Weder kann existieren, noch existiert, noch wird jemals existieren eine „Gleichheit“ zwischen Unterdrückern und Unterdrückten, zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten.

Dieses Bild und dieser Satz, alles schön in rot gehalten. Ein Kampfspruch der politischen Linken, die mit solchen Aussagen ihren Kampf für eine bessere Welt legitimiert. Eine Welt, in der diese Gleichheit Wirklichkeit wird, in der es eben keine Unterdrückung und keine Ausbeutung mehr geben soll.

Wenn man das Bild von Lenin sieht und weiß, was aus der Sowjetunion geworden ist, wie eben auch dort keine Gleichheit erreicht wurde, wie eben auch dort Unterdrückung und Ausbeutung vorkam, vielleicht sogar mehr als im Westen, dann widerlegt das nicht den Satz, der da im Bild steht, nein, es bstätigt ihn nur für den Bereich des Sozialismus/Kommunismus.

Ich denke, der Satz ist korrekt, wie er so da steht. Und ich würde noch einen drauf setzen:

Ausbeutung und Unterdrückung werden wir nicht abschaffen können.

Befreien kann uns kein Lenin, kein Kaiser noch Tribun, oder wie die Bibel es ausdrückt: „alle haben gesündigt“ (Röm 3,23), „denn das Sinnen des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an“ (1. Mose 8, 21).

Die Situation ist verfahren, darauf kann man sich vielleicht auch einigen, wenn man nicht an die Ursünde („Erbsünde“ ist ne schlechte Übersetzung für Augustins „peccatum originale originans„) glaubt, die auf diesen und anderen Bibelstellen beruht.

Alle Versuche, an der Unterdrückung und der Ausbeutung etwas zu ändern müssen scheitern, weil der Mensch einfach so ist, daß er auf seinen Vorteil bedacht ist. Das gilt für mich, Dich und alle anderen.

Man will das nicht so gerne wahr haben, denn eigentlich erlebt man sich ja nicht als so schlecht. Meistens sind es ja die anderen: Die Banker, die Kapitalisten, die Nazis, die Radikalen, die Gutmenschen, die Mörder, die Reichen, die Ossis, die Wessis, die Türken…

Kurz: Die sind schuld, nicht ich, nicht wir (diese Sicht der Dinge begegnet einem außer im Bereich der großen Gesellschaftlichen Probleme auch im Kindergarten, nur geht es da um anderes).

Ja gut, mag manch einer sagen, mal nen Vorteil mitgenommen, wo es keine Opfer gibt, das ist ja nicht so schlimm. Die Kirche mit ihrem Moralismus übertreibt es da ja auch immer! Diese Denke spielgelt sich auch in den „Zehn Angeboten“ der Neoatheisten wieder, deren Nr. 4 lautet:

Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen!

Durchsetzung der Ideale der Humanität durch Lüge, Betrug, Stehlen und Mord! Und in Nr. 5 ist dann die Rede davon, daß man nicht moralisieren soll und der homo sapiens gut wäre und keine „Bestie“.

Ich halte die christliche Anschauung vom Menschen als Sünder da für realistischer. So läßt sich erklären, woher Unterdrückung und Ausbeutung kommt. Mit dem anderen Denken, das wohl sowohl von Lenin als auch von den Neoatheisten geteilt wird, ist der Mensch aber an sich gut und leidet unter wenigen Individuen, die aus welchem Grund auch immer böse sind und zumindest bei Lenin mit Gewalt entmachtet werden müssen, damit alles besser wird (wobei die Neoatheisten ja im Zweifel auch mit Mord die „Ideale des Humanismus“ durchsetzen wollen).

Daß die Gewalt an sich und die Bereitschaft, zur Durchsetzung der eigenen Überzeugung (etwa der Durchsetzung der Ziele des Humanismus) mit Gewalt auch schon ein Problem ist, auch schon mit Unterdrückung zu tun hat, das wird dabei übersehen.

