Heute morgen hat die israelische Marine die Schiffe der Gaza-Solidaritätsflotte in internationalen Gewässern gekapert und entführt. Dabei kam es zu Toten und Verletzten, und wie immer im Nahostkonflikt, gibt es mal wieder nur Opfer:
Hier die Israelis mit einer der stärksten Armeen in der Region, die trotz ihrer Stärke Opfer des Terrorismus der Hamas sind.
Dort die Palästinenser, die nachdem sie in einer freien Wahl für Extremisten gestimmt haben, welche das Existenzrecht Israels ablehnen, sich darüber wundern, daß es zum bewaffneten Konflikt zwischen Israel und ihrer neu gewählten Führung kommt, dessen Leidtragende sie nun sind, neben den zivilen Opfern der Raketenangriffe auf israelischer Seite.
Und nun haben wir auch noch die internationalen Opfer, die das bekannt leicht reizbare israelische Militär provozierten (Provokation ist nicht per se schlecht) mit der Solidaritätsflotte, und die sich dann scheinbar noch gegen die absehbare Kaperung ihrer Schiffe zur Wehr setzten (ich hab grad in der Tagesschau Filmaufnahmen gesehen in denen ein Passagier mit einer Stange auf einen Soldaten einschlug, insofern ist wohl nicht alles israelische Propaganda) und Tote und Verletzte z beklagen haben.
Die Frage, die sich nun stellt ist: Wer ist denn der Täter, wenn alle Opfer sind? Die anderen natürlich. Und diese Anderen sind je nachdem Israel oder die Palästinenser, im Zweifel auch mal differenzierter die israelischen Soldaten, und spätestens seit hete auch die internationalen „Provokateure“ und „Waffenlieferer“.
Die diplomatische Schlacht hat begonnen, und es ist noch nicht abzusehen, wer genau am Ende als Gewinner dastehen wird. Wahrscheinlich wird es so enden, daß Israel ein böses dudu kriegt, gleichzeitig aber auch auf die Gewaltbereitschaft der Anderen hingewiesen wird und den Extremismus der Hamas im Besonderen.
Es ändert sich also wahrscheinlich nicht viel. Weder wird es auch nur ein Gramm Coriander nach Gaza schaffen, noch wird Israel seinen Kurs überdenken. Wahrscheinlich wird die Arabische Liga wieder ien wenig Säbelrasseln veranstalten, aber doch nichts tun (oder warum ist die Grenze zu Gaza auch von ägyptischer Seite geschlossen?).
Ich denke, man sollte die Feindbilder überdenken. Und man sollte sich überlegen, wie man etwas ändern will und was man bereit ist, dafür aufzugeben.
Es bringt nichts wenn die Palästinenser auf die „Zionisten“ schimpfen, die Israelis auf die „Terroristen“ und beide sich gegenseitig immer weiter abknallen. Kein Mensch hat Interesse an einem ständigen Konflikt, keine Mutter will sehen, wie ihr Kind im Krieg umkommt, und wenn die Sache tausendmal irgendwie „gerechtfertigt“ ist. Ergo: Beide Seiten wollen eigentlich Frieden. Nur, was sind sie bereit dafür zu geben?
Israel sieht vor allem das, was es erleiden mußte: Krieg seit Gründung des Staates, Feindschaft rundherum, und viele israelische Neubürger hatten zu dem Zeitpunkt schon jahrelange extremste Feindschaft in Europa hinter sich gebracht. Sie haben Angst, sie wollen nicht leiden, und sie suchen ihr Heil in der militärischen Stärke. Dabei ist es erst einmal uninteressant, wer sie militärisch unterstützt. Aus Angst klammern sie sich an die militärische Methode, und die Politiker der entsprechenden Parteien scheinen diese Angst gezielt ausnutzen zu können. Es ist ein stabiles System: Bombe die Palästinenser aus, so werden sie sich rächen wollen, was die Angst in der Bevölkerung erhöht und den Ruf nach einem „Durchgreifen“ verstärkt, was wiederum die Scharfmacher in die Ämter bringt, die dann wieder bomben, was ihre Position festigt…
Palästina sieht auch sein Leid: Vertreibung, Besatzung, Unterdrückung, immer wieder, immer mehr. Dann kommen die palästinensichen Scharfmacher und bieten die terroristische Option als Lösungsweg an. Wir beschießen die Israelis, dann rufen wir den panarabischen Krieg aus und werden sie ins Meer drängen. Dies ist ach ein stabiles System, denn die Nachbarstaaten Israels haben überhaupt kein Interesse daran, sich ne blutige Nase zu holen beim Versuch, Israel ins Meer zu drängen. Der letzte Versuch 1967, bzw die Ägypter habens in den 70ern nochmal versucht, endete für die arabischen Staaten im Desaster. Also können auch die palästinensischen Scharfmacher das Volk aufstacheln: Raketen auf Israel, Israel schlägt zurück (getrieben von ihrer Angst mit voller Wucht) und die Scharfmacher sitzen um so fester im Sattel, denn sie wollen Israel zerstören.
Eigentlich könnten sich israelische und Hamasregierung blendend verstehen. Man schießt ein bißchen aufeinander, was kümmert einen das Leid des eigenen Volks, und man bleibt an der Macht.
