Ich sitz grad an Ps 90, 13 und versuch das möglichst wörtlich zu übersetzen:

Wende dich/tu Buße Jahwe, bis wann? Und Reue in Bezug auf Deine Knechte wird sich einstellen.

Ist das zu frei? Fordert der Psalmbeter Gott wirklich zum Buße tun auf? Umkehren (שוב) bedeutet ja eigentlich genau das. Und das „bereuen“ steht im Infinitiv, ist also eine Nominalform, die isch erst mal auf das Geschehen an sich bezieht… ich glaub, das geht wirklich…

Comments

Comment by Christopher on 2011-05-15 08:30:54 +0100

Die zweite Vershälfte stimmt noch nicht. nkm steht im Imperativ, also: Habe Erbarmen (oder vielleicht sogar: lass es dich gereuen) mit deinen Knechten. Die gleiche Form findet sich auch in Ex 32,12, wo Mose zu Jahwe fleht, das Volk Israel nicht auf der Wüstenwanderung umkommen zu lassen. Und in Vers 14 dann – tadaa: vaniyachäm jahweh! Da gereute es Jahwe.

Ich meine auch mal gelesen zu haben, dass ad mataj auch mit „endlich“ übersetzt werden kann. Dann wäre die erste Vershälfte keine Frage (was mir auch nicht sinnvoll erschiene) und könnte im Sinne des Parallelismus Membrorum im Geiste der zweiten Vershälfte übersetzt werden: Kehre doch endlich um, Jahwe, und lass es dich gereuch mit deinen Knechten!

Die Vorstellung, dass Gott etwas, was er getan hat, bereut, oder dass das Leid, das einem Menschen widerfahren ist, Gott persönlich berührt, ist dem Alten Testament nicht fremd. Und das ist gut so! Oft wird das leider bei aller philosophischen Spekulation über Gott, wie sie heutzutage wieder so beliebt ist (und auch in der Antike schon war), vergessen.

Comment by Christopher on 2011-05-15 08:32:14 +0100

Am Ende des zweiten Absatzes meinte ich natürlich „lass es dich gereuen …“.

Comment by Bundesbedenkenträger on 2011-05-15 11:03:53 +0100

Danke für den Hinweis, ich hatte mich die ganze Zeit am Infinitiv festgebissen, so daß ich aus der Stelle nicht schlau wurde.
Ich hatte grad estern von Jenni nen Aufsatz gelesen, in dem er dem Nif’al die Bedeutung beimißt, daß dieser den Agens der Handlung verschleiert (Aktionsformen und Stammformen im Althebräischen: Das Pi’el in verbesserter Sicht. Zeitschrift für Althebraistik. 13 (2000), 67–90.), da hab ich dann versucht, das mit in die Übersetzung einzubauen. Ich habe den Eindruck, daß nkm im Nif’al eher ein Erfahren als ein gezieltes Tun ausdrückt. Das Tun hätte dann mehr mit dem Pi’el zu tun, der aber nach Jenni nicht den Vorgang der Handlng asdrückt, sondern das Ergebnis. Der eigentliche Vorgang von bereuen/trösten scheint demnach (wenn man Jennis Aussagen auf nkm überträgt) nicht ausgedrückt zu werden, es gibt weder Qal noch Hif’il.
Jedenfalls finde ich es unbefriedigend, ein Verb in veschiedenen Stammformen so nterschiedlich zu übersetzen, ohne ein Konzept zu haben, wie das zusammen gedacht werden kann. Einen Zusammenhang muß es ja geben, ist ja ein Verb.

Comment by Christopher on 2011-05-15 11:38:57 +0100

Ich würde diese Stelle ganz im Sinne der Parallele in Exodus 32 übersetzen. Da hat es genau diesen Sinn. Hier geht es um eine ganz konkrete Forderung an Jahwe, bei der eine Verschleierung meinem Eindruck nach fehl am Platze wäre. Das geht für mich aus der ersten Vershälfte hervor, mit der die zweite ja korrespondiert. Dort wird schließlich auch nichts verschleiert.

Und dass Verben in verschiedenen Stämmen vollkommen unterschiedlich übersetzt werden, das hast Du ja öfter. In den Fällen kannst Du häufig nicht die beiden Bedeutungen zusammen denken. Ist einfach eine sprachliche Eigenheit. Und so weit liegen die Wortbedeutungen bei nhm meinem Gefühl nach auch nicht auseinander.

Comment by bundesbedenkentraeger on 2011-05-15 12:42:42 +0100

Die Verschleierung ist aber (nach Jenni) die Bedeutung des Nif’al. Und da steht eben mal Nif’al. Ich sitz grad an ner Arbeit zum Thema nhm, und da geht es eben darm, das alles irgendwie unter einen Hut zu kriegen. Und ja, Du hast Recht, die Wortbedeutung von nhm Nif’al und Pi’el ist nicht so weit auseinander, vor allem wenn man bedenkt, daß auch im Nif’al manchmal mit „trösten“ übersetzt wird (Rahel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen).
Sicher übersetzen wir öfters verschiedene Stämme mit verschiedenen Wörtern, aber mein Ziel ist es, dem Nachzuspüren, was im Fall von nhm das Verbindende dahinte ist. Und da versuch ich dann auch entsprechend abweichende Übersetzungen (und mach den Fehler nicht zu sehen, daß Imperativ und Infinitiv formgleich sind :()
Also, erste Vershälfe: Kehr doch um (Adhortativ), zweite Vershälfte: und erfahre Reue in Bezug/über/auf Deine Knechte. Ähnlich könnte man bei Ex 31, 12 übersetzen:
Kehre um (Imperativ) von Deinem Zorn und erfahre Reue über das Übel für Dein Volk. Mir schient mit nhm eine innere Änderung der Einstellng verbunden zu sein, die im Nif’al keine direkte Beeinflussung asdrückt. Im Pi’el sieht es anders aus, da das Trösten ja gezielt getan wird, etwa durch die Menachim. Ich steh allerding noch ziemlich am Anfang meiner Überlegungen.

Comment by Christopher on 2011-05-15 12:50:04 +0100

Bei der Übersetzung mit „lasse dich gereuen“ oder „erfahre Reue“ ist in beiden Fällen der Agens aus der Übersetzung heraus doch schon sehr verschleiert, entspricht also ganz Jennis These. „Sich gereuen lassen“ ist ja schließlich auch nichts, was irgendwer aktiv tun würde. Beide Übersetzungsmöglichkeiten scheinen mir angemessen zu sein.

Comment by bundesbedenkentraeger on 2011-05-15 14:43:25 +0100

Wenn Du’s so ausdrückst: Ja. Ich hatte bei „lasse dich gereuen“ immer ein Verständnis, er würde das aktiv tun, das reen würde aktiv von Gott ausgehen, und nicht nur seine Erfahrng ausdrücken.