So wie immer übersehen wird, daß die eigenen Mittel im Zweifel genau so schlimm sind wie die der Unterdrücker, die man beseitigen möchte. So löst eine Gewalt die andere ab. Mal wird sie mit Gewehren ausgeübt, mal mit Kapital und Wirtschaft, mal sind die Gewinner des Systems eine bestimmte „Ethnie“, manchmal ist es eine bestimmte „Klasse“. Was aber immer bleibt ist:

Wir gegen die, die sind Unterdrücker, wir sind Befreier.

Die gegnersiche Seite versteht sich selbst dann als Verteidigerin der Freiheit, während sie die selbst ernannten Befreier als Terroristen tituliert. Wie gesagt, es ist wie im Kindergarten: Ich hab recht und die anderen haben Unrecht und deshalb hau ich die jetzt.

So ist dem Grundübel, der Unterdrückung und der Ausbeutung nicht beizukommen! Wie ich eingangs schrieb: Unterdrückung und Ausbeutung sind nicht zu ändern. Das gibt es, weil der Mensch so ist. Nicht nur besondere, böse Menschen, sondern wir alle, Dich und mich eingenommen.

Die meisten Lösungsansätze bestehen darin, ungeachtet der Propaganda, daß die eigene Gruppierung sich eben gegen die anderen, notfalls mit Gewalt, durchsetzen muß, damit alles besser wird. Wird es auch: Für diejenigen, die hier ihre eigenen Herrschaft durchsetzen.

Wieso schreibe cih dann aber so lange davon? Auf was will ich hinaus?

Nun, es gibt einen Weg des Umgangs, der jedoch von den meisten Menschen nicht als solcher angesehen wird, ja vielleicht sogar belacht wird. Und das ist der Weg des (christlichen) Glaubens. Jesus spricht zu denjengen, die Ihm nachfolgen wollen:

Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.(Mt 16, 24; Mk 8, 34; Lk 9,23)

Ich meine tatsächlich, die Lösung liegt in der Selbstverleugnung. Wenn ich mich als unterdrückt erkenne, dann kann ich mich bedauern, oder ich kann mich selbst verleugnen und meinen Drang, immer nur mein Bestes zu suchen, und kann die Situation annehmen.

Die erste Option führt dazu, daß ich im Zweifel enorme Energie aufbringe, den Zustand der Unterdrückung zu bekämpfen. Dieser Kampf kann mich gefangen nehmen, indem ich meine Freiheit über alles setze, ordne ich dem Kampf alles unter, ud es kommt in immer mehr Feldern zur Alternativlosigkeit: Wenn ich in dem Kampf vorwärts kommen will, muß ich dies oder jenes tun und kann auf anderes keine (oder kaum) Rücksicht nehmen. Ich bin Gefangener meines Freiheitskampfes und all mein Tun ist festgelegt. Ich bin vielleicht nicht mehr von äußeren Umständen unterdrückt, dafür nehmen mich innere Umstände, nämlich der Kampf um die Freiehti, gefangen. Ich unterdrücke mich quasi selbst, habe nichts von meiner Freiheit.

Im zweiten Fall würde ich den Freiheitskampf nicht antreten, was schmerzhaft ist. Ich würde vielleicht sogar zusehen, daß ich mich möglichst gut ausbeuten lasse, daß ich ein guter Sklave des Systems bin. Das bedeutet extreme Selbstverleugnung und nach dem eigenen Vorteil braucht man dabei nicht lange suchen. Der ist hin.Wenn man es aber schafft, die Kraft dazu aufzubringen, daß man sich selbst derart zurücknimmt, gewinnt man damit auch eine gewisse innere Freiheit, die für den Freiheitskämpfer unerreichbar ist. Man hat nichts zu verlieren, man gibt, was man hat demjenigen, der einen unterdrückt. Aber alles, was der Unterdrücker von einem nicht will, hat man für sich und kann damit tun, was man will, ohne sich überlegen zu müssen, inwieweit man damit den eigenen Freiheitskampf gefährdet. Das ist eine sicherlich kleine Freiheit, aber eine größere, als sie der in der Alternativlosigkeit gefangene Freiheitskämpfer hat.

