Kristian Köhntopp hat einen sehr lesenswerten Artikel zum Thema Grundrechte und Netzneutralität verfaßt. Darin beschreibt er sehr ausführlich und wohl auch für Internetausdrucker verständlich einige Grundrechte, darunter Meinungs- und Redefreiheit, sowie Rezipientenfreiheit sowie die abgeleiteten Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

Kurz zusammengefaßt haben wir einerseits das Recht zu sagen, was wir meinen und auch zu informieren, wo wir wollen, wobei beide Rechte eingeschränkt werden können. Köhntopp nennt explizit den Jugendschutz, ich denke daß auch die Würde des Menschen mit reinspielt, wenn etwa die Holocaustlüge sowie das Hören rechtsradikaler Musik nicht durch die Grundrechte geschützt werde.

Die abgeleiteten Grundrechte beziehen sich auf den Schutz der Privatsphäre, einmal mit Fokus auf die Weiterverbreitung und Verarbeitung erhobener Daten, einmal mit Fokus auf die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Im weiteren beschreibt Köhntopp das Netz in seiner Funktion als Kanal der Datenübermittlung ebenfalls sehr präzise und treffend.

Warum ich das alles schreibe? Weil ich mich frage, ob das mit der Ableitung der Netzneutralität aus den genannten Grundrechten so stimmt. Sicher darf ich senden und empfangen, mein Rechner ist vor Abhören geschützt und auch was ich sende ist noch eingeschränkt geschützt und darf nicht einfach eingesehen werden. Doch dürfte der Schutz nicht stark genug sein, um nicht wenigstens den Dienst herauszubekommen, den ich nutze, um unter Umständen (VoIP) die Kommunikation abzubrechen von Providerseite.

Der Staat befindet sich eigentlich in engen Grenzen, was die Beschränkung der Netzneutralität angeht. Er kann nur über Gesetze zum Fernmeldegeheimnis agieren. Oder über den Jugendschutz, wobei damit lediglich eine nachgelagerte Zensur möglich ist, daß heißt der Schutz der Jugend muß gefährdet sein und dann greift der Staat in Sende- und Empfangsrechte ein. Etwa mit einem Stoppschild.

Die Unternehmen aber, die das Netz zur Verfügung stellen, haben weitergreifende Möglichkeiten. Sicher dürfen persönliche Daten nicht einfach gespeichert werden wie Mail Inhalte. Aber wer kann verbieten, mitzuzählen, wie viele Mails rausgegangen sind? Oder welche anderen Dienste genutzt werden? Wer kann verbieten, daß bestimmte Dienste unterbunden werden? Bei einer echten Netzneutralität dürfte all das nicht passieren. Es läßt sich jedoch nur schwer mit den genannten Grundrechten unterbinden. Das weiß auch der Staat, deshalb will er die Provider in die Pflicht nehmen. Weil der Staat nicht kontrollieren darf, sollen es die Provider tun. Und damit sie es tun, wird ihnen eine Mitschuld an Straftaten angedichtet. So tut jeder wahrscheinlich gerade noch das, was er darf (wenn den Zensur-Protagonisten nicht ein Fehler unterläuft) und sie kommen doch zu ihrem Ziel.

Die Netzneutralität kann also nicht durch die genannten Rechte gewährleistet werden, auch weil ich keinen Provider zwingen kann, meinen Blog nicht zu sperren für seine Kunden. Das ist seine Entscheidung.

Deshalb muß die Netzneutralität anders begründet werden. Von den Gefahren her, die drohen, wenn es keine Netzneutralität gibt. Im Zweifel muß wirklich ein neuer GG-Artikel her, um die Netzneutralität festzuschreiben in einer Weise, daß sie nicht durch unternehmerisches Handeln, das sich die Regierung zu Nutze machen kann, untergraben wird.