Was genau passiert ist, weiß man wohl noch immer nicht. Mir erschließt es sich jedenfalls nicht unbedingt. Um was geht es?

Eine Frau wurde im Dezember bei einer Party mit K.O. Tropfen betäubt, mutmaßlich vergewaltigt und wurde von zwei katholischen Krankenhäusern in Köln abgewiesen (zuerst wohl hier berichtet). Und dann geht es auseinander. Von den Krankenhäusern scheint als Grund angegeben worden zu sein, daß zu der verlangten Untersuchugn zwingend gehöre, daß über die Pille danach aufgeklärt werde und ein Rezept ausgestellt werden müsse. Daß das in katholischen Krankenhäusern nicht möglich ist, sollte eigentlich klar sein.

Läge die Sache so, wäre die Schuld wohl beim Gesetzgeber zu suchen, der einer katholischen Klinik verbietet, katholische Klinik zu sein. Sie dann dafür zu bestrafen, daß sie es doch ist, wäre durchaus etwas heuchlerisch. Das stellte auch Geistbraus fest (via). Durchaus nicht unzutreffend auch, wie er die Berichterstattung darstellt, indem er sich die Szene ausmalt.

Nun sieht es aber eher so aus, daß die Gesetzeslage der katholischen Klinik gar nicht vorschreibt, die Pille danach zu verschreiben, und daß auch die Leitung kein Problem darin sieht, wenn in einem Beratungsgespräch über die Pille danach informiert wird. Jedenfalls liest es sich bei domradio so. Der domradio Text ist auch in anderer Hinsicht interessant: Während im General Anzeiger Bonn noch die Rede davon ist, daß es schon einmal zu Entlassungen gekommen sei betont Meiser gegenüber domradio, daß es zu keinen Entlassungen gekommen sei. Vielmehr sei, so gibt WDR „Krankenhausleitung und Kirche“ wieder, Fehler einzelner Ärzte.

Andernorts war von einem Mißverständnis die Rede. Jedenfalls wird der Fall von allen beteiligten bedauert.

Daß der Mensch immer Schuldige sucht, ist eigentlich recht normal, das kennt man. Daß in unserer heutigen Zeit gerade die Kirche, gerade die katholische Kirche und gerade eine Teilkirche wie das Bistum des in liberaleren Kreisen (und damit auch bei mir) recht unbeliebten Bischofs von Köln gerne als schuldig angenommen wird, ohne die Sache noch einmal zu reflektieren, ist schon weniger normal für eine angeblich aufgeklärte Gesellschaft.

Ich sehe jedenfalls mehrere Szenarien, wie es sich zugetragen haben könnte:

  1. Das Bistum, Meiser und überhaupt alle Beteiligten Katholiken lügen. Die Frau hätte behandelt werden können und müssen und es liegt an der puren Menschenfeindlichkeit aller Katholiken, daß dies verweigert wurde. An der Formulierung sollte man erkennen, für wie wahrscheinich ich das halte.
  2. Es gibt eine gesetzliche Regelung, die das Verschreiben der Pille danach vorschreibt, und die Kliniken haben deshalb die Behandlung verweigert. Diese Variante halte ich deshalb für fragwürdig, weil von der Bistumsleitung selbst bestätigt wurde, daß dies nicht der Fall sei. Damit nimmt sie dem Staat den Schwarzen Peter in dem Fall ab.
  3. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben haben die fraglichen Ärzte, vielleicht aus Unwisenheit, vielleicht aus falschem vorauseilendem Gehorsam oder aus welchen Gründen auch immer, die Behandlung verweigert, ohne „Rückendeckung von oben“. Hierhin deutet die Erklärung des Bistums, wobei nicht Boshaftigkeit angenommen wird, sondern schlicht ein Mißverständnis.

