Vielleicht ist es schon zu spät.

So habe ich den letzten Artikel beendet. Ich schrieb über den Teufelskreis, in dem wir uns selbst gefangen haben mit dem Krieg gegen den Terror, der den Terror ja mit seinen eigenen Mitteln zu beenden sucht. Denn was ist Krieg anderes als Terror?

Also was können wir tun, wenn wir überhaupt etwas tun können? Wo setzen wir an? Der Terror funktioniert so, daß er Menschen in Situationen bringt, in der sie meinen, nicht mehr anders handeln zu können. Situationen der Hoffnungslosigkeit.

Wenn eine Stadt oder ein Land Ort eines Terroranschlages wurde, wenn die Bürger dieser Stadt und dieses Landes die Opfer sind, was kann die politische Führung anderes tun als die Bestrafung der Schuldigen zu geloben?

Und so sagte auch Präsident Bush gleich im zweiten Satz seiner Rede am 11. September 2001:

The United States will hunt down and punish those responsible for these cowardly acts.

Die Vereinigten Staaten werden die für diese feigen Taten Verantwortlichen zur Strecke bringen und bestrafen.

Gewalt erzeugt Gegengewalt. Ein politischer Führer hat in dieser Situation keine Hoffnung, daß irgend etwas anderes als Gewaltbereitschaft als Antwort auch nur angemessen wäre, geschweige denn funktionieren könnte.

Aus Angst vor Kontrollverlust begibt er sich auf den Kriegspfad. Täte er das nicht, bekäme er Probleme mit der Bevölkerung, die in ihrer Mehrheit nach solchen Terrorakten nach Vergeltung schreit – überall in der Welt. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal der Amerikaner.

Und die Attentäter? Damals 2001 sah es noch so aus, als seien das glühende Anhänger eines radikalen Islams. Heroen, die sich für ihre Sache opfern. Wären es nicht die Feinde gewesen, hätte Hollywood sicher großartige Filme über sie gedreht.

Inzwischen bin ich skeptisch. Über die Jahre habe ich den Eindruck gewonnen, daß diejenigen, die sich dem Kampf der Islamisten anschließen und als Selbstmordattentäter zur Verfügung stellen, eher weniger dem Hollywood-Heldentyp entsprechen und eher dem Verlierertyp, der keine Freunde hat und daher einen Haß auf die Welt entwickelt.

Manche dieser Menschen werden rechtsextrem, andere linksextrem, manche werden von Sekten eingefangen und manche eben von den Islamisten.

Das schlimme ist, daß diese verletzlichen Menschen in ihrer Hoffnungslosigkeit in den seltensten Fällen Hilfe erfahren, sondern Ausbeutung. Egal, ob sie in rechten, linken, islamistischen oder sektiererischen Gruppen Anschluß finden, sie erhalten Anerkennung nicht für das, was sie sind, sondern dafür, daß sie mitziehen – bei was auch immer.

Echte Freundschaft ist das nicht, das merkt ein Nazi sofort, wenn er sich in eine Türkin verliebt und es seinen „Kumpels“ erzählt. Analoge Beispiele gibts für alle Gruppen.

Und so bleibt auch die Hoffnungslosigkeit grundsätzlich  bestehen, denn sie schweißt die Menschen an die Gruppen. Die Angst, wieder alleine dazustehen bewahrt vor allzu viel Selbstbewußtsein.

Eine Erlösung von diesem Zustand ist innerhalb der Gruppe nicht vorgesehen. Man kann tun, was man will, sich als der ideologisch gefestigste Anhänger zeigen, man kann Einsatz bringen, wie man will, man wird nie die Freiheit erlangen, der Mensch zu sein, der man eigentlich ist. Man wird sich immer in den engen Bahnen der Ideologie bewegen müssen. Wenn man Pech hat, wird man „auserwählt“, für die größere Sache sein Leben zu geben (weil alle anderen höher in der Hackordnung stehen – den Letzten beißen die Hunde).

Ist man in dieser Situation, erfährt man diese Hoffnungslosigkeit, dann ist es auch nicht mehr weit zum Selbstmordanschlag. Womöglich ist man dann in der Zeit bis zum Anschlag wenigstens der Größte, den alle lieben.

So sucht man, sein Heil durch eigenes Tun zu erlangen. Doch so ist das Heil nicht zu erreichen. Das Heil ist Geschenk, dem Menschen unzugänglich, und es ist nur im Glauben zu haben.

Der Mensch wird immer, was er auch tut, auf seine Tüchtigkeit zurückgeworfen werden. Somit wird er nicht anerkannt für das, was er ist, nämlich ein Kind Gottes, sondern für das, was er zu leisten vermag. Wer weniger kann, wer weniger bringt, hat weniger Wert und bleibt auf der Strecke. Und wer sich als wertlos erlebt, sprengt sich auch eher in die Luft, um sich zu rächen.

Dem Menschen in der Hoffnungslosigkeit hilft nur, wenn er Gott erkennt, und daß er von Gott geliebt ist, weil er der ist, der er ist, nicht weil er irgend etwas besonders gut könnte. Alles, was der Mensch vermag, vermag er nur, weil Gott es gibt.

Die Liebe Gottes kann er erkennen, wenn andere Menschen ihm Liebe zeigen. Er muß aber nicht. Er kann es erkennen, wenn er aus einer Notsituation gerade noch herauskommt. Er muß aber nicht. Alles, was für ihn subjetiver Grund sein könnte, Gottes Liebe zu ihm zu erkennen, könnte auch objktiv anders erklärt werden.

Man könnte meinen, es läge an ihm, zu entscheiden, ob er die Interpretation des Eingreifen Gottes nun für sich bejaht oder nicht. Ich denke aber, er entscheidet das nicht.

Man entscheidet ja auch nicht, daß man den Himmel jetzt mal für grün hält statt für blau. Man muß schon selbst überzeugt sein, es selbst so sehen. Sonst macht man sich etwas vor und verfällt letztlich wieder in alte Muster: Selbst tun, um etwas zu erreichen, um sich das Heil zu erarbeiten.

Aber so läuft das nicht. Alle Gotteserkenntnis geht von Gott aus. Er offenbart sich, wenn Er es will – und wir können nur darauf antworten.