Ich glaube, der Weg ist nur im Glauben wirklich zu gehen, weil einem sonst die Kraft dazu fehlt. Aber ich glaube auch, daß dieser Weg tatsächlich etwas verändern kann, im Gegensatz zu all den Revolutionen, die sonst als Rettung angesehen werden, die aber meist nur viele Tote und Zerstörung und eine neue (und nicht zwingend bessere) Regierung bringen.

Dieser Weg ist im besten Sinne unmenschlich, insofern der menschliche Weg der der Gewalt ist. Dieser Weg kann auch ansteckend sein, indem er die Unterdrücker, die ja selbst in den Alternativlosigkeiten dieser Welt gefangen sind, zum Umdenken bringt. Indem sie Menschen erleben, die sich offen ihnen gegenüber verhalten und nicht nur ihre Position gefährden, können auch sie offener werden und gewinnen Alternativen im handeln dazu. Sie werden so auch ein wenig freier.

Meiner Meinung nach sollten Revolutionen nur so, und nicht mit Gewehren verlaufen. Dieses Ideal steht auch hinter dem Kampf der Bürgerrechtsbewegung in den USA um die Aufhebung der Rassentrennung. Man hat sich lieber von der Polizei mißhandeln lassen, als selbst zur Gewalt zu greifen. Leute wie Malcolm X haben das wie ich oben schrieb belächelt und verurteilt. Nach menschlichem Denken verständlich: Wie sollte man im Freiheitskampf gewinnen, wenn man sich in die Unfreiheit begibt, nicht zurückschlägt, wie früher die Sklaven?

Trotzdem war die Bürgerrechtsbewegung erfolgreich, auch wenn icht alles durchgesetzt wurde. Die USA haben einen schwarzen Präsidenten, schon in der zweiten Amtsperiode, während die Bewaffnung und die Gewalt, die vonLeuten wie Malcolm X propagiert wurde, wohl mit ein Grund dafür ist, daß weiße Cops meinen, sie könnten einfach so schwrze Jugendliche niederschießen, weil die hätten ja schließlich alle Waffen und seien gefährlich…

Eine Sache noch:

Ich bitte zu beachten, daß ich hier nur von der eigenen Person aus argumntiert habe, nur die eigene Unterdrückung betrachtet habe, nicht die Unterdrückung anderer. Ich finde dies wichtig, weil ich eben für mich am ehesten sprechen kann, weniger für eine Gruppe, ein Millieu, dem ich vielleicht nicht einmal angehöre. Lenin wollte die Arbeiter befreien und war selbst keiner, die RAF wollte die deutschen Arbeiter befreien, die großteils BILD lasen und nicht viel von der RAF hielten. Und hätte Guevara in Bolivien mehr Unterstützung von den dortigen Bauern, die er befreien wollte, gehabt, wäre er vielleicht nicht gefangen und erschossen worden.

Man könnte nun meinen, ich spreche mich hier dafür aus, daß die Unterdrückten eben unterdrückt sein und dabei glücklich sein sollen, da ich als Angehöriger einer priviligierten Schicht mich dafür ausgesprochen habe, das Kreuz auf sich zu nehmen und zu dienen um so eine innere Freiheit zu erlangen, die schließlich auch andere befreit.

Dem ist nicht so! Was ich ausdrücken wollte ist, daß keine gewaltsame Befreiung weder der eigenen Person noch anderer etwas am grundsätzlichen Problem ändern wird, man tausht höchstens die Rollen. Das bedeutet jedoch nicht, daß man angesichts der Unterdrückung anderer nichts machen solle. Wo man kann sollte man auf eine Veränderung hinwirken, indem man die Dinge beim Namen nennt und zusieht, daß man sich selbst nicht – vielelicht aus Alternativlosigkeit – in solche Unterdrückungsmechanismen verstrickt (und wir sind alle darin verstrickt!). Kurz: Wenn Du jemanden siehst, der Hilfe braucht, dann hilf ihm, hilf ihm nachhaltig, aber versuche nicht, ihm zu helfen, indem Du mit Gewalt etwas am System ändern willst. Denn das System änderst Du nicht mit Gewalt, da es selbst auf Gewalt baut. Mit Gewalt stützt Du das System nur, Du tauschst höchstens ein paar Rollen aus un der Hilfsbedürftige von heute wird zum Unterdrücker von morgen.

