes ist IMHO nicht losgelöst von oder gar ganz ohne die Liebe Gottes zu verstehen. Und er steht auch keinesfalls mit ihr auf einer Stufe. Gott liebt die Menschen, jeden einzelnen, und deshalb zürnt er denen, die den Menschen Leid zufügen, und wenn es sich selbst wiederum um Menschen handelt.

Und deshalb geht mir das Messer im Sack auf, wenn ich Liedzeilen höre wie „Gottes Sohn ist Mensch geborn, hat gestillt des Vaters Zorn“. Der Zorn Gottes, wenn er in Seiner Liebe gründet, kann genau so wenig ein Ende haben wie die Liebe. Der Zorn Gottes ist aber auch nichts andauerndes in der Art, daß etwas passieren müßte, am wenigsten ein blutiges Opfer, um ihn zu stillen. Der Zorn Gottes ist Ausdruck der Liebe Gottes und der Abneigung Gottes gegen die Sünde, nicht den Sünder, den Er liebt. Die Kreuzigung ist Folge der Liebe Gottes, denn Er der göttlich war, hielt nicht wie an einem Raub daran fest, göttlich zu bleiben, sondern entäußerte sich selbst, wurde Mensch, und nahm alles auf sich, bis zum Tod am Kreuz, ohne sich zu wehren, zurückzuschlagen, Seinem Zorn Bahn zu brechen.

Daher halte ich Liedverse wie den oben beschriebenen für zutiefst unevangelisch (hat nichts mit der evangelischen Konfession zu tun, ich meine „nicht dem Evangelim entsprechend“).

Man darf den Zorn Gottes nicht marginalisieren, Gott ist kein Kuschel-Eiapoppeiagott, der sich den momentanen Wünschen der Menschen entsprechend verändert. Aber Er ist auch kein Tyrann, der erst mal ein blutiges Opfer braucht, und dann auch immer wieder mit allerlei Ungemach droht und mehr und immer mehr „gute Taten“ und Gebete verlangt.

Gott ist der liebende Gott, dem jeder Mensch wichtig ist, egal wie dieser sich verhalten hat, verhält, oder verhalten wird. Wäre Gott nicht ein so liebender und auch vergebender Gott, sähe die Welt ganz anders aus.

Comments

Comment by Der echte Teufel on 2010-08-05 22:38:54 +0100

Dawkins hat schon Recht, der Gott der Christen ist ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, widerwärtiger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.

Comment by Bundesbedenkentraeger on 2010-08-06 04:12:51 +0100

Nö, hatter nicht. Dawkins hat vor allem keine Ahnung, der soll mal schön bei der Biologie bleiben. Theologisch isser ne Niete.

Comment by Gast on 2013-11-07 07:46:00 +0100

Gottes Zorn ist groß!
Deutschland benötigt dringend Umkehr, und die Christen sollten mehr auf seinen Geist hören.
Es wird zu viel diskutiert.

Comment by De Benny on 2013-11-07 09:00:14 +0100

Deutschland braucht Umkehr? Als ich das letzte Mal in die Bibel sah, rief Christus Menschen zur Umkehr auf, nicht Länder…

Comment by Gast2 on 2015-09-06 11:28:54 +0100

Ich halte den Satz ‚Jesus hat Gottes Zorn gestillt‘ auch für theologisch nicht haltbar. Jesu Erlösungswerk am Kreuz, wenn wir es annehmen, bewahrt uns wie ein Schirm vor dem Zorn Gottes, den Er im Augenblick noch zurückhält, weil Gnadenzeit ist, wo Er Menschen zur Umkehr ruft und Seine Vergebung anbietet. Aber Gottes Zorn ist noch vorhanden und wird sich noch entladen (siehe Apokalypse), und ich bedanke mich bei ‚Bundesbedenkenträger‘ für die Erklärung, dass der Zorn zu Gottes Liebe gehört. Danke!

Comment by Bundesbedenkenträger on 2016-03-23 11:31:19 +0100

Meinst Du, es wird eine Zeit geben, in der Gott die Menschen (oder einen Teil davon) nicht mehr liebt? Denn so hört es sich an, wenn Du davon sprichst, daß Gott den Zorn zurückhält.
Sind wir denn verschont? Die Israeliten und Judäer begriffen den Untergang ihrer Königreiche als Konsequenz au Gottes Zorn. Sie stellten sich das so vor, daß Gott aktiv in die Geschichte eingriff, aus lauter Zorn, um sie für ihre Untaten zu strafen.
Andere mögen es einfach als ein Spiel der Mächte sehen. Wir sehen heute die Spannungen in unserem Land als Konsequenz der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung, wir könnten ebenso sagen: Das ist Gottes Zorn.
Gott schützt uns davor, indem Er uns klar macht: Ich liebe Dich trotzdem. Die Taten verurteilt Er, aber die Täter nimmt Er an. Diese Haltung hat sonst keiner, das ist menschlich (fast) nicht möglich. Man stelle sich vor, wie jemand, der bei 9/11 Kinder verloren hat Bin Laden in den Arm nimmt. Oder wie ein Iraker, der als „Kollateralschaden“ seine Familie verloren hat, Ex-Präsident Bush freundlich begegnet.
Ich frage mich gerade, wie es eingerichtet werden könnte, daß Gott nicht zornig wirkt. Dann dürften unsere bösen Taten keine bösen Konsequenzen (für uns und andere) haben. Eigentlich nicht möglich, oder? Es ginge höchstens so, daß eine bestimmte Gruppe von Menschen den Zorn nicht zu spüren bekommt, aber dann wäre Gott unfair.
Also hat Er die Welt so gestrickt, wie sie ist, so daß wir die Konsequenzen unserer Untaten als Gottes Zorn ansehen. Doch im Grunde sind wir es, die dahinter stecken, eben weil wir Sünder sind.