Wenn man es nach den britischen Humanisten beantworten will, dann wohl schlichte Plakate. Jedenfalls ist die neue Kampagne der Dawkins-Jünger nicht mehr an ein bestimmtes Gefährt gebunden, sondern kommt in Form von schlichten Postern daher.

Die übrigens ganz nett aufgemacht sind: Ein Kind und der Spruch „Don’t label me. Let me grow up and choose for myself.“ in bunten Farben auf weißem Hintergrund. Das Kind ist, wie Bischof Nick Baines auf seinem Blog schreibt, übrigens Kind pflingstlerischer Eltern.

Auch wenn es nicht nötig ist, vielleicht kann aber doch jemand kein Englisch, der Spruch nochmal auf deutsch: „Ettikettier mich nicht. Laß mich groß werden und selbst entscheiden.“

Es geht also darum, den Glauben selbst wählen zu können und nicht als Kind indoktriniert zu werden. Was nun einige überraschen mag, ist die durchaus positive Aufnahme der Kampagne auf christlicher Seite. Es wird betont, daß man an der Religionsfreiheit festhält. Wobei besagter Nick Baines auch Kritik anmeldet.

Die Frage ist schließlich: Was kann ich dann dem Kind noch zumuten? Wenn ich als christliches Elternteil sonntags in die Kirche gehe, kann ich mein Kind mitnehmen, oder ist das Beeinflussung? Wenn ich statt dessen sonntags morgens als Atheist in die Kneipe gehe, oder einfach ausschlafe, beeinflusse ich mein Kind dann nicht von der Kirche weg, oder muß ich als Atheist das Kind in die Kirche schicken, um es nicht zu beeinflussen? Oder in die Moschee, die Synagoge…?

Ich schließe mich Baines an, wenn er sagt, daß er es unterstützt, Kinder so zu erziehen, daß sie intelligent über Moral etc nachdenken können. Aber kann ich sie als Vakuum erziehen, ohne ihnen in irgend einer Weise religiös oder philosophisch etwas zu sagen? Kann ich dann, am 18. Geburtstag des Kindes behaupten, ich hätte das Kind gut vorbereitet auf das Leben? Muß es nicht alles Entscheidende, oder zumindest der Teil, der nicht wirtschaftlich verwertbar ist, noch lernen? Selbst? Auf sich alleine gestellt, und anfällig für sämtliche Heilsversprechen, wie abstrus sie auch sein mögen?

Wäre ich evangelikal, würde ich vielleicht sagen: So geht der Satan vor: Erst sollen wir die Kinder nicht erziehen, dann kann er sie durch irgendwelche Sekten vollends ins Verderben führen.

Nun bin ich kein Evangelikaler, und hab’s trotzdem geschrieben. Ich werd’s aber nicht weiter verfolgen, sondern in eine andere Richtung gehen. Es fällt doch auf, daß hier Gläubige und Nichtgläubige übereinstimmen, auch wenn man es nicht erwartet hätte. Beide Seiten scheinen zu meinen, daß man keinen Druck ausüben soll, Religion X anzunehmen, und ich nterstelle einfach einmal, daß die britischen Humansiten bei der Kampagne auch nicht daran gedacht hatten, den Kindern nun gar nichts mehr beizubringen, abgesehen vielleicht von funktionalem Wissen, wie man sich die Haare kämmt, sich anzieht, alleine auf Toilette geht oder die grundlegendsten Haushaltsaufgaben bewerkstelligt… Auch den Humanisten ist sicherlich klar, daß es auch noch eine moralische Erziehung geben muß, eine Orientierung in der Welt für die Kinder, oder wie man neudeutsch sagt: Ein Wertesystem.

Wo ich mir nicht so sicher bin ist, ob nun christliche Wertesysteme genau so anerkannt werden, wie humanistisch-atheistische (dabei wird immer so getan, als gäbe es keinen christlichen Humanismus). Wenn sie ihre eigene Kampagne ernst nehmen, dann können sie den Kindern nicht einseitig das Wertelabel „Humanist“ geben, zumindest nicht „atheistischer Humanist“. Denn dazu gibt es Konkurrenzangebote in der Gesellschaft. Und diese sind nicht unmoralisch. Die Frage ist also:

Wie viel Label geht, und wo wird es zur Zwangsettikettierung?

Was sind also die Werte, auf die sich alle in der Gesellschaft einigen können Und: Gibt es solche Werte überhaupt, gibt es Gemeinsamkeiten zwischen allen Menschen, oder gibt es immer auch ein paar Ausreißer (wahrscheinlich in jede Richtung), die nicht reinpassen, egal wie klein man den Konsens faßt?

Ich denke, die Moral, an die wir uns halten, die wir unseren Kindern beizubringen versuchen, muß nicht bei jedem Menschen die gleiche Basis haben. Einige berufen sich auf die Philosophie, andere auf ihren Glauben, ob nun Christ, Moslem, Hindu oder Jude. Diese Unterschiede, denke ich, muß die Gesellschaft zulassen, aber die Gesellschaft muß auch sehen, daß sie einen Konsens findet in den moralischen Fragen, der das Zusammenleben ermöglicht. Auch wenn die jeweiligen Begründugnen anders sind. Dann wären die Labels nicht die Religionen, sondern die verschiedenen Vorstellungen von Moral.

Wenn die Kampagne so zu verstehen ist, daß sie dazu aufruft, den Kindern nicht ein auf was auch immer (Religionen) basierendes Wertesystem einzutrichtern, das

  1. fundamentalistisch, kompormißlos und aggressiv gegen andere Systeme ist und somit
  2. ein Zusammenleben in der Gesellschaft verunmöglicht,

dann steh ich voll hinter der Kampagne. Die Frage ist, ob der britische Humanistenverband das auch so meint. Aber ich denke, die Plakate werden wie die Busse eine Diskussion in der Gesellschaft lostreten. Da kann man die Frage dann ja klären.