Bei Fefe hab ich es grad gelesen. Ähnliches stand auch schon im SPIEGEL Titelthema von letzter Woche: Es soll da eine päpstliche Verordnung geben, aus dem Jahr 1962, von Johannes XXIII, die das Verschweigen von Mißbrauchsfällen fordert.

Fefe beruft sich auf einen Bericht im Observer vom 17.8.2003, der seinerseits auch ein Dokument in englischer Sprache verlinkt, das wohl die Übersetzung der päpstlichen Anweisung enthalten soll.

Glücklicherweise wird hier erstmals ein Name genannt für das päpstliche Dokument, so daß man etwas recherchieren kann. Der SPIEGEL schwieg sich über den Namen noch aus.

So kam ich nach etwas googlen auf ein englischsprachiges katholisches Forum, in dem der Observer Artikel besprochen wurde. Ein Forenteilnehmer sprach gar von einem Hoax, was das Dokument aus Rom betrifft, wozu unter anderem der Fakt, daß das verlinkte Dokument eben in englisch und nicht in latein vorliegt und auch keine 69 Seiten lang ist sondern nur 39 Seiten umfaßt, beigetragen haben mag.

Ein anderer Forenteilnehmer hat sich wohl die Mühe gemacht das Papier durchzulesen und kam zu dem Urteil:

It’s a document governing the ecclesiastical prosecution in ecclesiastical courts of priests who commit the ecclesiastical crime of solicitation.

und:

It’s not about the sexual abuse of minors as the ecclesiastical crime of solicitation relates only to the Sacrament of Penance and can involve adults as well as minors.

und:

The ecclesiastical crime of solicitation is very serious as it is an abuse of the Sacrament of Penance. That’s why laypeople were obliged to report it. You should keep in mind that at the same time it is important to protect the reputation of a priest who may be innocent.

naja, Unschuldsvermutung ist ja nicht besonders populär wenn Kirchenleute angeklagt sind. Aber was meint der noch:

You should also keep in mind that many if not most or even the vast majority of cases of the ecclesiastical crime of solication wouldn’t be a crime under civil law.

Er hat sogar noch ein Beispiel:

Suppose a priest hears the confession of a 30 year old woman. The 30 year old woman during the confession tells the priest: „Father, let’s have a one night stand.“ The priest instead of saying, „No that is wrong“ says, „OK let’s do it tonight“ then by that very fact the priest would be guilty of the ecclesiastical crime of solicitation.

Vor diesem Hintergrund ergibt es dann auch Sinn, wenn ein Kardinal Ratzinger 2005 darauf hinweist, daß die Regelungen noch gültig sind. Denn es geht um kircheninterne Dinge. Ob ein Priester Sex hat, geht den Staat nichts an. Auch die Öffentlichkeit hat kein Recht darauf, in Bezug auf das Sexualleben eines Priesters immer auf dem neuesten Stand zu sein. Hat ein Priester Sex und kommt es heraus, so handelt es sich lediglich innerkirchlich um ein Vergehen, deshalb wird innerkirchlich ermittelt, und um das Ansehen des Priesters zu wahren, der vielleicht zu Unrecht beschuldigt wurde, wird Schweigen vereinbart. Ist der Priester schuldig, kann er versetzt werden und zwar dahin, wo die Frau, in die er sich vielleicht verliebte, nicht ist, um ihn keiner weiteren Versuchung auszusetzen.

Ich wage einmal eine These: Ich glaube, damals hat keiner daran gedacht, daß diese Anweisung auch auf Priester angewendet wird, die Kinder mißbraucht haben. Ich denke sogar, daß damals Kindesmißbrauch außerhalb des Denkens der Mehrheit der Menschen lag. Es wäre einmal interessant herauszufinden, wie viele Fälle von Kindesmißbrauch damals durch die Presse gingen und wie viele es heute sind. Ich sage nicht, es hätte damals keinen Kindesmißbrauch gegeben, ich sage lediglich: Ein Großteil der Menschen hat sich das nicht vorstellen können. Was, wenn trotz Zölibat und unterdrückter Sexualität etc auch der damalige Papst nicht von allein darauf gekommen wäre. Dann hätten wir ein Dokument, das ganz gut passt für den Fall eines Vergehens nach dem Kirchengesetz, aber gar nicht passt wenn dies nun auf Mißbrauchsfälle angewendet wird. Und so ein Dokument scheint das Fragliche zu sein.

Zu wünschen wäre, daß von kirchlicher Seite noch einmal eine Verdeutlichung käme, daß bei Mißbrauch eben die Polizei eingeschaltet werden soll und die Verordnung nur auf Fälle bei denen kein Mißbrauch (ob von Kindern oder Frauen) angezeigt wird angewandt wird. Nach den Vorwürfen der Presse, der ich in diesem Themengebiet zunehmend skeptisch gegenüber stehe, kam ja genau das vor: Das Vertuschen von Mißbrauch unter dem Vorwand der fraglichen Verordnung.