Zur Antwort gehören dann auch die guten Werke. Etwa sich den Marginalisierten zuzuwenden, weil auch sie Kinder Gottes sind – egal wie sehr man ihnen aufgrund von religiösen, kulturellen oder sonstigen Gründen fern steht. Im Zweifel gilt: Liebe Deine Feinde.

Das wird keiner von sich aus so tun können oder wollen. Das geht nur als Antwort auf die Offenbarung Gottes und nicht aus Pflichtgefühl – hat man lediglich Pflichtgefühl, werden einen die Kräfte verlassen.

Aus dem Glauben und der damit zusammenhängenden Gewißheit, von Gott geliebt und von Ihm beschützt zu sein, folgt dann auch der Wunsch danach, den Nächten Gutes zu tun – egal wer sie sind.

Das ist unterschiedlich ausgeprägt, weil wir Menschen nun einmal unterschiedlich sind. Und weil es keine eigene Leistung ist, braucht sich auch kiener hinzustellen und anzugeben, wie großartig er im Vergleich zu allen anderen ist.

Heilige verehrt man nicht, weil sie so großartig waren, sondern weil sich in ihnen Gottes Wesen in besonderer Art zeigte – das heißt nicht, daß er nicht in anderen noch viel Größeres im Verborgenen bewirkte.

Und so werden die Menschen zu Gottes Werkzeugen und verbreiten das Heil, das von ihm ausgeht. Das Reich wird gebaut, in der Welt, durch die Menschen, aber von Gott.

Die Menschen sind erlöst: Die Fesseln, die sie in der Tretmühle hielten, sich Anerkennung zu erarbeiten, sind los in dem Moment, in dem sie merken, daß sie diese Anerkennung von Gott bekommen, ohne erst etwas dafür leisten zu müssen.

Gott zerstört die Leistungsgesellschaft, indem er die Preise kaputt macht. Er stellt das begehrte Gut, Liebe und Anerkennung, in unendlicher Menge frei zur Verfügung. Wer lässt sich dann noch von Menschenfängern wie Nazis, Islamisten und anderen ausbeuten, um wenigstens ein bißchen Anerkennug zu erhaschen?

Und damit ist das Heil auch die Erlösung aus der menschlichen Logik, alles selbst tun zu wollen.

 

Comments

Comment by Thomas Jakob on 2016-08-14 17:14:39 +0100

„Denn was ist Krieg anderes als Terror?“

Krieg ist etwas anderes als Terror. Details hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg

https://de.wikipedia.org/wiki/Terror

Deine Entdifferenzierung ist im Übrigen völlig unnötig. Wenn Terror zu Krieg und dieser wiederum zu Terror führt, funktioniert der Teufelskreis auch.

„So sucht man, sein Heil durch eigenes Tun zu erlangen. Doch so ist das Heil nicht zu erreichen. Das Heil ist Geschenk, dem Menschen unzugänglich, und es ist nur im Glauben zu haben.“

Dein direkter Übergang von islamistischen Selbstmordattentaten zu protestantischer Theologie irritiert mich ein wenig. Soll die Unmöglichkeit einer Selbsterlösung durch böse Taten als Beleg für die Richtigkeit einer bestimmten Spielart christlicher Theologie dienen?

Aber bevor die theologische Teil anfängt: Was ist das Heil? Worin besteht es?

„Und wer sich als wertlos erlebt, sprengt sich auch eher in die Luft, um sich zu rächen.“

Bei Nicht-Muslimen, die sich als wertlos erleben, ist das deutlich seltener. Woran liegt das?

„Alles, was der Mensch vermag, vermag er nur, weil Gott es gibt.“

In Form von Veranlagung, Erziehung, Umwelteinflüssen und der konkreten Situation, in der sich ein Mensch befindet.

„Alles, was für ihn subjetiver Grund sein könnte, Gottes Liebe zu ihm zu erkennen, könnte auch objktiv anders erklärt werden.“

Gut. Wichtiger Punkt.

„Man könnte meinen, es läge an ihm, zu entscheiden, ob er die Interpretation des Eingreifen Gottes nun für sich bejaht oder nicht. Ich denke aber, er entscheidet das nicht.“

Eine alte philosophische Streitfrage, die mMn nicht entscheidbar ist.

„Alle Gotteserkenntnis geht von Gott aus. Er offenbart sich, wenn Er es will – und wir können nur darauf antworten.“

Das ist nur ein Dogma. Das kann man nicht wissen. Das könnte auch anders sein, ohne im Widerspruch zu dem zu stehen, was wir erkennen können.

Was ist denn eigentlich, wenn wir nicht darauf antworten?

„Die Menschen sind erlöst: Die Fesseln, die sie in der Tretmühle hielten, sich Anerkennung zu erarbeiten, sind los in dem Moment, in dem sie merken, daß sie diese Anerkennung von Gott bekommen, ohne erst etwas dafür leisten zu müssen.“

Soweit ist alles fein. Die intrinsische Motivation zum Guten ist das Ideal, verstanden. Habe ich ähnlich in Luthers Vorred zum Römerbrief und davor bei Meister Eckart gefunden. Dem kann ich zustimmen.

Aber was ist mit dem Menschen, der das hört, für sich bejaht, dann ein wenig Gutes tut, durchaus weniger als er könnte, und selbstzufrieden seiner natürlichen Faulheit folgt? Und was ist mit dem zweiten, der selbst bisher aus Pflichtgefühl mehr für andere getan hat, der sieht, dass es dem ersten genauso gut geht, hört, dass der Pastor in seiner Predigt diesen noch in seiner Trägheit bestärkt und der es dann auch langsamer angehen lässt? Ich finde, für diese beiden Typen z. B. reicht die Beschränkung auf ein selten erreichtes Ideal nicht aus.

„Gott zerstört die Leistungsgesellschaft, indem er die Preise kaputt macht.“

Es ist eine bestimmte Art von Theologie, die die Preise kaputt macht. Bonhoeffer hat das als billige Gnade beschrieben. Gott einfach mal so dafür in Anspruch zu nehmen, halte ich für glattweg unzulässig („Namen nicht unnützlich führen“), aber das nur nebenbei.