Man kann nun sicherlich anmerken, daß es am Bistum liegt, verständliche und nicht unverständliche Handlungsanweisungen zu geben. Den Schuh muß auf jeden Fall mindestens einmal anprobieren, wer für die fragliche Richtlinie verantwortlich zeichnet. Es war von einer Ethikkommission die Rede. Interesant wäre auch, diese Richtlinie, die mutmaßlich mißverstanden wurde, einmal durchzulesen und sich selbst ein Bild zu machen. Ich habe den Pressesprecher der Kliniken angeschrieben, aber ich bin skeptisch, ob ich eine Antwort erhalten werde. Ebenfalls wäre interessant zu hören, was die betroffenen Ärzte zu dem Fall zu sagen haben.

Abschließend muß aber festgehalten werden, daß der ganze Vorgang furchtbar ist und sowas einfach nicht passieren darf. ebenfalls ist aber festzuhalten, daß dem Bistum oder gar dem Bischof kein Vorwurf zu machen ist, denn soweit ich es sehe wurde von dieser Stelle lediglich die Pille danach verboten, die die Frau aber nicht wünschte, sie hatte das Rezept ja schon.

Comments

Comment by Geistbraus on 2013-01-18 00:39:17 +0100

vielen Dank für diese umfassende und klare Bestandsaufnahme des tatsächlich seltsam verworren anmutenden Vorfalls!

Comment by moony on 2013-01-18 16:17:21 +0100

Ein 4. Szenario: die Menschen, die für die Abweisung der Frau verantwortlich waren, stellen Ihre Hilfe für andere Menschen grundsätzlich unter die Bedingungen ihrer Religion.

Comment by Bundesbedenkenträger on 2013-01-18 17:42:08 +0100

@moony:
Dann spräche aber nichts dagegen, zu helfen. Denn die Religion, in Form der Bistumsleitung hat ja Richtlinien erlassen, nach denen zu helfen ist. 😉

Comment by Philipp on 2013-01-19 21:33:44 +0100

Ich verstehe nicht, warum ein katholisches Krankenhaus eine Vergewaltigten nicht die Pille danach verschreiben kann. Die Ärzte dort haben genauso wie überall einen Eid geschworen, ihren Patienten Leid zu ersparen, das wird ja wohl den religiösen Gefühlen der Behandelnden stehen!
Ich hätte kein Problem damit, wenn das Krankenhaus ein gutes Beratungsgespräch zur Pille geführt hätte und der Patientin die Meinung der katholischen Kirche dargelegt hätte – letztlich sollte die Frau aber doch selbst entscheiden dürfen.
Dass hier notwendige Behandlungen (es ging um die Beweissicherung für einen späteren Prozess und die Nachbehandlung) verweigert werden, ist weder mit christlicher Ethik noch mit dem Hippokratischen Eid vereinbar. Im Übrigen war der Patientin die Pille danach bereits verschrieben worden – sagt die behandelnde Gynäkologin.

Comment by Bundesbedenkenträger on 2013-01-20 09:32:26 +0100

Ich verstehe nicht, warum ein katholisches Krankenhaus eine Vergewaltigten nicht die Pille danach verschreiben kann.

Weil der Papst die Abtreibung verboten hat, worin ihm viele Katholiken und andere Christen auch zustimmen. Die Argumentation läuft so: Man will dem Unrecht der Vergewaltigung nicht das Unrecht eines Mordes hinzufügen. Für Katholiken ist die befruchtete Eizelle ein Mensch wie Du und ich, und da kann man nicht einfach mit der Chemiekeule gegen angehen.

Die Ärzte dort haben genauso wie überall einen Eid geschworen, ihren Patienten Leid zu ersparen, das wird ja wohl den religiösen Gefühlen der Behandelnden stehen!

