Heut morgen hat’s der Dozent nochmal auf den Punkt gebracht, so i die Richtung hab ich ja auch schon gedacht, aber das war nicht schlecht in der Zusammenfassung. Aber um was geht es?

Einerseits um das persönliche Bekenntnis. Also kein öffentliches wie das Apostolikum oder die CA, sondern das was jeden persönlich betrifft.

Andererseits, und das hängt damit zusammen, um den Umgang in der Gesellschaft mit solchen Bekenntnissen, bzw die Tabuisierung des ganzen Komplexes und der daraus entstehenden Konsequenzen.

Das Bekenntnis ist erst einmal das, was jemand glaubt. Soweit passt es noch auf die öffentlichen Bekenntnisse der Kirche, soweit sie von den einzelnen Menschen wirklich bekannt werden. Einige sollen ja Probleme mit der Jungfrauengeburt haben. Das Bekenntnis ist aber nicht nur auf Glaubenslehrsätze beschränkt. Es hat etwas mit Weltverständnis zu tun, oder besser Wirklichkeitsverständnis. Darin ist zusammengefaßt, was der Bekenner für wirklich, für wahr hält. Das können kirchliche Dogmen sein wie die Jungfrauengeburt, auch bis zum Dogma der Biblizisten von der Verbalinspiration der Bibel. Aber eben auch, und hier verlassen wir den Bereich der Religion, das Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie.

Auch hier wird eine bestimmte Wirklichkeit bekannt und zur Grundlage jeder weiteren Diskussion gemacht, nämlich, daß jeder Mensch zumindest insoweit gleich ist, daß er ein Wahlrecht hat sowie gewisse Freiheiten besitzt. Eine Hinterfragung dieser Voraussetzungen, wenn man es denn angehen wollte, wird dadurch erschwert, daß der Bekenner diese Dinge als Teil seines persönlichen Bekenntnisses zur Grundlage all seiner Argumentation macht, zum Ausgangspunkt. Eine Kritik desselben ist nicht anders als um den Preis einer neuen Grundlage zu haben, die dann wiederum nicht kritisierbar ist, bis man eine andere Grundlage gefunden hat.

Nun wissen wir aus der Kirchengeschichte ja eins: Bekenntnisse können geschrieben werden und auch zu gewissen Zeiten große Zustimmung finden. Heute wird es wenige Christen hierzuland geben, die mit der Barmer Erklährung ein Problem haben. Das war nicht immer so. Umgekehrt hatten früher wohl weniger Probleme mit der Jungfrauengeburt im Apostolikum als heute. Öffentliche Bekenntnisse geben zwar eine Norm vor, können diese Norm aber nicht für alle Ewigkeit aufrechterhalten. Sie werden, zumindest teilweise oder für einen Teil der Menschen, unglaubbar oder gar unglaubwürdig. Sie passen nicht mehr zu den persönlichen Bekenntnissen der Menschen. Behalten wir dies im Kopf.

Von Bekenntnissen spricht man heute ja eher selten. Manchmal noch im Zusammenhang mit dem konfessionelen Religionsunterricht in der Schule (confessio=Bekenntnis). Dabei scheint es mir so, als ob der Bekenntnisanteil auf immer weniger Zustimmung stößt. Man will hin zu einem „neutralen Unterricht“ (der Begrif ist schon eine Problemstellung in sich). Das Bekenntnis soll nicht mehr die Rolle spielen, weil Bekenntnisse als trennend empfunden werden. Gerade in einer multikulturellen Gesellschaft wie wir sie in Mitteleuropa haben, bringt das enorme Spannungen mit sich. Statt dessen sollen die Religionen „neutral“ unter Religionswissenschaftlichen Aspekten betrachtet werden (was ein neues Fach wäre, aber um das Problem geht es mir nicht). Dabei wird das Bekenntnis vollkommen von der Schule verbannt. Reflexion über ihr Wirklichkeitsverständnis müssen die Schüler nicht mehr leisten, falls nicht der Geschichtsunterricht anfängt, die Kritik der Geschichtsbücher und der Matheunterricht anfängt, die Kritik der Axiome zu behandeln. All dies sind ja Dinge, die wir ziemlich unhinterfragt glauben. 1+1 ist 2, wer das auch nur in Frage stell muß schon ganz schön blöd sein. Und Bayern war ein Teil der Pfalz, oder doch umgekehrt?

Die Auseinandersetung mit dem Bekenntnis, nicht dem religiösen Bekenntnis, sondern dem Bekenntnis als Wirklichkeitsverstännis findet in unserer Gesellschaft fast nicht mehr statt, weil es Gefahren in sich birgt. Früher, als alle irgendwie in der Kirche waren und durch ein wie auch immer zu definierendes abendländisches Weltbild geprägt waren, konnte man über das Bekenntnis sprechen. In den wichtigen Punkten war man sich weitgehend einig, und in den unwichtigen Punkten kann man gut tolerant sein (Keines Beispiel: Versuchen sie mal Toleranz aufzubringen bei einem wichtigen Thema wie Gewalt gegen Schwächere. Was wir als wichtig erachten bestimmt übrigens auch unser Bekenntnis).

Heute aber, wo die Bekenntnisse merkbar auseinander gehen und eine Auseinandersetzung darüber in der Gesellschaft wichtig wäre, um zu einem gegenseitigen Verständnis zu kommen, wird es immer mehr ausgeblendet, wegen des Konfliktpotentials. Es birgt Konfliktpotential wenn der Gläubige auf den Atheisten trifft, der Christ auf den Muslim, und wenn man jetzt noch alle weiteren Geschmacksrichtungen persönlicher Bekenntnisse einbringen, wird dies ein ganz bunter Haufen.

Ich denke jedoch, wir sollen darüber  reden. Öffentlich. Das Bekenntnis ist keine Privatsache, denn es bestimmt mein Handeln bis ins kleinste. Dr Pazifist wird durch sein Bekenntnis zum Pazifismus geprägt, der Vegetarier bindet sich auch an sein Bekenntnis zum Vegetarismus. Es hat gesellschaftliche Auswirkungen, was wir bekennen, deshalb darf dies nicht in den Privatbereich verbannt werden. Dazu ist es zu wichtig, dazu ist es zu explosiv.

Wir brauchen eine neue Aufklärung. Die Menschen müssen lernen, daß ihre Überzeugungen nicht natürlich gegeben sind, sondern auch ganz anders sein können. Die Tabuisierung des Bekenntnisses und die Verbannung in den Privatbereich bietet Unverständnis und in der Folge vielleicht auch Xenophobie oder gar Fremdenhaß Vorschub. Die Menschen müssen reflektieren, warum sie auf welcher Seite stehen, dann ist es vielleicht auch möglicher, tolerant gegenüber Leuten zu werden, die ein anderes Bekenntnis haben. Alles wird man nicht tolerieren können, egal welches Bekenntnis man wählt. Es sei denn, man wird absolut indifferent. Das fände ich dann unerträglich…