Diese Theologie hat bestimmte Probleme gelöst und damit ein paar neue geschaffen. Das kann man ausgleichen, indem man die Bibel zum Thema gute Werke direkt liest.

„Und damit ist das Heil auch die Erlösung aus der menschlichen Logik, alles selbst tun zu wollen.“

Ich merke hier nur an, dass es mehr gibt als die Dichotomie von alles oder nichts.

Comment by De Benny on 2016-08-15 21:12:04 +0100

Deine Entdifferenzierung ist im Übrigen völlig unnötig. Wenn Terror zu Krieg und dieser wiederum zu Terror führt, funktioniert der Teufelskreis auch.

Mir gehtes tatsächlich darum, das herauszukehren, was gleichartig ist, um nicht dem einen oder dem anderen einen moralischen Vorsprung zuzusprechen.

Dein direkter Übergang von islamistischen Selbstmordattentaten zu protestantischer Theologie irritiert mich ein wenig.

Der Artikel ist mir in der Tat etwas verunglückt. Ich wollt ne Verbindung herstellen zwischen denen, die das Heil suchen bzw denen, die vorgeben, Heil bieten zu können und dem, was ich als Heil erlebe. Ich hatte vor, eine Artikelreihe zu schreiben und kam dann durcheinander, weshalb das hier so verworren ist, wie es ist. Ich könnte es löschen, aber davon bin ich kein Freund.

Soll die Unmöglichkeit einer Selbsterlösung durch böse Taten als Beleg für die Richtigkeit einer bestimmten Spielart christlicher Theologie dienen?

Sicher nicht, geht ja auch nicht. Ich argumentiere hier auch nicht so viel wie ich essonst versuche, sondern behaupte, wenn Du so willst. Man könnte auch sagen, ich bekenne. Es ist ne zeimlich persönliche Sicht der Dinge, was ich vielleicht stärker hätte herausstellen müssen. Auch so ein verunglückter Punkt.

Aber bevor die theologische Teil anfängt: Was ist das Heil? Worin besteht es?

Manchmal denkeich, ich könnte es in ein, zwei klare Sätze fassen, dann liegt es mir fast auf der Zunge.Dann versuche ich, es niederzuschreiben – und scheitere. Vielleicht so: Heil ist Erlösung von den äußeren Zwängen, Geborgenheit in Gott und der Gewissheit, zu Ihm zu gehören und von Ihm getragen zu sein.

Viele hohle Worte, ich weiß. Da müßte man nch viel dazusagen, könnte ganze Bücher füllen. Es ist zum Teil Gefühl und Erfahrung. Inwiefern hier Argumente ne Rolle spielen… ich weiß es nicht.

Bei Nicht-Muslimen, die sich als wertlos erleben, ist das deutlich seltener. Woran liegt das?

Ich habe da keine Zahlen vorliegen. Hängt vielleicht auch mit Ressourcen zusammen, dieman zur Verfügung hat. Steinhäuser hatte Schußwaffen und nutzte die. Der Pilot der Germanair Maschine hatte ein Flugzeug. Islamisten stellten den von ihnen Ausgenutzten wohl verstärkt Sprengstoff zur Verfügung. Vielleicht ist es auch kulturelle bedingt, also jetzt nicht im Sinne von nationalkultur etc, sondern eher sowas wie Unternehmenskultur…

In Form von Veranlagung, Erziehung, Umwelteinflüssen und der konkreten Situation, in der sich ein Mensch befindet.

Dem widerspreche ich nicht. Ich verstehe diese Liste nicht als abschließend, sondern bin für weitere Möglichkeiten offen.

Eine alte philosophische Streitfrage, die mMn nicht entscheidbar ist.

Nun, ich habe es so erlebt wie ich es schreibe, und mir ist auf Anhieb kein Fall bekannt, wo jemand sagt, er habe es anders erlebt. Das hat für mich was überwältigendes, die Frage, ob ich selbst was beigetragen habe, stellt sich da gar nicht mehr. Aber wie gesagt: Mein Erleben.

Das ist nur ein Dogma. Das kann man nicht wissen. Das könnte auch anders sein, ohne im Widerspruch zu dem zu stehen, was wir erkennen können.

Hmm, wenn ich gegen Gottes Willen Erkenntnis über Ihn erlangen könnte, wäre Er da nicht zumindest teilweise unter meiner Kontrolle? Was für ein Gott wäre das?

Was ist denn eigentlich, wenn wir nicht darauf antworten?

Hmm, man könnte auf Calvins doppelte Prädestination und die Verdammten verweisen. Ich erlebe es nicht so, daß ich die Wahl hätte zu antworten, das geschieht einfach. Und zwar auf meine Weise. Insofern ist die Antwort auch nicht quantifizierbar. Niemand ist da besser oder schlechter als der andere (was der doppelten Prädestination nicht widersprechen muß, sie aber noch unerträglicher macht).

Es ist eher so: Wenn ich gemerkt habe, daß ich mit ner Schaufel einfacher ein Loch grabe als mit bloßen Händen, nehme ich die Schaufel. Große Entscheidungen trifft man da nicht, oder?

Aber was ist mit dem Menschen, der das hört, für sich bejaht, dann ein wenig Gutes tut, durchaus weniger als er könnte, und selbstzufrieden seiner natürlichen Faulheit folgt?

Über den will ich nicht urteilen, denn ich bin nicht zum Richter bestellt (was nicht heißt, daß ich es nicht andauernd tue). Man könnte freilich fragen, ob und inwiefern er wirklich mehr tun könnte, oder ob es Gründe gibt, die ihn hindern, mehr zu tun, die einfach nicht offensichtlich sind.

Ich tendiere auch zunehmend dazu, den Begriff „Faulheit“ kritisch zu sehen, aber das ist ein anderes Thema.

Ich kann mir im Moment schwer vorstellen, wie man gleichzeitig selbstzufrieden ist und bejaht, was ich geschrieben habe, vor allem wenn man den ganzen Sündenaspekt mit rein bringt. Da kann man schlecht zufrieden sein. Man kann höchstens seine eigene Sündhaftigkeit annehmen und versuchen, es besser zu machen. Aber dann ist man ja schonnicht mehr „faul“.

Ich finde, für diese beiden Typen z. B. reicht die Beschränkung auf ein selten erreichtes Ideal nicht aus.

