Bevor es zu lange zurückliegt will ich hier kurz vom Kirchentag berichten und einem Thema, das sich mir dort aufgedrängt hat:
Der SeTh hatte auf seinem Messestand beim Kirchentag zum Gespräch mit dem evangelischen Militärbischof Dr. Dutzmann eingeladen. Interessiert an Friedens- und politischer Ethik, bin ich dahin getingelt und hab zugehört, wie und was er zu den Fragen meiner Kommilitonen zu sagen hatte. Der Bischof hat einen guten Eindruck auf mich gemacht, vor allem blieb folgende Idee in meinem Gedächtnis:
Wie wäre es, wenn der Bundestag bei der Mandatierung eines Auslandseinsatzes nicht nur die militärische Seite mandatiert (das muß er ja), sondern auch den zivilen Anteil? Will sagen: Der Bundestag soll nur noch Soldaten in den Einsatz schicken, wenn er sich gleichzeitig festlegt, mit welchen zivilen Mitteln der Frieden in der Zielregion gesichert wird, also etwa in Afghanistan oder auch in Ex-Jugoslawien.
Die zivile Seite muß der Bundestag nicht mandatieren, und so hat er auch keine Übersicht über das, was in Afghanistan erreicht wurde. Will man wissen, was dort auch an Positivem geschieht, muß man sich bei Leuten informieren, die ihre eigenen Kanäle nutzen um Informationen zusammenzutragen und evtl. auch nicht alles erfassen was gut geht und was scheitert.
Bei Madatierung und finanzieller Ausstattung der zivilen Seite des Aufbaus in einem Krisengebiet wäre es wohl leichter zu evaluieren, ob ein Einsatz noch Sinn ergibt. Die Regierung könnte nicht einfach Soldaten losschicken, ohne sich Gedanken zu machen, was eigentlich Ziel der Übung ist und die Soldaten wüßten, wofür sie Kopf und Kragen riskieren.
Auch die Bevölkerung wüßte, wozu wir unsere Soldaten im Ausland töten und sterben lassen und es könnte sich eine gesellschaftliche Diskussion entfalten, ob und unter welchen Umständen wir das wollen oder zumindest hinnehmen. Die Politik wäre gefordert, Verantwortung zu übernehmen für das Zielgebiet. Man könnte nicht einfach auf internationalen Druck Soldaten senden um weiterhin mitreden zu können, man würde tatsächlich mitreden und die Gestaltung der Situation im Krisengebiet in Richtung einer Verbesserung angehen. Ob und in welcher Art man dies gut findet, was die Regierung in dem Fall tut, kann man immer noch über die Wahlen ausdrücken, es sind sich nicht alle einig welche Ziele und Mittel man wählen muß um eine Zivilgesellschaft zu etablieren, die nach meiner momentanen Ansicht (ich arbeite mich immer noch ins Thema ein) Grundlage für eine Stabilisierung der Situation ist (die Demokratie kann höchstens gegen Ende der Entwicklung ins Blickfeld kommen, eine Zivilgesellschaft ist auch in undemokratischen Staaten zu haben und kann ein erster Schritt zur Demokratie sein).
Was mir jedoch durchaus schlüssig erscheint ist, daß es ein „weiter so“ nicht geben kann. Wir brauchen die Diskussion über den Einsatz in Afghanistan in der Bevölkerung, am Besten noch bevor die neue Strategie greift, die Soldaten wieder vermehrt auf die Bevölkerung zugehen und die Panzerwagen verlassen und wir größere Verluste zu erwarten haben. Die Taliban wissen schließlich auch vom Strategiewechsel, und sie wissen um die Haltung der deutschen Bevölkerung, deshalb werden vor allem deutsche Soldaten im Visier stehen, um einen übereilten Abzug der Deutschen zu erwirken.
Wichtig im Kopf zu behalten ist, was auch bei einer Kirchentagsdiskussion zur Friedensethik gesagt wurde (ich hab leider vergessen, von wem):
Das Militär kann für einen begrenzten Zeitraum dafür sorgen, daß nicht geschossen wird und so einen Sicherheitsraum schaffen, in dem humanitär gearbeitet wird.
Dieses Zeitfenster scheint sich für Afghanistan zu schließen. Deshalb ist es höchste Zeit, sich Gedanken zu machen, wie man die relative Ruhe ausnutzt, um für Stabilität zu sorgen, und das geht nur zivil. Nach immer wieder genannten Verhältnissen von Militär zu Zivil bei der Konfliktlösung, wurde immer wieder ein Verhältnis von 20:80 genannt, wobei nicht klar wurde, ob sich diese 20% Militär gegenüber 80% zivilem Aufbau auf die finanziellen Kosten oder andere Größen beziehen soll.
Aus all diesen zugegeben noch unsortierten Gedakengängen stellte sich mir nun die Frage, ob diese Mandatierung eines Militäreinsatzes durch den Bundestag im Zusammenhang mit der Mandatierung eines zivilen Einsatzes (Polizeiausbildung, THW, NGOs, whatever…) in das Grundgesetz geschrieben werden sollte, wobei ich mir bei der Formulierung und der Art der Aufnahme ins GG noch absolut unsicher bin.
Deshalb auch dieser Artikel, falls irgendwer sich Gedanken zu der Materie macht und hier kommentieren will, fänd ich das super (falls hier überhaupt noch wer mitliest). Meine Vision ist die, daß wir, wenn wir schon die Bundeswehr ins Ausland schicken, gleichzeitig dafür sorgen, daß ihr Auftrag klar ist und die Soldaten auch wissen, wofür sie den Kopf hinhalten und schließlich auch die Bevölkerung der Zielregion den Nutzen von der ganzen Geschichte hat (das kann man dann auch mal für den Fall der somalischen Piraten durchdenken).
Am wichtigsten finde ich jedoch, daß wir, das Volk, uns darüber austauschen, was wir in Bezug auf die Auslandseinsätze wollen, was wir für hinnehmbar halten, was wir erreichen wollen indem wir unsere Steuergelder und das Leben unserer Soldaten einsetzen etc, und daß die Politik nicht weiter mit Herumdrucksen und Ähnlichem die Probleme umschifft, die Wählerstimmen kosten könnten. Bei aller Indirektheit unserer Demokratie in Deutschland sind schließlich wir, das Volk, der Souverän des Landes, und wir tragen die Verantwortung für das, was getan wird, auch für jeden toten Soldaten und jeden toten afghanischen Zivilisten. Deshalb sollten wir, meiner Meinung nach, diese Verantwortung auch übernehmen und die Politik zwingen, Farbe zu bekennen, damit wir diejenigen in unsere Parlamente delegieren können, die wir am geeignetsten halten.
Kommentare sind herzlich willkommen, ich bin hier gerade selbst noch mitten im Meinungsbildungsprozess. Aber ich denke, es muß etwas getan werden. Wir müssen was tun. Ich muß was tun.