1a Siehe, mein Knecht, ich werde ihn unterstützen/aufrecht halten, mein Auserwählter, meine Seele hatte Gefallen. (1b: Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, das (göttliche) Recht für die, die keine Israeliten sind, wird er verbreiten).

Die Losung ist der Beginn des sog. 1. Gottesknechtliedes. Hintergrund seiner Entstehung ist das babylonische Exil. Der Tempel in Jerusalem ist zerstört, Teile des Volkes leben im Exil. Für das Volk Israel ist das existenzgefährdend, lebensbedrohlich. Es herrscht das Gefühl: Gott kümmert sich nicht um sein Volk. In diese Situation hinein erklingt das Gottesknechtlied. Es setzt der trostlosen Gegenwart eine trosterfüllte Zukunft entgegen. Es verheißt jemanden, den Gott selbst als seinen Knecht bezeichnet, es verheißt einen Gottesknecht. Was macht eigentlich einen Gottesknecht aus? Die Bezeichnung als Knecht im Kontext mit Gott verweist auf interessante Persönlichkeiten: Abraham (Ps. 105, 4-6), Mose (Dtn 34, 4-5, Ps. 105, 26), Josua (Jos 24, 29), Jakob(Gen 32, 10 f), David und Salomo (1. Kö 3, 6-9) sind nur einige Beispiele. Ich belasse es bei diesen (weitere können von dazu ambitionierten Personen gerne in den Kommentaren mit Angabe einer Bibelstelle genannt werden ;)) und möchte auf einen wichtigen Aspekt hinweisen. Knechte Gottes sind keineswegs fehlerlos. Was sie jedoch von anderen unterscheidet ist, dass sie mit großem Eifer nach dem Willen Gottes fragen (gut, eine Ausnahme dürfte Nebukadnezar sein) und versuchen, danach zu handeln. Sie leben in einer intensiven Beziehung zu Gott und haben mindestens literarisch die Geschichte Israels geprägt. Wird also der Ausdruck „Knecht“ im Zusammenhang mit Gott genutzt, ist damit ein Gottesknecht wie Abraham, Mose u. a. gemeint. Und für Israel war es immer positiv, wenn ein Gottesknecht auftrat (Mit Blick auf Nebukadnezar gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel ;)). So kann also schon die bloße Erwähnung eines Gottesknechtes für gespitzte Ohren und Aufkeimen von Hoffnung inmitten von Trostlosigkeit des Exils gesorgt haben. In V. 1b wird dann die Verbreitung göttlichen Rechts auch unter denen, die keine Israeliten sind, angekündigt. Vorausgesetzt, dass das göttliche Recht dann auch eingehalten wird, wird also die Verwandlung des lebensfeindlichen Umfeldes angesagt. Entgegen aller Vernunft wird gesagt: Durch einen, der in enger Beziehung mit Gott lebt, wird lebensfeindliches Umfeld verwandelt. Das ist eine wahrhaft tröstende Aussicht!

Noch ein kurzer Nachtrag, den ich oben nicht mehr integriert bekommen habe: Es gibt ja die Tradition im Christentum, Christus als Gottesknecht zu verstehen (Vgl. Mt 12, 15-21) Auch wenn Christus zweifellos in einer engen Beziehung mit Gott lebt, finde ich dieses Verständnis bei Matthäus problematisch. Denn Christus als Gottesknecht verstehen würde ja bedeuten, dass wir ihn auf eine Stufe mit Abraham, Mose, Josua, David, Salomo und anderen Gottesknechten stellen. Steht er aber auf gleicher Stufe wie diese, ist die Frage,  er noch schuldfrei sein kann. Da wäre also die Frage: Geht Matthäus von einem schuldfreien Christus aus oder nicht? Aber jetzt werde ich mich damit nicht mehr befassen, vielleicht die nächsten Tage. Oder vielleicht hat ja jemand von euch was dazu zu sagen 🙂

Ach ja: Alle Links zu Bibeltexten führen zu www.bibelserver.com. Das gebe ich mal besser an, damit von der Seite her keine Schwierigkeiten in Hinblick auf Quellenangabe oder so auftauchen 😉

Comments

Comment by Bundesbedenkenträger on 2012-02-18 23:06:29 +0100

Paß auf, dann könntest Du unter Umständen auch beim Menschensohn Abstriche machen müssen, den gibt es auch bei Daniel schonmal 😉
Ich glaube die Frage ob Schuld oder nicht Schuld ist hier unpassend, weil von außen an den Text rangetragen. Hier geht es um einen speziellen Knecht, über den bestimmte Aussagen gemacht werden. Über Schuld, Unschuld und Lieblingsfußballverein (;)) lassen sich im Zweifel gar keine Aussagen machen, muß ja auch nicht.
Wenn man sich den Begriff „Knecht“ ansieht, dann kann damit sowieso jeder gemeint sein, denn er drückt eine Untergeordnetheit aus, und im Vergleich zu Gott trifft das nun mal auf so ungefähr jeden zu.