Diese Situation ist es, die es mir unmöglich macht eine Seite zu unterstützen. Denn ich bin gegen beide. Ich bin für beide. Ich bin gegen die Scharfmacher und für die einfachen Menschen, die schon zu viele Verwandte, Eltern und Kinder verloren haben, egal ob sie zu Allah, Adonai oder Christus (ja es gibt dort auch Christen – auf beiden Seiten!) beten.
Deshalb muß meiner Meinung nach eine Protestaktion auch derart sein, daß sie die wahren Feinde des Friedens angreift.
Dazu gehört sicherlich die Regierung in Jerusalem, die den Tod von mindestens 10 Menschen auf offener See zu verantworten hat. Dazu gehört aber auch die Führung in Gaza, die die Raketen auf Israel zugelassen und somit den letzten Krieg heraufbeschworen hat. Es ist nicht einer unschuldig und der andere schuldig. Beide tragen ihren Anteil. Nur so lange sich beide als Opfer begreifen und keiner seine Schuld zugeben kann, aus Angst, der andere würde dies für die Stärkung der eigenen Position ausnutzen, ist von dieser Seite keine Beendung der Gewalt zu erwarten.
Wie aber greife ich die Feinde des Friedens auf beiden Seiten an? Nun, ein Schritt wäre, klar zu stellen, daß man keine Konfliktpartei bevorzugt. Neutralität. Dazu gehört auch, Päckchen für den von der Hamas verschleppten IDF Soldaten mitzunehmen auf dem Weg nach Gaza. Man könnte es ja schaffen, und der Mann kann ein wenig Zuspruch aus der Heimat sicher gut gebrauchen. Auch Soldaten sind Menschen, und dort unten gibt es keinen Zivildienst. man ist dabei, ob man will, oder nicht. Gestern habe ich gelesen, es mag auch wieder Propaganda gewesen sein, daß die Solidaritätsflotte ein solches Päckchen nicht mitnehmen wollte. Ich verstehe nicht ganz, warum.
Ein weiterer Punkt wäre, sich klar zu machen, was man will, wofür man kämpft und was die Waffen sind, die man einsetzt. Kann man mit Eisenstangen etwas gegen Elitesoldaten unternehmen? Nein. Warum dann die Gegenwehr? Das gibt den Soldaten doch nur Grund, das Feuer zu eröffnen und schädigt am Ende die eigenen Leute. Die Waffe des Protests ist die Öffentlichkeit und der eigene Körper. Wenn es m militärische Lösungen ginge, wenn dies möglich wäre, wär Israel schon lange besiegt. Ist es aber nicht, und es ist wie gesagt auch nicht Israel, das der Feind ist. Es sind die Scharfmacher, diejenigen, die Gewalt als Mittel wählen.
Der einzige Weg, das zu durchbrechen ist, es öffentlich zu machen. Dazu muß man sich dann aber eben auch niederschlagen lassen. Ohne Gegenwehr. Dann ist die Öffentlichkeit entsetzt. Wenn jemand nichts tut und trotzdem blutet. Das ist keine Methode für Weicheier, aber Gandhi hat so Indien befreit und Martin Luther King Jr. hat die Methode erfolgreich beim Kampf für die Bürgerrechte der Afroamerikaner eingesetzt. Diese Methode verlangt aber Mut und Überzeugung. Und beides ist nicht vorhanden, wenn ein Zivilist mit einer Eisenstange auf einen vollbewaffneten Elitesoldaten losgeht. Das ist kein Mut, sondern Übermut, vielleicht gepaart mit Wut (die man in solchen Situationen unter Kontrolle halten mß) und es ist erst recht keine Überzeugung, daß Gewalt der falsche Weg ist, osnst würde man den Weg nicht selbst wählen.
Ich sage nicht, daß es nicht verständlich wäre, man hat sich vielleicht Hoffnungen gemacht, es nach Gaza zu schaffen und ist wütend darüber, daß Israel internationales Recht nicht beachtet. Trotzdem, das kam mit Ansage. Man hätte es wissen können, auch wenn es Unrecht ist. Man hätte sich darauf vorbereiten können, und die Eisenstange liegen lassen können. Dann wäre man überzeugend gewesen. Dann würden solche Aktionen auch zum Erfolg führen, Gaza tatsächlich einmal zu erreichen. Und dort müßte man dann auch konsequent sein und darauf achten, daß die Bevölkerung profitiert, und nicht die Propaganda der Hamas. denn die haben den Mut nicht aufgebracht, ihre Köpfe hinzuhalten, sie haben schon immer ihre Waffen hingehalten und abgedrückt, während die Zeche dafür alle zahlen mußten, auch diejenigen, die keinen Krieg wollten, wie auch heute morgen unter Umständen Menschen erschossen wurden, die keine Eisenstangen in die Hand genommen hatten. Nur starben diese umsonst, weil sich einige nicht im Griff hatten und das Ansehen der Flotille gelitten hat.
PS: Ich habe absichtlich keine Links gesetzt. Wer Suchmaschinen bedienen kann, findet genügend Meldungen zum Thema auf dem Blog/Newsanbieter seiner Wahl. Stichworte wären wohl: Gaza, Flotilla, Solidaritätsflotte, israelische Marine und Ähnliches.
Update: Ich hab grad nen Artikel gefunden, den ich ganz gut finde, vor allem zum Ende hin. Deshalb sei er hier mal verlinkt.