Es geht ja nicht darum, irgendein Ideal zu erreichen. Es geht auch nicht darum, möglichst viel Leistung zu bringen beim Versuch, einem Ideal möglichst nahe zu kommen. Es geht (unter anderem) darum, die eigene Unzulänglichkeit (Sündhaftigkeit) und die anderer zu erkennen, zu ertragen und zuvergeben aus der Erkenntnis heraus, daß Gott die Menschen liebt.

Es ist eine bestimmte Art von Theologie, die die Preise kaputt macht. Bonhoeffer hat das als billige Gnade beschrieben.

Genau die meine ich nicht. Bonhoeffer verlangt nach meiner Kenntnis nicht, daß man einen Eintrittspreis zahlt. Die Preise sind kaputt. Billige Gnade wäre es erst, wenn man anfängt, nachdem die Preise kaputt sind, neuerlich einen Handel aufzubauen und sich selbst zu entschuldigen, indem man Gott in Anspruch nimmt. Das wäre nicht nur unzulässig, das wäre IMHO Gotteslästerung.

Ich merke hier nur an, dass es mehr gibt als die Dichotomie von alles oder nichts.

Weltlich gebe ich Dir Recht. Bei der Erlösung sehe ich das anders: Entweder man ist erlöst oder nicht. Andere Werte übersteigen hier meinen Horizont.

 

Comment by Thomas Jakob on 2016-08-16 23:11:35 +0100

Heil ist Erlösung von den äußeren Zwängen, Geborgenheit in Gott und der Gewissheit, zu Ihm zu gehören und von Ihm getragen zu sein.

Ja, finde ich gut so.

Hmm, wenn ich gegen Gottes Willen Erkenntnis über Ihn erlangen könnte, wäre Er da nicht zumindest teilweise unter meiner Kontrolle? Was für ein Gott wäre das?

Sehr sophistisch. Und? Wäre er es? Ist teilweise Kontrolle überhaupt Kontrolle? Ist z. B. eine teilweise Kontrolle von 20 % noch als Kontrolle zu bezeichnen?

Nach meinem Verständnis geschieht nichts ohne Gottes Willen. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass sich der Herr um jeden Kleinkram höchstpersönlich kümmern müsste. Delegation, Automatismen und Selbstregulierung gehören für mich durchaus dazu.

Hmm, man könnte auf Calvins doppelte Prädestination und die Verdammten verweisen.

Wenn es keine Prädestination gibt, ist es gleichgültig, ob sie von Luther, Zwingli oder Calvin behauptet wurde.

Ich erlebe es nicht so, daß ich die Wahl hätte zu antworten, das geschieht einfach.

Subjektiv ist das nicht entscheidbar. Weder in der einen noch in der anderen Richtung.

Es ist eher so: Wenn ich gemerkt habe, daß ich mit ner Schaufel einfacher ein Loch grabe als mit bloßen Händen, nehme ich die Schaufel. Große Entscheidungen trifft man da nicht, oder?

Kommt drauf an. Wenn ich Archäologe bin, benutze ich mal die Schaufel, mal die bloßen Hände und mal einen feinen Pinsel.

Meine Frage hast Du nicht beantwortet. Was ist, wenn wir nicht ja sagen zu dem Liebesangebot? Du hast ja gesagt, ich habe ja gesagt, aber es gibt Leute, die auf ganz unterschiedliche Art ablehnende oder indifferente Antworten geben. Ich halte eine minimale Mitwirkung in Form der Annahme des Geschenks für nötig.

Es geht ja nicht darum, irgendein Ideal zu erreichen. Es geht auch nicht darum, möglichst viel Leistung zu bringen beim Versuch, einem Ideal möglichst nahe zu kommen.

Das Ideal, das ich meinte, war der Mensch, der die äußere Motivation nicht braucht, sondern von Innen heraus, aus dem Gefühl des Geliebtseins und Beschenktseins und aus dem Wunsch heraus, beides weiterzugeben, permanent Gutes tut, ohne dass er sich dafür besonders anstrengt (Liebe und dann tu, was du willst! Augustinus, ähnlich Eckart, ähnlich Luther).

Nur wenigen Menschen ist das so gegeben, und die Frage ist: Was ist das Richtige für den Rest? Luther hat es mit Engagement und Perfektionismus versucht und ist an seinen eigenen, vielleicht zu hohen Ansprüchen gescheitert. Der Gegenpol damals war eine Kirche, die sich die biblische Forderung nach guten Werken als Machtinstrument und Geldquelle zunutze gemacht, sie so missbraucht und pervertiert hat. Luther hat diesen Praktiken mit seiner Theologie gründlich den Zahn gezogen.

Für heutige Verhältnisse wohl zu gründlich. Die evangelische Kirche hat auf der Basis von Luthers Theologie keine Chance mehr, die Leute am Schlafittchen zu packen und zu guten Taten zu motivieren. Sie ist wie ein Schäferhund ohne Zähne, der an den Schafen nur noch lutschen kann. Wir haben den Auftrag, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Wir haben den Auftrag, Leute zu missionieren. Wir sind das nicht und wir machen das nicht, ich schließe mich selbst da durchaus ein.

Jungen Muslimen in Deutschland fällt auf, dass die Deutschen ihr Christentum nicht leben (Umfrageergebnis). Das ist eine Ohrfeige! Positiv gesehen, ein Weckruf. Nach Lessings Ringparabel lässt sich nicht entscheiden, welcher Ring der echte ist, aber es wird im Nachgang durch die guten Werke entschieden. Daran ist etwas. Wir befinden uns nicht in der Psychoanalyse, wir stehen im Wettbewerb.

Bonhoeffer verlangt nach meiner Kenntnis nicht, daß man einen Eintrittspreis zahlt.

Er fordert Nachfolge. Das ist ein knallhartes Programm. Mehr, als die meisten leisten können oder wollen.

Weltlich gebe ich Dir Recht. Bei der Erlösung sehe ich das anders: Entweder man ist erlöst oder nicht. Andere Werte übersteigen hier meinen Horizont.

Mir ging es um den Teil Leistung, nicht um den Teil Erlösung.

Comment by De Benny on 2016-08-18 15:29:50 +0100

Sehr sophistisch. Und? Wäre er es? Ist teilweise Kontrolle überhaupt Kontrolle?