Fazit

Gleichheit läßt sich nur über den Weg des freiwilligen Dienstes erreichen. Denn wenn ich freiwillig das tue, was mein Unterdrücker verlangt, dann begebe ich mit damit mit ihm auf Augenhöhe. Damit unterlaufe ich die Unterdrückung, denn wo ich freiwillig arbeite, werde ich weder unterdrückt noch ausgebeutet. So komme ch auf Augenhöhe mit denen, die mich unterdrücken.

Darüber hinus kann ich alle mir zur Verfügung stehenden Kräfte nutzen, um anderen Unterdrückten das Leben so leicht wie möglich zu machen, wobei Gewalt keine Optionist, weil sie das System stärkt und nicht schwächt.

Comments

Comment by Thomas Jakob on 2015-05-02 09:23:29 +0100

Guter Beitrag. Die Vorstellung, dass man nur die äußeren Verhältnisse ändern muss, um den ehemals edlen Wilden auch im modernen Menschen wieder zur Entfaltung kommen zu lassen, kann wohl als widerlegt gelten. Das etwas pessimistische christliche Menschenbild liegt hier wohl richtiger.

Revolutionen haben immer wieder zu großem Unrecht geführt. Als positives Gegenbeispiel fallen mir die Sandinisten in Nicaragua ein, die sich nach ein paar Jahren einem demokratischen Votum gebeugt und sich nicht an die Macht geklammert haben.

Das Christentum hat andere Probleme als revolutionäre Ansätze. Eigentlich ist eine apolitische Linie durch Jesus vorgegeben und durch Paulus ausformuliert. Damit sind Christen im harmloseren Fall willfährige Untertanen. Leider ist es dabei noch nicht einmal geblieben, sondern  häufig hat die Kirche sogar mit den Mächtigen paktiert und ungerechte Verhältnisse damit stabilisiert.

Comment by De Benny on 2015-05-08 09:35:28 +0100

Eigentlich ist eine apolitische Linie durch Jesus vorgegeben und durch Paulus ausformuliert.

Würd ich so nicht unterschreiben. Jesu (und Pauli) Linie ist alles andere als apolitisch, trotz der Aufforderung zum treuen Untertanensein. Das hat alles enorme politische Sprengkraft, nur soll diese eben nicht von den Christen zur Detonation gebracht werden – ja, das Bild ist auch etwas schief…

Leider ist es dabei noch nicht einmal geblieben, sondern  häufig hat die Kirche sogar mit den Mächtigen paktiert und ungerechte Verhältnisse damit stabilisiert.

Die „Kirche“ als Institution ist eine Institution von sündigen Menschen für sündige Menschen. Daß da Murks passiert wie in jeder Institution (vor allem, denen, die irgend eine Form von Heil in der Tasche zu haben meinen) quasi schon im System angelegt.

 

Nochmal zurück zur politischen Sprengkraft: Als Christ darf und soll man ja durchaus Mißstände, auch soziale, mindern. Das ist sehr politisch. Man kann sie auch erst einmal anprangern, auch das sehr politisch. Dabei soll man halt guter „Untertan“ (deshalb in Anführungszeichen, weil das heute einen negativen Klang hat, damals waren aber monarchistisch-diktatorische Verhältnisse der Normalfall und die freiheitliche Demokratie ohne Untertanen war noch nicht erfunden) sein, also bei den im System vorgegebenen Mitteln zur Veränderung bleiben. (Früher oder später erledigen sich ungerechte Systeme, also alle bisher, eh von selbst…