Wie weit geht das mit dem Leid ersparen? Bzw wäre es nicht zutreffender, von Heilung zu sprechen. Eine Schwangerschaft ist aber keine Krankheit, und da liegt der Knackpunkt. Wo keine Krankheit ist kann auch nicht geheilt werden. Will man sich aber auf das Leid versteifen, so muß man überegen, ob nicht auch das Leid des ungeborenen Kindes, nicht leben zu dürfen, mit einbezogen werden muß.
Freilich gibt es hier in der Gesellschaft verschiedene Standpunkte, das ungeborene Leben genießt nicht gerade viel Wertschätzung, wird immer mehr in die Rolle eines Produktes gedrängt, das bestimmten Anforderungen zu genügen hat. Aber gerade weil es hier viele verschiedene Ansichten gibt, die auf persönliche Überzeugungen zurückgehen und nicht weiter begründet werden können, sollte man sich nicht wundern, wenn andere andere Ansichten haben, als man selbst.

Ich hätte kein Problem damit, wenn das Krankenhaus ein gutes Beratungsgespräch zur Pille geführt hätte und der Patientin die Meinung der katholischen Kirche dargelegt hätte – letztlich sollte die Frau aber doch selbst entscheiden dürfen.

Genau das hätte das Krankenhaus wohl auch getan. Was die betreffede Frau jedoch wünschte war eine anonyme Spurensicherung. Diese wird innerhalb eines Projekts des Notrufs für vergewaltigte Frauen in Köln angeboten. Beide fragliche Kliniken nehmen an dem Projekt nicht (mehr) teil, weil das Projektprogramm vorsieht, im Zweifel die Pille danach zu verschreiben, was Ärzten in katholischen Krankanhäusern nicht möglich ist, wie gesagt. Die Kliniken hatten also gar keine Möglichkeit zu helfen, weil die entsprechende Ausrüstung nicht vorhanden war. Ich hab dazu im Folgeartikel noch etwas geschrieben, dort findest Du auch entsprechende Links.

Comment by Wolfram on 2013-01-24 07:21:19 +0100

Weil der Papst die Abtreibung verboten hat

Korrektur: die „Pille danach“ ist je nach Sicht der Dinge nicht mehr oder weniger Abtreibung als die „Spirale“, die ja auch nicht die Verschmelzung von Spermium und Ovozyt verhindert, sondern die Einnistung des Keims in die Gebärmutterschleimhaut.
Aaaber: in „humanae vitae“ hat sich die römische Kurie unter Paul VI. gegen jede Form von Empfängnisverhütung ausgesprochen, die nicht durch (ggfs. periodische, cf. Knaus-Ogino) Enthaltsamkeit geschieht: Sinn und Zweck der Ehe und der ehelichen Vereinigung ist „seid fruchtbar und mehret euch“. Das gilt auch für Paare, die eine genetische Mißbildung weitergeben würden: wenn die Ehe geschlossen wird mit der festen Absicht, keine Kinder zu zeugen, dann ist es keine „christliche Ehe“ nach dem Diktum der römischen Kirche, man müßte also sagen „keine katholische Ehe“.

Comment by Bundesbedenkentraeger on 2013-01-24 09:21:39 +0100

@Wolfgang:
Ja, kommt jetzt auf die Terminologie an. Ich las glaub ich die Tage was von „abortiver Wirkung“ oder so ähnlich. Es gibt wohl auch zwei Präparate, deren erste nur den Eisprung hinauszögert (die ist im Falle einer Vergewaltigung aus katholischer Sicht wohl okay – hilft aber nicht mehr, wenn der Eisprung schon war und die Frau dann schwanger wird oder schon ist) und eine, die die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindert. Letztere ist aus katholischer Sicht wohl auch bei Vergewaltigung nicht mehr okay, wenn ich es richtig verstehe deshalb, weil die befruchtete Eizelle schon vor der Nidation als Mensch angesehen wird. Das entspricht, meine ich, auch der deutschen Rechtslage.
Ich vermute, daß die nur den Eisprung hinauszögernde Pille danach deshalb bei Vergewaltigungen anerkannt wird, weil niemand auf die Idee käme, hier auch nur in die Nähe von Ehe zu kommen bei der Argumentation.