Ich meine Kontrolle in dem Sinn, daß ich eigene, kontrollierbare Beobachtungen mache. IMHO geht das bei Gott nicht, weil Gott sich dann ja nicht wehren könnte gegen einen Menschen. Paßt nicht in mein Konzept von Gott und bin mir unsicher, ob es in das Gotteskonzept irgend eines Menschen paßt.

Das bedeutet aber nicht zwingend, dass sich der Herr um jeden Kleinkram höchstpersönlich kümmern müsste. Delegation, Automatismen und Selbstregulierung gehören für mich durchaus dazu.

Ich glaube, die Kategorien helfen nicht weiter. Wenn Gott alles richtig sieht, kann er die Stellschrauben schon am Anfang so stellen, daß alles so abläuft wie geplant, das heißt aber nicht, daß Er den Kleinkram nicht im Kopf und bedacht hätte.

Wenn es keine Prädestination gibt, ist es gleichgültig, ob sie von Luther, Zwingli oder Calvin behauptet wurde.

Stimmt, Du lehnst die ja ab…

Subjektiv ist das nicht entscheidbar. Weder in der einen noch in der anderen Richtung.

Subjektiv hast Du tausend Antworten. Objektiv hast Du gar nichts. Wie würdest Du Dich dieser Fragestellung objektiv nähern wollen?

Meine Frage hast Du nicht beantwortet. Was ist, wenn wir nicht ja sagen zu dem Liebesangebot? Du hast ja gesagt, ich habe ja gesagt, aber es gibt Leute, die auf ganz unterschiedliche Art ablehnende oder indifferente Antworten geben. Ich halte eine minimale Mitwirkung in Form der Annahme des Geschenks für nötig.

Wer nicht ja gesagt hat, dem wurde das Liebesangebot noch nicht existenziell unterbreitet. Der hat es vielleicht mal gehört, aber noch nicht in seinen Konsequenzen erfasst. Wie gesagt, wenn ich hier nachgebe, dann sage ich praktisch: Ein Mensch kann sich den „Himmel“ verscherzen durch eigenes Tun. Diesen Schritt kann ich nicht gehen. Der Mensch ist gerechtfertigt, er muß es nicht mehr selbst leisten.

Nur wenigen Menschen ist das so gegeben, und die Frage ist: Was ist das Richtige für den Rest?

Ich denke, daß das augustinische Diktum auch für die anderen Menschen gilt. Ich glaube es war bei C.S. Lewis wo ich mal las, daß keiner in den anderen reinsehen kann. Keiner weiß, mit welchen Lasten der Mitmensch umgeht. Ja, manche haben das Charisma, wahnsinnig viele offensichtliche Liebestaten zu tun. Andere können nur weniger tun, weil sie so geschaffen sind. Manche tragen ein schweres Päckchen mit sich rum, und wieder andere haben eine Gabe für Taten im Verborgenen, die man nicht erkennt, deren enorme Wirkung sie womöglich selbst nicht überblicken.

So gesehen würde ich auch abstand davon nehmen zu sagen, Luther wäre gescheitert. Ist er das wirklich? Er hat eine Reformation losgetreten, die die Weltkirche und die ganze Weltgeschichte nachhaltig prägte, und bei weitem nicht nur zum Schlechten.

In der Bibel ist ein Jesuswort überliefert, daß wir nicht richten sollen. Ich denke, das paßt hier ganz gut. Wie gut oder schlecht jemand die Liebe Gottes umsetzt in seinem Leben, kann keiner von uns entscheiden, ohne alle Fakten zu kennen. Und die kennt keiner.

Irgendwo sagt Jesus auch, daß wir größere Taten vollbringen werden als Er. Er kümmerte sich vor allem um die Juden, Paulus ging einen Schritt weiter. Luther war von Judenhaß geprägt, auch da sind wir heute weiter auf der Bahn.

Das Richtige ist immer, zu lieben. Alles andere ergibt sich. Es ist keine Leistungsschau.

Die evangelische Kirche hat auf der Basis von Luthers Theologie keine Chance mehr, die Leute am Schlafittchen zu packen und zu guten Taten zu motivieren.

Ich frag mich, ob das überhaupt die Aufgabe der Kirche ist. Aufgabe der Kirche ist Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung, nicht Belehrung des Volkes.

Wenn allerdings die Verkündigung dazu führt, daß Menschen gute Taten tun, ist das sicher ein schöner Nebeneffekt. Zielt man aber darauf in der Hauptsache ab, wird es schief.

Wir haben den Auftrag, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein.

Nein, wir haben nicht den Auftrag, wir sind es, wenn wir der Bergpredigt glauben. Und deshalb sollen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Aber anmachen müssen wir das Licht nicht.

Wir haben den Auftrag, Leute zu missionieren.

Kommt drauf an, wie Du „missionieren“ verstehst. Missio ist Sendung. Man knn gesandt sein, dann ist man Missionar. Aber wie missioniert man. Wohl, indem man andere Leute sendet. Das tun wir ja in der Verkündigung.Ob die gehen oder nicht, liegt allerdings nicht in unserer Hand.

Jungen Muslimen in Deutschland fällt auf, dass die Deutschen ihr Christentum nicht leben (Umfrageergebnis). Das ist eine Ohrfeige! Positiv gesehen, ein Weckruf.

Da stimme ich Dir zu. Die Frage ist: Wie soll es anders werden? Sollen die Deutschen wieder anfangen, das, was sie für christlich halten vor ihre jeweiligen Karren zu spannen? AfD und Pegida bemühen ja grad wieder das „christliche“ Abendland in ihrer Propaganda (und ich bin froh, daß diesmal der größte Teil der Kirchenverantwortlichen dem eine klare Absage erteilt).

Du bist religiös und ich bin religiös, und uns merkt man das auch an. Auf unseren Blogs, bei Twitter und sicher auch im richtigen Leben. Mehr können wir nicht tun und selbst das tun wir, ohne un bewußt dafür zu entscheiden. Wir tun es, weil es uns entspricht.

Nach Lessings Ringparabel lässt sich nicht entscheiden, welcher Ring der echte ist, aber es wird im Nachgang durch die guten Werke entschieden. Daran ist etwas. Wir befinden uns nicht in der Psychoanalyse, wir stehen im Wettbewerb.

Der Unterschied aber etwa zu einem Marathonlauf ist der, daß wir nicht nachprüfen können, nicht sehen können, ob uns jemand voraus ist oder ob wir das Feld anführen oder ob wir im Mittelfeld unterwegs sind. Wir wissen es halt erst hinterher. Deshalb würde ich sagen: Nicht beirren lassen.Das tun, was man für richtig hält und offen bleiben gegenüber anderen.

Er fordert Nachfolge. Das ist ein knallhartes Programm. Mehr, als die meisten leisten können oder wollen.

Sicher ist es knallhart. Das steht außer Frage. Aber fordert er es von Menschen, die das nicht können oder wollen? Lehrt er Synergismus?

Mir ging es um den Teil Leistung, nicht um den Teil Erlösung.

Achso. So lange es nicht um die Erlösung geht, sondern um Weltliches, ist es freilich nicht nur eine Dichotomie. Verschiedene Menschen sind verschieden leistungsfähig und -willig. Im Weltlichen kann der Mensch tun, was er will. Wenn es um das Heil geht, kann er allerdings gar nichts mehr tun. Er will dann aber vielleicht etwas anderes…

Comment by Thomas Jakob on 2016-08-19 17:36:09 +0100

Ich meine Kontrolle in dem Sinn, daß ich eigene, kontrollierbare Beobachtungen mache. IMHO geht das bei Gott nicht,

Erkenntnis und Kontrolle zwei grundverschiedene Dinge, die man nicht durcheinanderbringen sollte. Dass mMn nichts geschieht ohne Gottes Willen, hatte ich zuvor schon geschrieben. Wie man zur Erkenntnis kommt, ist damit noch nicht festgelegt. Sie kann einem eingetrichtert werden, sie kann irgendwo oder überall hinterlegt werden zu eigenen Abholung, es kann sein, dass man sie im Verlauf eines Lebens in tätiger Nächstenliebe erwirbt. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

weil Gott sich dann ja nicht wehren könnte gegen einen Menschen.

🙂 Die Frage stellt sich überhaupt nicht. Von vornherein absurd (vgl. Prediger 5,1). Dennoch können Menschen ein klein wenig erkennen, und sei es nur ein dunkles Bild in einem Spiegel.

Zum Vergleich. A) Es gibt kontrollierbare Beobachtungen des Weltalls durch Menschen. B) Die Aussage, das Weltall könne sich gegen den Menschen nicht wehren, ist absurd und sinnlos. C) Die Schlussfolgerung, dass A) nicht sein kann, weil B) nicht sein darf, ist deshalb ebenfalls sinnlos.

Wenn Gott alles richtig sieht, kann er die Stellschrauben schon am Anfang so stellen, daß alles so abläuft wie geplant, das heißt aber nicht, daß Er den Kleinkram nicht im Kopf und bedacht hätte.

Mechanistisches Weltbild, 19. Jahrhundert. Aus meiner Sicht überholt.

Subjektiv hast Du tausend Antworten. Objektiv hast Du gar nichts. Wie würdest Du Dich dieser Fragestellung objektiv nähern wollen?

Es ging darum, ob ich die Entscheidung zur Annahme für frei oder determiniert halte. Ich halte sie für frei, kann mich aber irren, Du hältst sie für determiniert und kannst Dich ebenfalls irren. Ich sehe keine Chance, das irgendwie objektiv zu überprüfen.

Wer nicht ja gesagt hat, dem wurde das Liebesangebot noch nicht existenziell unterbreitet.

Das ist eine Argumentation nach dem Schema, wer nicht geheilt wurde, der hat eben noch nicht richtig geglaubt. Stimmt immer, ist aber leicht durchschaubar und letzlich trivial.

Ein Mensch kann sich den „Himmel“ verscherzen durch eigenes Tun. Diesen Schritt kann ich nicht gehen.

Mir fallen da ein paar Kanaillen ein, bei denen ich sage: Nach meinem Verständnis gehören die nicht ins Himmelreich, blanko sowieso nicht. Aber ich habe darüber nicht zu richten. Natürlich entscheidet Gott darüber souverän. In beiden Richtungen.

Ich denke, daß das augustinische Diktum auch für die anderen Menschen gilt. Ich glaube es war bei C.S. Lewis wo ich mal las, daß keiner in den anderen reinsehen kann. Keiner weiß, mit welchen Lasten der Mitmensch umgeht. Ja, manche haben das Charisma, wahnsinnig viele offensichtliche Liebestaten zu tun. Andere können nur weniger tun, weil sie so geschaffen sind. Manche tragen ein schweres Päckchen mit sich rum, und wieder andere haben eine Gabe für Taten im Verborgenen, die man nicht erkennt, deren enorme Wirkung sie womöglich selbst nicht überblicken.

Keine Frage: Man kann jedem Einzelnen nur bis vor den Kopf gucken. Ein angemessenes Maß an guten Werken für andere festzulegen und zu kontrollieren, steht Menschen nicht zu. Aber ständig zu predigen, dass es auf die guten Werke nicht ankommt, ist auch falsch. Gute Werke sind sehr wohl erwünscht.

In der Bibel ist ein Jesuswort überliefert, daß wir nicht richten sollen. (…) Irgendwo sagt Jesus auch, daß wir größere Taten vollbringen werden als Er.

Wenn wir schon bei dem Thema sind. Jesus sagt auch, dass nicht diejenigen in den Himmel kommen, die „Herr, Herr“ sagen, sondern, die, die den Willen tun des Vaters im Himmel. Jesus sagt auch, dass man die Gerechten an ihren Früchten erkennt. Die Bergpredigt enthält eine Reihe von Aufforderungen, Gutes zu tun. Übrigens auch die gedankliche Möglichkeit, dass das Salz nicht mehr salzt ebenso, wie die Option, dass jemand nicht in das Himmelreich kommt.

Ich frag mich, ob das überhaupt die Aufgabe der Kirche ist. Aufgabe der Kirche ist Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung, nicht Belehrung des Volkes.

„lehret alle Völker“

Wenn allerdings die Verkündigung dazu führt, daß Menschen gute Taten tun, ist das sicher ein schöner Nebeneffekt. Zielt man aber darauf in der Hauptsache ab, wird es schief.

Dem stimme ich zu.

Da stimme ich Dir zu. Die Frage ist: Wie soll es anders werden?

Wie soll es anders werden, wenn man lehrt, dass der Einzelne keine Entscheidungsfreiheit hat zu glauben oder nicht, dass er durch gute Werke keinen Heilsbeitrag leisten kann, selbst wenn er es wollte, dass alles, was passiert, ohnehin vorherbestimmt ist, dass allein der Glaube als Rechtfertigung ausreicht und man im Prinzip nichts tun kann und nichts tun muss, dass die Aufgabe der Kirche ist, das alles zu predigen und Sakramente zu verwalten, und vielleicht noch, dass das Konkurrenzprodukt Islam auch ganz gut ist und dass es am Ende sowieso egal ist, weil die Allversöhnung kommt.

Verglichen damit wirken die bekannten fünf Säulen des Islam (Bekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten, Pilgerreise) wie ein klar strukturiertes Programm, das Orientierung bietet und von dem man auch zwangsläufig etwas sieht.

Im Spur-8-Glaubenskurs werden übrigens folgende vier Grundlagen des Glaubens genannt: Gebet, Gemeinschaft, Gottes Wort und Gutes tun. Wenn sich z. B. ein Drittel aller Kirchenmitglieder das dauerhaft und regelmäßig lebten, würde sich schon etwas ändern.

Sicher ist es knallhart. Das steht außer Frage. Aber fordert er es von Menschen, die das nicht können oder wollen? Lehrt er Synergismus?

Ich musste erstmal nachsehen, was Synergismus überhaupt heißt. Anscheinend ein reformatorischer Kampfbegriff, um Abweichler (z. B. Melanchton (!) ) auf Linie zu bringen. Bei mir ist da sowieso Hopfen und Malz verloren, weil ich wie Erasmus eine minimale Mitwirkung (Geschenk annehmen) sehe. Ob Bonhoeffer irgendwo Synergismus vorgeworfen wurde, weiß ich nicht. Der hatte auch ganz andere Probleme.

Bonhoeffers „Nachfolge“ neigt meinem Eindruck nach zu Überforderung – historisch-situativ verständlich -, er weiß das auch und gibt dazu Hilfen an die Hand. Heute sehe ich eher eine weit verbreitete Unterforderung. Im Beruf führt so etwas oft zur Kündigung, in der Kirche wohl entsprechend zu Austritten.

Comment by De Benny on 2016-08-21 22:08:03 +0100

Ich halte sie für frei, kann mich aber irren, Du hältst sie für determiniert und kannst Dich ebenfalls irren. Ich sehe keine Chance, das irgendwie objektiv zu überprüfen.

Da hast Du Recht und ich denke, da kommenwir nicht weiter. Warum ich für Determination hier stimme, hab ich ja auch gesagt.

Das ist eine Argumentation nach dem Schema, wer nicht geheilt wurde, der hat eben noch nicht richtig geglaubt.

Nien, weil in dem Fallist das Glauben ein eigener, aktiver Akt. Man tut selbst etwas, oder man tut es nicht und trägt die Konsequenzen.

In meinem Beispiel geht es aber darum, etwas passiv erfahren zuhaben oder nicht. Es liegt nicht in der eigenen Möglichkeit, dies herbeizuführen, ist unverfügbar. Und deshalb halte ich es für ein ganz anderes Schema. Man kann hier nichts falsch machen, nicht selbst schuld sein.

Natürlich entscheidet Gott darüber souverän. In beiden Richtungen.

Ja. Und nach meinem Glauben entscheidet Gott eben für den Menschen, rechnet die Sünde nicht an. Es hängt also nicht am Tun. Aber das hatten wir ja schon.

Nach meinem Verständnis gehören die nicht ins Himmelreich, blanko sowieso nicht.

Ah, ne, doch nochmal, aber es ist mir wichtig: Klar weiß jeder jemanden, den er  in der Ewigkeitnicht sehen möchte. Aber IMHO zeigt das nur die eigene Unzulänglichkeit, die eigene Sündhaftigkeit an.

„Blanko“ kommt nach meinem Verständnis eh keiner in den Himmel. Himmel bedeutet,daß man auch sich selbst in seinen Sünden erkannt und bekannt hat, daß es so ist. Nenn es Fegefeuer, nenn es Katharsis, nenn es Demütigung unter Gott.

Nach diesem Prozess, den wir wohlalle durchlaufen müssen, seheich kein Problem darin, mit Hitler, Stalin und Bin Laden im Himmel zu sitzen. Weil sie eben wie ich ihre Taten offen bekennen und deren Leid erkannt haben müssen. Daß sie dort sind liegt ebenso an Gottes Gnade wie miene Gegenwart – falls es so kommen sollte.

Aber ständig zu predigen, dass es auf die guten Werke nicht ankommt, ist auch falsch. Gute Werke sind sehr wohl erwünscht.

Sie sind nicht unerwünscht, aber es kommt auf sie nicht an. Und sie sollten nicht im Fokus stehen, sollten nicht als Ziel mißstanden werden. Sie werden sich eh einstellen, sind aber Nebenproduktdes Glaubens, der auf Gott gerichtete ist, und nicht auf die eigene Person und ihrer Perfomanz.

ebenso, wie die Option, dass jemand nicht in das Himmelreich kommt.

Die Option mag es geben. Aber das hat man auch nicht in der Hand, kann es nicht drauf anlegen. Wenn ich mir den Himmel selbst verscherzen kann, kannst Du den ganzen Protestantismus mit seiner Rechtfertigungslehre in die Tonne kloppen.

„lehret alle Völker“

Lehren ist nicht belehren. Und nicht zutexten. Man erklärt, wie es ist, gerne mehrmals, aber man übt keinen Druck aus, läßt den Dingen ihren Lauf.

dass das Konkurrenzprodukt Islam auch ganz gut ist und dass es am Ende sowieso egal ist, weil die Allversöhnung kommt.

Das Konkurrenzprodukt Islam ist nicht schlecht im bürgerlichen Sinn. In unserer freiheitlichen Demokratie hat es die gleiche Berechtigung wie das Christentum. Aber es ist ein Konkurrenzprodukt und hebt IMHO auf das Mitwirken des Menschen bei der Erlösung ab. Das was ich eben von vorn herein ablehne. Hier gibt es relativ klare Vorstellungen, was der Gläubige zu tun und zu lassen hat, um ins Paradies zu kommen. Für manche Menschen mag das ansprechend sein, für mich nicht. Es ist ein Konkurrenzprodukt, es schlägt eine andere Richtung ein und deshalb ist es gar nicht egal, welchen Weg man geht. Beides hat Konsequenzen, auch wenn man letztendlich nur einen Weg wählen konnte – wie die Umstände lagen.

Wenn sich z. B. ein Drittel aller Kirchenmitglieder das dauerhaft und regelmäßig lebten, würde sich schon etwas ändern.

Das ist jetzt nochmal ne andere Ebene: Kritik an Gegenwartskultur. Kann man machen, führt nur nicht unbedingt weiter.Wennwiralle all unser Geld den Armen gäben, ginge es denen leichter. Aber das tun wir nicht, weil wir letztlich doch sehr halbherzig sind. Ein Glück kommt es darauf nicht an. So frustriert man sich auch weniger. Und tut am Ende vielleicht mehr, auch wenn mannur ganz wenig abgibt an die Armen.

Ich musste erstmal nachsehen, was Synergismus überhaupt heißt. Anscheinend ein reformatorischer Kampfbegriff

Es wurde auch als Kampfbegriff benutzt wie fast alles, aber eben auch so. Die Bedeutung liegt im Wort: Syn -> mit erga -> Werke: Also Mitwirken mit Gott am eigenen Heil. Für mich kommt das Heil von Gott allein (solus Christus), für Synergisten arbeiten die Betroffenen daran mit.

Ob Bonhoeffer irgendwo Synergismus vorgeworfen wurde, weiß ich nicht.

Hätte er es vertreten,wäre es ihm vorgeworfen worden, Mindestens von Barth. Aber auch sonst hätte es ihn als protestantischen Theologen angreifbar gemacht. Die Lutheraner pochen ja noch stärker auf das Bekenntnis als wir Unierte und die Reformierten, für die Bekenntnisschriften ja zeitgebunden sind.

Ich verstand Bonhoeffer in seiner Forderung eher so,daß er ansagt, was ist und nicht, daß er fordert. Christ sein bedeutet verschiedene Sachen tun, nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus Gott – und wo man es nicht tut, soll man eben Buße tun und sich der eigenen Unzulänglichkeit bewußt werden. Darum geht es ja im Grunde immer wieder: Sündenerkenntnis. Damit man es später besser macht. Nicht aus eigener Kraft, sindern aus der Kraft, die einem Gott schenkt.

Wenn alles schietegal ist hast Du Recht: Dann braucht man auch nicht mehr mitmachen. Aber darum geht es mir so wenig wie Bonhoeffer.

Comment by Thomas Jakob on 2016-08-25 06:38:52 +0100

Nachtrag:

Gerade habe ich einen interessanten Link wiedergefunden, zum Thema Bonhoeffer und der freie Wille:

http://windhauch.net/bonhoeffer-nachfolge-3-der-ruf-in-die-nachfolge/

Auszug:

Hier gibt es ja zwei Extreme. Erstens: die Betonung der Gnade; alles ist Gnade und der Mensch kann absolut nichts zu seinem Heil beitragen, ja er darf es nicht einmal, weil Gott alles schenkt. Auch den Glauben schenkt er, den kann sich kein Mensch selbst erarbeiten und verdienen. Zweitens: Die Betonung des freien Willens: Der Mensch kann sich selbst für oder gegen Gott entscheiden. Der Mensch ist für seine Entscheidung verantwortlich, denn sonst könnte Gott ja nicht die bestrafen, die sich gegen ihn entschieden haben.

Bonhoeffer sagt, dass der Mensch einen ersten Schritt des Gehorsams tun muss. Dafür kann er sich entscheiden, dazu hat er die Freiheit. Aber dieser erste Schritt allein hat noch nichts mit Glauben zu tun, er ist einfach Gehorsam gegen den Ruf Jesu.

Comment by De Benny on 2016-08-26 07:36:40 +0100

Danke für den Link. Ja, da hab ich Bonhoeffer wohl falsch eingeschätzt. Trotzdem: Dieser erste Schrittdes Menschen in den Gehorsam… ichbin da skeptisch, ob das in der Entscheidungsfreiheit des Menschen liegt (im weltlichen Teil sozusagen), oder ob nicht Gott auch die Umstände schaffen kann, daß es so ist.

Ich denke da an Paulus, von dem wir recht wenig erzählt bekommen, was sein Damaskuserlebnis angeht, der aber nach meinem Verständnis nicht anders konnte.

Und dann ist da halt immer noch der Punkt mit der Verwirkung des Heils. Wenn überhaupt, dann kann Gott bestimmen, daß ein Mensch nicht zum Heil kommt. Sobald er es sich selbst verscherzen kann, fällt nach meinem Verständnis die ganze Reformation mit ihrer Rechtfertigungslehre zusammen, da könnte man polemisch gesagt schon fast wieder anfangen, Ablaßbriefe zu drucken (okay, das vielleicht nicht gerade).

Das war Luthers zentraler Punkt, so wie ich das verstehe, daß Gott an Menschen fest hält, und kein Mensch, weder der Papst noch der Betroffene selbst, diese Bindung lösen kann. Trotzdem konnte Luther seine Gegner als mit dem Teufel im Bunde beschreiben. Ergibt nicht viel Sinn, aber Luther war auch kein Systematiker, er schrieb vor allem Gelegenheitsschriften. Calvin, der eigentlich Jurist war, schreib mit der Institutio eine Sytematik und geht darin darauf ein, daß die Bibel auch von Verlorenen spricht. Er leiet daraus ab, daß es neben den Geretteten wohl auch Verlorene geben müsse, die aber Gott bestimmt, worauf kein Mensche Einfluß habe. Er hält auch fest am Grundsatz, daß es nicht am Menschen liegen kann. Dabei wird beim Lesen ziemlich deutlich, wie widerwillig er das von den Verlorenen formuliert…